charmest.. übrigens - ganz unten ist die Kurzfassung..
Kinder nehmen grundsätzlich alle Schuld auf sich, auch das ist vor langer Zeit erlernt und als Überlebensstrategie eines dem Erwachsenen unterlegenen Kindes zu verstehen, das seine Eltern liebt und lieber sich selbst der Andersartigkeit beschuldigt, als den Eltern einen Fehler zu diagnostizieren.
Irgendwann bekommt aber sicher jeder die Chance zu der Einsicht, dass man doch schon längst aufgehört hat ein Kind zu sein, und dass das eigene Abhängigkeitsverhältnis aus der früheren Zeit nicht mehr existiert. Das heißt, dass jetzt im Umgang miteinander 1 zu 1 umgesetzt wird - Mensch zu Mensch.
Wenn das nicht gelingt - spätestens dann, wenn eigene Kinder auf der Welt sind, wird das Dilemma erkennbar, das dann auch zu einer Entscheidung drängt. Denn wie kann man einerseits - jetzt schreibe ich aus meiner Erfahrung - einen Sonderling, sprich den einzigen wunden Punkt und eine Riesenenttäuschung im Leben eines großartigen und überdimensional erfolgreichen und allerseits beliebten Elternteils abgeben, und gleichzeitig ein froher Mensch sein, der seine Kinder liebt und beispielsweise dem herrschenden Erziehungsstil der eigenen Eltern die eigene Vorbildfunktion vorzieht? Wie kann man dann dem eigenen Kind ein Vorbild sein, wenn die Minderwertigkeit und das Schuldgefühl einen zermürben und blind für Belange und Bedürfnisse anderer machen, für die er eine Mitverantwortung trägt?
Spätestens dann wird klar, dass man bei Eltern, die uneinsichtig sind und weiterhin an der Denunziation ihrer Sprösslinge - vielleicht auch um eigene Schuldgefühle zu kaschieren - arbeiten, die Reißleine zu ziehen ist, vor allem dann, wenn man darum bemüht ist, die nächste Generation von diesen tollen Erbsünden zu verschonen und diese definitiv nicht an sie weiter zu geben.
Was das Hauptproblem der Störungen in der Kommunikation bzw. in der allgemeinen Einstellung den anderen gegenüber ist, sind eigene Überzeugungen, die sich aus den Vergleichen mit anderen ergeben. Sich mit anderen zu vergleichen heißt über sie und sich selbst zu richten, und dafür gibt es kein anderes Maß als die eigene subjektive Sicht, in der sich aber alle bisherigen Erfahrungen jeder Art - auch eigene Traumatisierungen - spiegeln. Dieses Sich-Vergleichen ist im Grunde ein Lotteriespiel, und gleichzeitig auch ein Gewaltakt, denn jemand wird dabei immer benachteiligt, entweder man selbst, oder ein beliebiger Andere. Demnach ist diese Quelle der inneren Unruhe völlig überflüssig.
Ich denke wenn du dich mit deinem Bruder vergleichst, dann versuche es auf die rationale Ebene einzuschränken. Lass nur die Bedingungen und Umstände gelten. Dein Bruder wurde gut behandelt, hat sich zu einem geselligen Menschen entwickelt. Du wurdest schlecht behandelt, und in deinem Verhalten spiegelt sich die Unsicherheit und der unterschwellige Unmut darüber, dass man als Kleinkind oder jetzt auch als Student in der Familie nicht ausreichend unterstützt und z. T. ausgegrenzt wird.
Zumindest meine ich das so aus deinem Text heraus gelesen zu haben. Und das bedeutet dann, dass wenn sich die Situation ändert, und du keinem Stress mehr ausgesetzt wirst, sich aus diesem Wandel weitere Änderungen und neue Einstellungen ergeben und ableiten lassen werden. Klar spielen vererbte und anerzogene Dispositionen eine Rolle, jedoch ist beispielsweise die Neigung zur Introversion oder Extraversion im Normalfall nichts, was das soziale Leben des Einzelnen beeinträchtigen würde.
Der Schüchterne wird kaum ein Partylöwe sein wollen, weil er eine solche Rolle i. d. R. für ihn als ungeeignet einstuft, er wird in einer ruhigen Ecke das Geschehen beobachten und der Gespräche mit Seinesgleichen abwarten, und umgekehrt - kein Draufgänger wird in tiefsinnige Gedanken versinken wollen wenn er gerade Menschen um sich hat.
Es gibt zum Glück keine Mustermenschen und jeder kann anhand seiner persönlichen Neigungen ganz nach seinen Wünschen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.
Und wenn das nicht funktioniert, wenn der Wunsch und Realität auseinander gehen - was tun? Bitte nicht böse sein - es ist jetzt nur meine Meinung. Ich halte vom Kommunikationstraining und von Coachings jeglicher Art nichts, für mich ist es nur ein netter Versuch einiger Mitmenschen unter unrealistischen Versprechungen den Leuten, die sich selbst nicht genügen, und für irgendwelche Zwecke jemand anderen mimen wollen, Geld aus der Tasche zu ziehen . Solche Bemühungen sind m. E. von einem Beitrag zur Vermenschlichung der Gesellschaft, in der Eigennützigkeit und Profitdenken leider fest verankert sind, meilenweit entfernt-
http://www.sueddeutsche.de/karriere/wei ... i-1.704133... wie will man sich denn ändern - und warum gerade nach Vorgaben eines Anderen? Was hat er, was ich nicht habe?
Vielleicht gibt es Ratgeber, die tatsächlich etwas hilfreiches zum Thema Kommunikation bieten, vielleicht gibt es sogar nette Ideen, ich möchte nicht verteufeln, was ich nicht kenne. Wenn du magst, schreib doch mal was dazu - ich höre mir gerne eine andere Meinung dazu an..
Doch im Grundsatz - wenn ich ein Problem mit meiner Mutter habe, dann ist es ein schwerwiegendes Problem. Ein primäres Problem. Denn so wie die Beziehung des Kindes zu seiner Mutter in den ersten Lebensjahren gewesen ist, so wird sie im Grundsatz als Art der eigenen Einstellung zur Außenwelt bestehen bleiben.
Wir unterschätzen viel zu sehr den Einfluss unserer Eltern. Dabei ist das Über-Ich, diese moralisierende Stimme in uns, der innere Kritiker, Richter, und die Grundlage aller Vergleiche, die nach dem Aufwachen bis zum Schlafengehen und bis in die Träume hinein in uns herum quengelt, eigentlich die Stimme unserer Eltern aus der Zeit unserer Kindheit. Ob wir das wahrhaben wollen oder nicht. Und auf diesem fruchtbaren Grund gedeiht auch ihr gegenwärtiger Einfluss prächtig; vor allem dann, wenn noch keine räumliche Distanz geschaffen wurde.
In Kurzfassung: Ich würde das Thema Mutter zum Therapiethema machen. Mutters Alltag, Mutters Verhaltensweisen. Das wird dir sicher ein wenig Luft und Abstand verschaffen!
Gruß, S.