Entschuldigt bitte, dass ich so direkt und fragend hier auftauche und auspacke. Ich bin 41 Jahre alt, hatte in der 13. Klasse einen Schulsportunfall, bei dem mir mein Genick teilweise gebrochen wurde. Wurde bewusstlos ins Krankenhaus gebracht und ohne grosse Untersuchungen drei Tage später entlassen. Da ich noch jung und dumm war, störte ich mich nicht, dass meine Halswirbelsäule seitdem immer etwas knackte und irgendwie nicht mehr richtig passte, doch mit der Zeit (Monate) wurden die Beschwerden schlimmer und ich fühlte mich benommen. Der Hausarzt tippte auf Infektion und verschrieb mir bestimmt 20 Mal Antibiotika. Ich konnte Abi noch machen aber bereits der Zivildienst setzte mir zu, ich fühlte mich nicht mehr richtig präsent, halt benommen und immer wieder wachte ich auf und wußte nicht mehr so ganz wo ich bin. Ich fand eine liebe Frau, zog mit ihr nach Tübingen, studierte Bio und meine Beschwerden wurden immer schlimmer, ich wurde etwas lethargisch, konnte aber noch soweit, dass ich während des Aufkommens des Internets dann Programmieren lernte und unsere Familie versorgen konnte. Das ging mehrere Jahre halbwegs gut. Aber die Beschwerden wurden immer schlimmer, die Benommenheit nahm zu und immer wieder nachts, wenn ich etwas schief lag, verschoben Halswirbel und drückten auf die hirnversorgenden Arterien. Ich ging dann irgendwann zum Einrenken und in der Folgenacht - ich denke an diesem Tag wurde das Genick vollends gebrochen - schreckte ich auf und wußte nicht mehr wer ich bin und wo und lief ca. 1 Woche nur szs. im Kreis. Daraufhin änderte sich alles dramatisch, ich versuchte mit aller Kraft weiterzuarbeiten, aber mein Zustand war lebensbedrohlich, sobald ich meine Halsmuskulatur entspannte. So gingen ca. 4 Jahre vorbei, meine Frau machte ihr Abitur nach, und ich hatte nicht mal mehr die Wahrnehmung mich ausreichend zu erklären oder die Worte, zu beschreiben, was mit mir los war. Ich konnte keine Freundschaften mehr pflegen, war nur noch von Fachambulanz und Notärzten von Praxis zu Uniklinik (5 verschiedene Unikliniken und sicherlich zwei dutzend Fachärzte und keiner ging auf meine Bewußtseinstrübung und immer schlimmer werdende Benommenheit und schwindende Bewußtseinsklarheit ein, in einer anderen Klinik schob man alles auf die Schilddrüse und sie wurde teilentfernt, ... als ich aus der Narkose aufwachte, man hatte zur Beatmung meinen Kopf wohl überstreckt mit weiteren Durchblutungsstörungen, war ich nur noch im Delirium, ... dieser Zustand zog sich noch 2 Jahre, ich baute mir Spezialliegen, damit ich auf dem Rücken liegen konnte, damit sich meine Halswirbelsäule nicht verschob. Meine Frau hat ihr Abitur absolviert und ich dachte, ich würde bald an meinem Zustand sterben, ich beschloss die Taktik, Theologie zu studieren (obwohl ich wußte dass ich kaum mehr geradeaus gehen konnte, um meiner Frau durch Spiritualität durch mein vermeintliches Ableben etwas Trost zu geben ...). Sie studierte daraufhin auch Theologie und mir war klar, dass aus mir, dem früher immerfröhlichen Mensch nur noch ein Elendshaufen geworden ist. Ich studierte nicht Theologie (was mir selbst ja klar war) und während ich dachte, das war es nun mit dem Leben - oder wie man mit so vielen Narben aufgrund immer wiederkehrender kleiner Hirninfarkte halt denkt - hat mir ein wildfremder Mensch geschrieben, ich solle zu einem ehemaligen Neurochirurgie-Chefarzt, der meine Verletzung erkannte und etliche solcher Fälle bereits operiert hatte und von den Kollegen und der Versicherungslobby diskreditiert wurde, gehen. Der Arzt untersuchte mich und stellte Genickbruch fest und schon die Woche darauf war ich operiert und Kopf und Hals verschraubt. Mir ging es daraufhin besser, aber die Narben im Gehirn hinterließen psychische und kognitive Störungen, die nicht behoben wurden, aber ab diesem Zeitpunkt waren die wiederkehrenden Durchblutungsstörungen zu Ende. Daraufhin versuchte ich, irgendwie zu rehabilitieren, während meine Frau studierte. Doch schon ein Jahr später brach eine Schraube im Genick und eine erneute Operation wurde nötig, die allerdings mißlang. Dann folgte eine weitere Odyssee von Chirurg zu Chirurg, keiner wollte mich operieren, weil er Schadensersatzforderungen befürchtete, bis ich einen Professor in Wiesbaden fand, der die OP machte. Allerdings brach nun eine andere Schraube (während ich meinen Kiefer öffnete, um in einen Apfel zu beißen), daraufhin operierte er nochmal, die allerdings misslang und ich wieder Gehirndurchblutungsstörungen