nachdem ich schon in anderen Threads ausschnitthaft über meine Lebenssituation geschrieben habe, möchte ich an dieser Stelle einmal ein Thema anschneiden, dass mich eigentlich in diesem Jahr am meisten beschäftigt: und zwar das ganz tiefe, teilweise schon fast manische Bedürfnis danach, einer festen Gruppe von Jugendlichen/jungen Erwachsenen anzugehören, mit denen ich meine Freizeit gestalten kann und die mir das Gefühl geben, geliebt und unterstützt zu werden.
Kurz zum Kontext: Ich bin mit zarten 21 Jahren nun nicht mehr unbedingt in einem Alter, in dem die meisten Menschen ihre ersten Erfahrungen mit Cliquen, Freundesgruppen und dem ganzen Drumherum machen. Leider habe ich mir im Wesentlichen selbst diesen Schritt verbaut, da ich in meiner Jugend unglaublich still/schüchtern und auch bieder nach außen wirkte. Ich hatte aber auch - das muss ich dazusagen - vor etwa fünf, sechs Jahren absolut nicht das Bedürfnis danach, so ein Gruppenmensch zu sein. Bauchschmerzen bereitete mir vor allem der Gedanke an Gruppenzwang, insbesondere in Bezug auf Alk. (bin Emetophobiker). Daher entschied ich mich teilbewusst dagegen, engeren Kontakt zu meinen Mitschüler in meiner Klasse bzw. meinem Jahrgang aufzunehmen, da ich mich mit der Art, wie sich meine Kommunikation, meine Interessen und mein Humor von diesen unterschieden, bei diesen nie sicher fühlte. Ich weiß nicht, ob es dafür einen Namen gibt, aber diese spezifische Art, wie Jugendliche heute miteinander reden, diese Vermischung aus Anekdoten von angesagter Kultur (Internet, Film usw.), Zynismus und Offensive, die extreme Schlagfertigkeit erfordern, ließen mich stets wie ein Mensch zweiter Klasse fühlen, weil ich da einfach nicht mitreden konnte. Dazu sei gesagt, dass ich als Einzelkind locker mehr als 50% meiner bisherigen Lebenszeit mit meinen Eltern bzw. Großeltern verbracht habe und mir daher einfach der schon früh der Anschluss fehlte. Ich war anderen Umgang gewohnt, andere Themen und benutzte einfach eine andere Sprache, um mich auszudrücken. Da ich überdies nie in einem Verein gewesen bin, konnte ich nicht davon profitieren, mir dort ein Netzwerk von Bekannten aufgebaut zu haben. Es war also eine sich verstärkende Wechselwirkung aus einer abweichenden kommunikativen Ebene zu Gleichaltrigen und dem darauf aufbauenden Gefühl, alleine sei ich besser dran, da weder ich sie noch sie mich verstehen könnten.
Eine andere Perspektive habe ich durch mein Studium bekommen. Dort lernte ich Leute kennen, mit denen ich besser zurechtkam, ohne dass das Stigma des Weirdos an mir haftete, wie eine Sünde aus der Vergangenheit - auch, weil die Atmosphäre dort liberaler ist und andere dort ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Es sind auch dort wenige Leute, mit denen ich Freundschaft schloss, aber immerhin. Und plötzlich entwickelte ich über Corona diesen Drang, auch einer von denen zu sein, die dazugehören. Die eine Clique haben. Die bedenkenlos auf Partys gehen können. Bei denen immer was los ist. Während meiner Schulzeit habe ich das verdrängt, aber so ab 2020/21 begann ich, mich dafür zu schämen, meistens zuhause rumzuhocken und noch nie mit irgendwem ein feucht-fröhliches Sylvester gefeiert zu haben. Anfang diesen Jahres beschloss ich also, dass ich endlich was ändern muss.
Zaghaft streckte ich meine Fühler nach der Welt aus. Ich ging dieses Frühjahr auf das ein oder andere Fest bzw. Konzert (es waren insgesamt nicht viele:), trat dem NABU bei (in der Hoffnung, dort auf etwa Gleichaltrige zu treffen, die auch an Outdoor-Aktivitäten interessiert waren) und begann eine Psychotherapie, um endlich zu verstehen, warum ich überhaupt diese Aversion gegen bestimmte Interaktionsformen habe, woher all die Unsicherheiten kommen und wie ich dieses Mindset dann auch ändern kann. Aber naja, was soll ich sagen. So ein überwältigender Erfolg war das jetzt auch nicht. Die Feste verliefen selbst im moderat Alk. Zustand (mehr traue ich mir noch nicht zu) eher einsam, denn ich wusste einfach nicht, wie ich andere Leute anquatschen soll. Komme mir dann unangemessen vor, z.T. peinlich vor. Das sind die noch ungeklärten Schatten meiner Geschichte - möglicherweise verdrängte kindliche Traumata, ich weiß es nicht. Mitmachen in der NABU-Ortsgruppe macht mir zwar Spaß, aber tatsächlich liegt der Altersschnitt da bei 60+. Das entsprach nicht wirklich meinen Erwartungen. Und die Therapie trägt noch nicht die Früchte, die ich für langfristige Verhaltensänderungen brauche. Im Juli kam dann ein ziemlicher Breakdown, weil ich mit meinen bisherigen Aktivitäten so gar nicht vorangekommen war. Jetzt geht es gerade wieder etwas besser, weil ich - was die Disziplin angeht - in den letzten Wochen wieder mehr geschafft habe, u.a. einen eigenen Urlaub mit dem einzigen mir aus Schulzeiten gebliebenen engen Freund organisiert und ein Fitnessabo abgeschlossen - und das trotz tierischer Angst, da das Gym in der Stadt liegt, in der ich zur Schule ging und ich vor einem plötzlichen Wiedersehen mit alten Schulkollegen ziemlich nervös bin.
Außerdem habe ich meine doch sehr essentialistischen Erwartungen aus dem Frühjahr ein wenig relativiert und bin tendenziell lockerer diesbezüglich geworden - das könnte sich allerdings auch wieder ändern. Trotzdem habe ich noch immer keinen Plan, wie ich nun eine Freundesgruppe in meinem Wohnumfeld aufbauen soll und dies bleibt auf jeden Fall mein Ziel. Vor einigen Tagen sah ich dann ein Video, in dem auf wissenschaftlicher Basis erklärt wurde, dass Cliquen am ehesten nur dort entstehen, wo etwa gleichaltrige Menschen in hoher Intensität mit einem übergeordneten gleichen Ziel, der ihr institutionell erwirktes Zusammensein rahmt, aufeinandertreffen. Das hat mich ein wenig betrübt, weil es doch heißt, dass ich mir die Integration in so ein Netzwerk höchstwahrscheinlich abschminken kann. Ich bin eben nicht mehr in der Schule, die Chance ist vertan und an der Uni habe ich bereits meine wenigen guten Kontakte und wüsste nicht, wo noch eine Clique offen wäre. Hinzu kommt noch, dass ich nicht an meinem Wohnort studiere und mir eine langfristige Verbindung am liebsten hier schaffen würde - wo ich gerne bleiben möchte.
Deswegen möchte ich jeden, der hierzu irgendeine Erfahrung beizutragen hat, ermutigen, diese hier mitzuteilen. Wie seid ihr selbst in Freundesgruppen geraten? Insbesondere dann, wenn außerhalb von Schule/Uni, noch irgendwie geklappt hat. Wie läuft so etwas ab? Was kann man selbst dafür tun und was sollte man vielleicht unbedingt vermeiden?
03.09.2022 01:07 • • 10.11.2022 #1