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Hey,

Ich bin neu hier und würde erstmal kurz meine Situation schildern, vielleicht geht es hier einigen ähnlich und man kann sich austauschen.
Mein Text wird wahrscheinlich etwas länger, da ich mir mal von der Seele rede und etwas jammer (sorry dafür).
Okay, ich versuche es halbwegs Strukturiert und verständlich.

Ich bin Anfang 30 und fühle mich einfach einsam. Ich habe zwar paar soziale Kontakte mit denen ich was mache und arbeite im sozialen Bereich. Für die bin auch dankbar und tue was dafür. Auch bin ich bemüht am sozialen Leben teilzunehmen also gehe auf Veranstaltungen, vernetze mich im Netz, versuche Gruppen zu gründen und finden sowie nutze Dating Apps.

Wo ist mein Problem ? Es sind überwiegend lose Kontakte, die sich (schnell) wieder verlaufen. Menschen ziehen weg, kommen in Beziehungen oder man hat seinen Zweck erfüllt (Ihr kennt dies sicherlich). Auch habe ich oft das Problem, dass ich Menschen mit einander vernetzte und ich dann raus bin.
Leider zieht sich das Problem schon mein Leben lang, so richtige feste (beste) Freunde hatte ich fast nie und auch nur zwei kürzere Beziehungen (ca. zwei Jahre). Die jetzt auch nicht so intensiv waren. Die ersten 23 Lebensjahre waren von sehr starker Einsamkeit und heftigen Mobbing geprägt.
Hobbys wie Zocken, Konzerte und Reisen machen immer weniger Spaß und dienen eher als Glücksmoment, dass man sich wenigsten auf etwas freut und überlebt.

Sicherlich liegt es auch an einen selbst, da man etwas anders ist. Daran arbeite ich mein Leben lang, sozial kompetenter zu werden, an sich zu arbeiten, Schüchternheit überwinden und aktiv zu werden oder sich Interessanter zu machen

So, irgendwann ist man an den Punkt angelangt wo einen die Kräfte fehlen, man an seine persönlichen Grenzen kommt und auch vielleicht ja noch irgendwo man selbst sein möchte.
Die Seele verdirbt und die Gedanken werden immer negativer und düsterer (wo ich mir nicht sicher bin, wie weit man sie hier schildern darf).Pessimums, Wut, Depressionen und Hoffnungslosigkeit bestimmen die Gedankenwelt und den Tag. In Alltag gibt man sich aber Gesellschaftsfähig und sozial.
Kurz um es fehlt mir einfach an Geborgenheit, Nähe und Liebe.

Jetzt zur Kernfrage: Gibt es jemand den es ähnlich geht. Also in den 30er Jahren, Jahre lange Single und nur lose Kontakte.
Man denkt sich, ohje dass sollen meine nächsten Jahre bis zum Tot sein. Arbeiten, paar Interessen und gelegentlich paar lose Kontakte (die nicht tief erfüllend sind). Man selbst ist aber ein Mensch den soziale Kontakte und Beziehung einfach wichtig sind. Davon einfach am meisten Lebensfreude und Kraft schätzt. Ein Leben ohne Liebe und wirkliche Geborgenheit. Und Nein, ich meine jetzt keine Hollywoodliebe und alles ist mega, dass ist mir klar dies ist der wenigste Fall. Ich meine eher eine normale Beziehung und feste Freunde.


Wie habt ihr damit gelernt zu Leben wenn einfach ein Grundbedürfnis komplett fehlt ? Habt ihr geschafft glücklich zu werden (Einsamkeit nimmst ab) ? Gibt es Medikamente die Gefühle so krass dampfen, dass es einen einfach weniger stört ?

01.07.2023 23:57 • 06.07.2023 #1


2 Antworten ↓


Zitat von tothehellfire:
Man denkt sich, ohje dass sollen meine nächsten Jahre bis zum Tot sein.

Ich glaube das Problem ist, dass dieses Denken bewusst oder unbewusst auch ausgestrahlt wird und das Gegenüber dies ebenso bewusst oder unbewusst wahrnimmt.
Einsamkeit entsteht bei mir eigentlich nur wenn ich mich extrem nichtzugehörig fühle. Die Anzahl der Menschen um mich herum spielt da keine rolle, sondern die Situation. Alleine fühle ich mich praktisch nie einsam.