hatte, er schützte sich und sagte, alles wäre gut, doch ausgerechnet sein ehemaliger Schüler, der nun Neurochirurgie-Chefarzt in einem anderen Klinikum war, hielt eine erneute OP auch für sinnvoll. Also wurde ich ein fünftes Mal am Genick operiert. Das muß, wie ich im Nachhinein denke, ein einziger Horror für meine liebe Frau gewesen sein. Sie hatte bald darauf ihr Theologie-Studium abgeschlossen und wir zogen um, damit sie ihr Vikariat machen konnte. Aus mir ist und meinem Selbstwert, meiner Wachheit und Wahrnehmung ist ein Häufchen Elend geworden. Ich brauche morgens stundenlang, bis ich klar und halbwegs wach im Kopf bin. So lebten wir zwei Jahre das Vikariat durch und meine Frau drängte daraufhin, eine Zusatzqualifikation als Klinikseelsorgerin anzustreben. Ich riet ihr ab, weil sie durch mich wahrlich genug Leid erlebt hatte, doch sie wollte das so. Ich selbst lebte eigentlich ohne Freunde sehr zurückgezogen ohne große Träume. Ich träumte davon, dass es mir mit der Zeit vielleicht besser ging. Nun, das Vikariat war um. Und wir zogen in eine Stadt, in der meine Frau die Weiterbildung machte, dort hat sie in einem Intensiv-Kurs einen anderen Mann kennen gelernt und sich nach zwanzig Jahre mit zwar tiefer Liebe zumindest von mir und mit viel erlernter Hilflosigkeit und Zurückgezogenheit von mir getrennt ohne, dass wir jemals großartig über die Bedürfnisse gesprochen hätten. Der neue Mann, in der Blüte seines Lebens, ein neurolinguistischer Meisterprogrammierer, der ihr alles erklärte, Verständnis für sie hat und sie - so wie ich glaube - sogar gegen ihr instinktives Gefühl, die Familie nicht zu zerstören, beeinflußte. Ich zog zu meinen Eltern und wollte sie nochmal besuchen, in der Nacht, warf er die ganze Nacht Steine ans Fenster, damit meine Frau es sich nicht mehr anders überlegt, am Telefon sagte er ihr, ihr Leben mit mir sei die Hölle und er sei nicht die Hölle. Meine Frau machte Schluß mit ihm, aber er sagte nur, wem sie das antue, ihm oder ihr, ... er hat mich in den Augen meiner Frau entwertet und manipuliert. Das ist nun ein Jahr her und ich komme nicht mehr darüber hinweg, daß ich keine Chance hatte ... Ich bin völlig vereinsamt, weiß eigentlich nicht, von was ich leben soll und ehrlich gesagt, hab ich auch keinen großen Lebenswillen mehr. Eine Beziehung halte ich für utopisch, denn mit einem seelisch zerstörten Menschen, der so viel Gehirnschaden hat, dass er sich aufschreiben muß, was er als nächstes tut, der nicht für sich sorgen kann, will a) wohl kein Mensch leben und b) will ich das auch keinem Menschen mehr antun. Ich denke, meine Frau hat mich wirklich geliebt, sonst hätte sie mich nicht so lange am Leben gelassen. Denn ohne sie hätte ich schon lange aufgegeben gehabt. Ihrzuliebe habe ich so ums Überleben gekämpft, was mir aber offensichtlich nicht gelang. Das ist nun der Stand der Dinge. Aufgrund von dauernder mal sehr wenig spürbarer, mal massiver Benommenheit, verschreckt und verstört, Angst vor allem und jedem, nicht mehr in der Lage (irgendwie verlernt und keine eigene Kraft mehr) neue Freundschaften zu knüpfen, sitze ich nun hier in einer einsamen Wohnung und warte, aber auf was? Ich weiß es nicht. Habe gefühlte 15% Kraft zu meinem früheren gesunden wachen Ich, absolute Versagengefühle, Schuldgefühle, dass ich das alles meiner Frau antun musste (aber wie oft dachte ich an Freitod, bestimmt 1000 Mal), keine Ahnung mehr und auch mangelnde Präsenz für neue Freundschaften. Meine Frau hab ich nun seit einem Jahr nicht mehr gesehen, sie lebt ein neues Leben und ich würde es ihr auch gönnen, mit jedem guten anderen Menschen, aber ich habe erstmals in meinem Leben Hass, gegen diesen neuen Mann, denn er hat meines Erachtens manipuliert, suggeriert und mit seiner Präsenz und Vigilanz mich in ein hässliches wertloses Eckchen gestellt. Und so bin ich hier und weiß nicht mehr weiter, Psychiater, Psychologe, aber sowieso ... für beides fehlen mir Mut und Kraft. Überlebenswillen? Wenn einen der wichtigste Mensch nicht mehr anschaut, was hat man da noch zu erwarten, irgendwie kann ich es ja verstehen und theoretisch nachvollziehen, wäre es kein Opportunist, der mein kleines Stückchen leben vollends zerstörte, der mich vollends aus dem Leben katapultierte. Also Selbstmitleid? Hirnschaden, keine große Wachheit und Klarheit mehr im Kopf, einsam und vergessen, kaum Kraft. ... Ihr wart ganz schön tapfer, wenn ihr mein Klagen bis hierher gelesen habt Ganz lieben Dank.
28.04.2015 17:14 • • 06.05.2015 #1