Moin, empfindsame Seelen
In nahezu all euren Schilderungen finde ich mich wieder. Es tut gut zu wissen, da sind andere, die haben jeden Tag mit ganz ähnlichen Symptomen umzugehen, und es ist interessant zu lesen, wie sie es tun. Und vieles brachte mich dazu, auch ein wenig Ursachenforschung bei mir selbst zu betreiben.
Wie oder was ist es bei mir genau? Ist es, nur meine Hochsenisibilität oder eine Depression? Oder beides? Und wenn ja, was war zuerst da? War zuerst die Henne da oder das Ei ? Diese Fragen bringen nicht wirklich weiter. Auf das Thema bezogen, bezweifelt wahrscheinlich kaum jemand, dass Unglücklichsein bis hin zur Depression auch den Sensibilitätslevel dramatisch erhöhen kann. Oder umgekehrt gesagt: Glücksphasen in unserem Leben halten Stresshormone in Schach.
Was ändert meine Art und Weise, die Dinge zu empfinden, an ihnen selbst? Gar nichts. Egal ob ich sie gerade durch die rosa Glückshormonebrille stark gedämpft wahrnehme oder sie in einer schlechteren Lebensphase eben ungefiltert auf mich prallen.
Würde ich auch nur auf einen Teil meiner (Mit-)Leidensfähigkeit verzichten wollen? Nein. Denn dann würden ja, proportional, auch meine Glücksempfindungen verschwinden – ein Preis, dermaßen hoch, unvorstellbar. Wenn mich also meine Empfindungsfähigkeit manchmal mehr beeinträchtigt als mir hilft, zeigt mir das nur, dass ich noch besser lernen muss, mit diesem Geschenk umzugehen.
Werden nicht die Dinge komplett auf den Kopf gestellt, wenn in der Gesellschaft Technik mit dem Prädikat “hochsensibel” als äußerst wertvoll erfahren wird, andererseits aber ein Mensch mit diesem Wesensmerkmal als krank oder jedenfalls abnormal stigmatisiert? Ist es nicht vielmehr logisch, dass der Mensch, der in der Lage ist, hochsensible Technik zu erfinden, selbst über einen hohen Grad an Sensibilität verfügen muss? Und auch der nächste Denkschritt ist für mich nun kein Tabu, nämlich dass ein derartig hochsensibles Konstrukt wie der Mensch kein Zufallsprodukt sein kann, sondern ein planerisches Meisterwerk der Schöpfung eines Gottes, von dessen allerhöchster Sensibilität wir nur schattenhaft etwas erahnen können.
Wenn ich mir menschliche Sensibilität nun wie eine Achse von “min. bis max. vorstelle, ist meine eigene Sensibilität gar nicht mehr so sehr hoch, sondern vielleicht bestenfalls guter Durchschnitt. Sonst würde ich ja möglicherweise virtuos Geige spielen oder Klavier. Interessant in dem Zusammenhang ist doch auch, dass der englische Begriff “sensible” vernünftig bedeutet. Es wäre also nicht nur warmherzig, sondern sogar vernünftig, sich so zu verhalten, dass Gefühle anderer Lebewesen möglichst nicht verletzt werden – ein schöner Gedanke. Ein Gedanke, dem innewohnt, dass ich im Grunde kein anderes Lebewesen verletzen kann, ohne gleichzeitig auch selbst Schaden zu nehmen an meiner Seele.
Es ist unrealistisch zu erwarten, dass aus der Matrix als Ganzem jemals ein Mitgefühl für Menschen entspringen könnte, die unter den von ihr als gut und richtig proklamierten Normen leiden. All die psychisch Erkrankten sind für sie nur Kollateralschäden, tolerierbarer “Ausschuss” eines Systems, dessen einzige Priorität monetärer Erfolg ist. Das ist innerhalb der Matrix kein Grund zur Sorge, zumal sich ja selbst die, die durch ihr Raster fallen, noch wunderbar vermarkten lassen. Ganze Wirtschaftszweige mit den dazugehörigen Lobbyisten sind deswegen entstanden und lenken ihrerseits ganze Berufsgruppen.
Bleibt zu hoffen, dass immer mehr Menschen, die sich unbehaglich fühlen, dieses Gefühl nicht verdrängen, sondern ihm auf den Grund gehen, sich umorientieren, ohne dass erst ein Tinnitus oder Schlimmeres sie dazu zwingt.
Dann könnte es irgendwann dazu kommen, dass Erziehung nicht mehr hart machen muss, nur damit die Kinder gesund durchs Leben kommen, wenn auch mit einem Sensibilitätsgrad von min.. Ich denke, sie kommen damit nicht einmal gesund durch ihre Kindheit, wissen nicht, weshalb sie ständig anecken, geschweige denn, wie sie es vermeiden könnten. Kindergarten und Grundschule müssen den Kindern oft das elementarste soziale Verhalten (EQ) vermitteln, frustrierend für die Erzieher, aber auch für die Schüler, die viel häufiger zu spüren bekommen “du störst” als Lob und Anerkennung, die so wichtig wären für ihren Fortschritt. So werden Minderwertigkeitskomplexe geboren, das Gefühl des Versagens, und die Schule als etwas erfahren, das
überlebt werden muss, nicht gelebt als eine Zeit, die idealerweise interessant, spannend und schön sein sollte.
Tut mir leid, falls ich da jetzt “leicht” OT geraten sein sollte. Ich kann einfach kaum jemals Teilbereiche losgelöst voneinander betrachten.
Heute Morgen bekam ich einen Newsletter, der für mich gerade wie Balsam ist – Jugendliche und Renter sollten sich bitte nicht durch den Titel abschrecken lassen:
https://www.wirtschaftswissen.de/untern ... n-koennen/Liebe Grüße,
Sixmilesoff