Da ich ja schon älter bin, kenne ich noch Zeiten ohne all die schönen digitalen Krücken, die heutzutage zur Interaktion mit Menschen genutzt werden. Da traf man Menschen zufällig oder bei einer Verabredung und hat kommuniziert und nicht umgekehrt. Bei all den Möglichkeiten der „social Media“ ist es ja fast schon unwichtig weshalb man präsent ist, Hauptsache man ist präsent. Es braucht keinen tatsächlich relevanten Grund oder besser gesagt Wunsch, mit jemand anderem in Kontakt zu treten, außer Langeweile, die irgendwie ein Gefühl erzeugen kann, unbefriedigt zu sein.

Als Grundlage von Beziehungen ist das für mich die denkbar ungünstigste. Wenn ich mit mir alleine nichts anzufangen weiß, was sollte denn dann jemand anderes mit mir anfangen können. Andererseits kann ich auch keine Interaktion, jedenfalls keine vernünftige, erzwingen. Das kann sich nur ergeben, wenn die Menschen die sich gegenüber stehen, Grundlagen für eine Kommunikation, die vielleicht mal in einer tieferen Beziehung münden, teilen oder es Themen gibt, die ein Interesse schüren.

Die Welt spielt sich eben nicht im Internet ab, da kann ich sie mir nur betrachten. Um teilzunehmen muss ich Teil von ihr sein und zwar real und aktiv, jedenfalls meiner Meinung nach. Filter und augmented reality sind zwar up to date aber befördern auch nur mehr Schein als Sein. Enttäuschungen sind da vorprogrammiert, wenn man irgendwann real auf den Menschen trifft, der sich hinter einem Profil verbirgt. Für eine normale Beziehung zu anderen Menschen, ist es günstig, diese auf einem normalen Weg kennenzulernen, also direkt und real, finde ich.

Guten Tag,

Ich bin in einer Objektiv vergleichbaren Situation. Anfang 30, seit nunmehr knapp 5 Jahren Single mit vorwiegend Losen Kontakten. Kurz zu meinen persönlichen Hintergrund bevor ich auf die Kernfrage eingehe. Dies ist, so denke ich, für das Verständnis hilfreich.

Freunde hatte ich in der Schule schon nur ein paar wenige. Damit konnte ich sehr gut Leben. Der Persönliche Schnitt in diesem Bereich kam bei mir mit dem Studium. Während der Ausbildung und der Meister Ausbildung war noch alles Okay. Aber während und vor allem nach dem Studium hat sich das auseinandergelebt. Andere Bekannte, Interessen, Gesprächsthemen und so weiter. Neue Freundschaften aus dem Studium sind aufgrund der Distanz eher zu Bekanntschaften geworden. So oder so gibt es Mittlerweilen noch eine Person im Alltäglichen Umfeld welche ich ansatzweise als Freund beschreiben würde, andere würden wohl eher Bekanntschaft sagen.

Beziehungstechnisch hatte ich bisher erst zwei Beziehungen. Einmal 6 Jahre und einmal 5 Jahre. Die erste ist aus einem dummen Fehler heraus kaputt gegangen, klassisch jung und dumm. Die zweite Beziehung habe ich beenden müssen, da sie, wie man heute so schön sagt, toxisch wurde. Seither bin ich Single.

Mobbing Erfahrungen musste ich ebenfalls die Schulzeit und während der Ausbildung durchmachen. Durch einen Unfall im Kindesalter habe ich ein Markenzeichen, andere würden es Makel nennen, welches Optisch doch hervorsticht und meist Negativ aufgenommen wird. Mir fehlen zwei Schneidezähne, du kannst dir sicher vorstellen wie das beim ersten Eindruck wirkt. Das hat zum Glück von allein Nachgelassen. Zum einen durch den Bart, welcher es etwas verdeckt. Zum anderen durch die Fachliche Kompetenz. Am Anfang werde ich in Besprechungen bis heute etwas Schief angeschaut aber das legt sich sobald man es kurz Erklärt. Ich gehe damit sehr offen um und spreche die Leute dann direkt darauf an ob ich ihnen den Hintergrund erläutern soll.

Ich habe mir, ähnlich wie du, lange Gedanken darüber gemacht, gegrübelt bis spät in die Nacht. Zeitweise war dies echt Zermürbend. Die alten Freunde wollen nichts mehr mit „Abgehobenen“ Managern zu tun haben und Akademiker schauen dich weiterhin schief an, weil du aus einer Arbeiterfamilie kommst und eher für Bratwurst und nen B. zu haben bist als für Wein und Avocado Creme.

Das Problem bei mir war bis vor einigen Jahren das Selbstbild und die Erwartungen an das Leben. Wer weiß was die Zukunft bringt? Nur weil man länger Single ist heißt das nicht das es für den Rest des Lebens so bleiben muss. Wieso setzte ich mich selbst so unter Druck? Sind es vielleicht nur Gesellschaftliche Erwartungen an das Label „normal“. Man kann auch ü30 Single und Zufrieden sein. Allein aber nicht einsam. Ich führe zum Beispiel gern Tiefgründige Gespräche mit völlig Fremden.

