N
Nyan
Zitat von Mayem:Zitat:Psychotherapie als eine mögliche Option setzt da an, wo Erlebnisqualität und Handlungsspielraum beeinträchtigt sind, dort, wo soziale Konflikte entstehen, die man zum einen nicht selbst lösen kann, und die zum anderen Teil das jeweilige soziale Umfeld belasten. Und von der Misere gibt es aufgrund einiger Faktoren heutzutage leider mehr als vor 100 oder 200 Jahren
Ja das finde ich auch gut im Grundsatz. Psychotherapie hat viel geschafft und vielen erfolgreich geholfen. Es gibt aber meines Erachtens trotzdem ein paar Punkte, die man kritisieren könnte. Wie immer kommt es auf die Dosis an, manchmal ist es einfach zuviel des guten.
Du schreibst so treffend wo der Handlungsspielraum und die Erlebnisqualität beeinträchtigt ist. Häufig von einem selbst ausgehend, aber deshalb noch lange nicht immer. Wenn Handlungsspielraum und Erlebnisqualität von den äußeren, nahezu unveränderbaren Umständen zu Unrecht beeinträchtigt werden, dann kann eine Therapie auch ins leere laufen. Klassisches Beispiel ist ein gleichgeschlechtlich Mensch in einem stark homophobischen Umfeld. Wer oder was ist dann zu therapieren?
Meine Meinung: Weder ich, noch du, noch mein Nachbar sind die Gesellschaft. Gesellschaft ist Massendynamik, der kleinste gemeinsame Nenner auf den sich die Mehrheit einigen kann. Klar hat jeder einzeln Einfluss darauf, es selbst moralisch besser zu machen. Nur hat man mit dem Spruch allein noch lange nicht die Tatsache weggewischt, dass wir nunmal der ungehaltenen Massendynamik ausgesetzt sind, wenn wir darin leben. Und das kann ungerechtfertigt einen Leidensdruck erzeugen, der am einzelnen nicht wegzutherapieren ist.
Der Prozess der Selbstschädigung nimmt in der frühen Kindheit seinen Lauf. Das bedeutet ja nicht, dass diese fortlaufenden Traumatisierungen, wie du sagst, durch die Gesellschaft bewirkt oder zu unrecht geschehen, nicht vorhanden sind, zeichnet aber den entscheidenden Einfluss auf den Umgang damit aus.
Jeder kann zu jeder Zeit das Opfer der psychischen oder körperlichen Gewalt werden, aber so lange der Zugang zu sich selbst und zu eigenen Gefühlen nicht blockiert ist, wird keine nennenswerte Gegenwehr entstehen, die sich kontraproduktiv zu dem Prozess des Widerstands im Moment des Geschehens und ebenso zu der Option der späteren inneren Heilung verhält. Man wird versuchen im Rahmen des rationalen Denkens aufzuarbeiten, während gleichzeitig Gefühle zugelassen und nicht verdrängt werden.
Genau das Gegenteil also, wie wenn unter starker Emotionalität (kindliche Anteile und ihre Strategien) die Vernunft-ebene in den Hintergrund gedrängt wird und situationsbedingte und -gebundene Gefühle ins Unterbewusstsein sinken, um von dort aus als eine unterschwellige Last den gesamten Assoziationsprozess des künftigen Denkens zu beeinflussen.
Der zementierte Zustand, den z. B. hier in dem Text Alice Miller beschreibt, ist gleichzeitig auch der Moment, in dem sich Feindbilder in den Vordergrund drängen. Der destruktive Umgang mit sich selbst bahnt sich seinen Weg nach Außen, und all diese Prozesse kann man auch im Kontext einer Selbstregulation sehen. Das relativ kleinere Übel verhindert die fatalere Variante, z. B. psychotische Zustände
http://alice-miller.com/artikel_de.php? ... =37grp=11
Massendynamik. Was ist das? Sich dem Einfluss der gemeinschaftlichen Meinungen, Ansichten, Urteile, des Moralisierens, der Trends unterwerfen? Dem kann man sich auch leicht entziehen ohne selbst intolerant zu werden. Einfach nicht an sich ran lassen. So verändert man Gesellschaft von Innen.
Zitat:Und das kann ungerechtfertigt einen Leidensdruck erzeugen...
Wenn man es nicht schafft, sich innerlich abzugrenzen...: die Erde ist groß.
30.08.2012 21:22 • • 31.08.2012 #1
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