@randUser
das geht schon in Ordnung, für mich ist eine ehrliche Kritik meiner Beiträge definitiv hilfreicher als inhaltsleere Bestätigung:)
Zitat: Und weil das so ist, nehmen wir das als Naturgesetz hin, was für immer und auf alle Zeiten unwiderruflich gelten wird?
Dass es sich um eine gesellschaftliche Erwartungshaltung handelt, die damit relativierbar wird, habe ich in meinem vorigen Beitrag ja schon thematisiert. Ich möchte diesen Lebensentwurf aber allerhöchstens geringfügig relativieren, womit wir schon beim nächsten scheinbaren Widerspruch wären...
Zitat: Dein oben genanntes Verhalten stellt also Rebellion dar? Du willst verkrustete Erwartungen überwinden und kannst dich noch nicht mal von dieser nahezu absurd geradlinigen Vorstellung des Lebens trennen?
der dadurch aufzulösen ist, indem ich gar nicht den Anspruch erhebe, Rebellion hier damit gleichzusetzen, ein avantgardistisches und altersgemäß untypisches Leben zu führen - das wäre ja schon eher eine Revolution. Eigentlich meinte ich nur, mich dagegen zu wehren, dass Reaktionäre mir vorschreiben, was der Common Sense aller Moral ist.
Natürlich kann man so wie du argumentieren, dass dieses Element von 68er-Kultur selbst zu einem Teil des Common Sense geworden ist. Und es stimmt auch. Allerdings ist es der sinnvollste für mich vorstellbare Weg, wie ich zu einer eigenen Persönlichkeit mit eigenen Standpunkten werde. Der Unterschied liegt meines Erachtens nämlich darin, dass es sich beim Reaktionismus um äußerliche Zwänge handelt, die einen letztlich an der eigenen Entfaltung hindern (wie ich es bspw. bei meiner Mutter miterlebe) während das, was ich umgänglich als jugendliche Rebellionskultur bezeichnet habe - in Maßen vollführt - zu sehr viel Lebenszufriedenheit führen kann (wie ich bspw. an ehemaligen Mitschülern und Kommilitonen bemerke).
Dass letzteres dabei selbst zu einer Erwartungshaltung mit unangenehmen Folgen werden kann, ist mittlerweile übrigens auch wissenschaftlich belegt. Wenn es dich interessiert, würde ich dir das Buch Die Gesellschaft der Singularitäten von Andreas Reckwitz empfehlen. Darin wird analysiert, dass Spaß- und Selbsterfüllung zur Norm werden, die schon etwa ein Drittel der deutschen Gesellschaft betrifft und zur Erschöpfung führen können - wegen eines Übermaßes an Geltungsbedürfnis. Ich weiß nicht, ob du das von mir dachtest oder es in meinen Beiträgen so rüberkam, aber ich bin mir schon sehr bewusst, dass ich diese Vorstellung vom Leben geradlinig ist.
Zitat: Solange du dich selbst als anders wahrnimmst, BIST du anders und wirst dementsprechend auch von außen so wahrgenommen. Integration heißt Teil einer Gruppe werden, nicht Anhängsel. Am Ende ist es der Mittelweg zwischen Anpassung und Beibehalten deiner Eigenheiten. In welchem Verhältnis genau du dein Gleichgewicht findest, kannst du nur selbst ausprobieren.
Und ich weil mir darüber bewusst bin, sehe ich mich durchaus auf dem Weg dahin, diesen Mittelweg auch anzusteuern. Die Grenze liegt für mich klar dort, wo die Glücksjagd zu einer Sucht wird und allerhand sinnlosen Aktionismus nach sich zieht. Das ist zu viel! Aber die grundsätzliche Idee finde ich attraktiv.
Zitat:Du willst das Leben eines typischen Jugendlichen (was auch immer das sein soll) bzw. jungen Erwachsenen führen, schaffst es aber nicht dich anzupassen. Andererseits bist du aber auch nicht in der Lage deine eloquente Art (die ja prinzipiell nichts schlechtes ist) selbstbewusst nach außen zu vertreten.