Der Schlüssel ist, so glaube ich, sich nicht auf diesen einen Aspekt des Lebens zu versteifen. Diesen Druck, denn du dir selber machst, bekommen auch andere Menschen mit und es nimmt neuen Bekanntschaften vielfach den Wind aus den Segeln, sodass daraus keine Freundschaften oder Beziehungen erwachsen können.

Zu der Zeit wo es mir ähnlich ging habe ich Angefangen dinge Allein zu tun. Ich habe einfach aus der Überlegung „Ich würde gern … versuchen, aber“, den „aber“ Teil gestrichen und es Probiert. Das erste mal allein im Kino, das erste mal allein Wandern, das erste mal allein Kajak fahren. Das alles war schon sehr befremdlich und ich habe mir Gedanken gemacht was die Leute vor Ort und auf dem Weg von mir halten. Sehr unangenehmes Gefühl. Mit der Zeit jedoch ist dieses Unangenehme verschwunden, es hat angefangen Spaß zu machen. So komme ich mit völlig Fremden in Gespräch, bisher hat sich daraus jedoch keine Freundschaft oder ähnliches ergeben. Es ist aber in Ordnung, es waren angenehme Gespräche und nun sind es schöne Erinnerungen und wer weiß, vielleicht findet sich so noch der ein oder andere Freund.

Der Part mit der Menschlichen nähe, Abends vorm TV kuscheln und ähnliches, fehlt natürlich. Das heißt aber nicht das er nicht Teil des Lebens ist. Dieser Teil ist nur im Moment nicht besonders Ausgeprägt. An Abenden allein auf der Couch ist es auch nicht verwerflich mal Traurig zu sein, zu weinen oder zu Grübeln, es darf nur nicht zum Bestimmenden Thema im Leben werden. Dabei hat mir die Ablenkung durch oben genannte dinge geholfen.

Außerdem habe ich die verfügbare Zeit in die Arbeit Investiert. Weiterbildungen, Zusätzliche Projekte übernehmen. Einfach mit der Karriere vorankommen. Durch neue Projekte habe ich auch den ein oder anderen Bekannten kennengelernt. Ob daraus Freundschaften werden wird die Zeit zeigen. Zum Verständnis, Freunde sind für mich Menschen denen ich blind vertrauen kann. Deshalb dauert es vielleicht auch etwas länger welche zu finden.

Wenn ich dir einen Rat geben müsste wäre es folgender. Geh das Thema nicht zu verbissen an und konzentriere dich auf deine Interessen, Stärken und die Dinge die du schon immer mal machen wolltest. Damit kannst du der Sache etwas den Druck nehmen. Es ist nicht einfach die schönen Dinge im Leben zu sehen, gerade in so einer Situation, das weiß ich, aber die suche lohnt sich. Die Ausstrahlung eines Menschen der mit sich selbst im reinen ist sollte man nicht unterschätzen. Das wiederum hilft neue Bekanntschaften zu knüpfen. Steck deine ganze Kraft nicht darein dich selbst „verbessern“ zu wollen, sondern in Dinge die du gern tust. Selbstverständlich sollte man sich selbst reflektieren und an sich „arbeiten“ aber nicht in Vollzeit. Soziale Kontakte sind dir, genau wie mir, sehr wichtig, aber eben nicht alles.

Das Bedürfnis fehlt nicht komplett, es ist lediglich aktuell nicht zufriedenstellen erfüllt. Das heißt aber nicht das, dass Leben ohne Beziehung und Freunde nicht Lebenswert ist.

Ach und eins noch. Von Dating Apps bin ich so gar nicht Überzeugt. Menschen wie in einem Katalog durchblättern. Nur Anhand vom ersten Eindruck entscheiden? Das hat viel Frust potenzial, gerade wenn man nicht unbedingt dem Gesellschaftlichen narrativ von „normal“ entspricht. Für mich grenzt das an selbst Geißelung.

Das ist übrigens ein Beispiel dafür, Gespräche mit völlig Fremden zu führen. Ich habe mich extra für die Antwort angemeldet. Ich war eigentlich wegen einer Recherche zu einem anderen Thema hier unterwegs und der Betreff hat mich sofort angesprochen.

Gern können wir uns weiter zum Thema austauschen. Ich wünsche dir in jedem Fall die nötige Kraft die dunklen Stunden zu überstehen.





Dr. Reinhard Pichler
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