Im Detail ist das ja die Ausführung des Mittelwegs. Hier probiere ich mich gerade aus. Bspw. versuche ich, das Schamgefühl für mein Bildungsinteresse, dass mir schon oft die unterschwellige oder auch direkte Verurteilung einbrachte, ich würde in einem Elfenbeinturm leben, in anderen Bereichen auszugleichen. So traue ich mich etwa, immer mehr offensive Kommentare anderen Menschen - auch Autoritäten gegenüber zu geben eben. Auch auf die Gefahr hin, dass das mal in den falschen Hals gerät und eine peinliche Situation entsteht. Ich bringe auch mittlerweile Witze auf meine Kosten, antworte z.B., wenn mich Leute fragen, was man mit meiner abenteuerlichen Studienkombination mal werden will, so etwas wie Taxifahrer oder Wieso werden? Bin ich jetzt etwa noch nichts für dich?, weil mir die unterschwellige Skepsis und die Verurteilung, die in solchen Fragen mitschwingt, auch den Sack geht.
Übrigens hast du mich mit deiner Gegenüberstellung auf eine Idee gebracht. Ich werde mir als nächstes Ziel setzen, meine Eloquenz in Form von Fachwissen und Fachausdrücken auch mal bewusst zu bringen, um Menschen ein bisschen zu schocken. Aber nicht auf eine arrogante, sondern eine selbstironische Weise. Vielleicht schaffe ich es so, dass sogar völlig abzubauen. Und wo wir gerade davon sprechen:
Zitat: Dafür muss ich mein Erwachsenwerden, dass in einer Paradoxonfalle zwischen hoher Bildung und schlimmer Uneigenständigkeit bzw. fehlender Lebenserfahrung gemessen am Altersniveau steckt, in eine ausgeglichenere Position bringen
Dieses zugegebenermaßen unerträglich gestelzte Zeug entsteht bei mir nur, wenn ich in einen akuten Anfall von Schreibwut verfalle. Ich finde definitiv nicht deswegen zu wenig Freunde, weil ich mich in der Alltagswelt so ausdrücken würde und mittlerweile hat sich meine Ausdrucksweise im Vergleich zu früher sogar mehr meinem Altersniveau angepasst. Natürlich spreche ich noch gerne über Fachthemen und fange dann auch an, zu klugsch.n, aber ich kann auch BS-Talk auf absolutem Teenage-Fäkal-Niveau und es macht verdammt noch mal Spaß!
Zitat: Bisher lese ich hier vor allem auswendig gelerntes Lehrbuchwissen, aber die Frage ist doch: Was willst DU?
Abschließend: Ja, ich argumentiere viel mit Lehrbuchwissen, aber ich stehe auch dazu. Anleitungen empfinde als unabdingbar, um die Logik zu ermitteln, nach der ich - wie oben beschrieben - meine Lösungswege finde. Dahinter steht folgendes: Ich könnte alles durch bloßes Probieren herausfinden, aber ich würde ewig brauchen, um die Defizite an Social Skills damit bis auf ein erträgliches Maß einzudampfen oder ich frage dort nach, wo die Strategien dafür liegen und nehme einen viel schnelleren Weg. Es ist immer so, wenn man etwas lernt. Für Gitarrenskills, die du durch Learning by Doing in fünf Jahren erlernst, brauchst du mit einem fähigen Gitarrenlehrer vielleicht ein bis zwei.
Insofern kann ich dir nicht sagen: Das will ich jetzt, weil ich erst mal die Logik verstehe, um dieses Puzzle zu bearbeiten, dass mir dann eine Antwort gibt, sodass ich wieder feinjustieren kann. Ich lege nicht mehr einfach blind drauf los und mache irgendwas, nur um es ausprobiert zu haben. Aber ich tue auch nicht nichts.