Die Einsamkeit ist für viele Menschen eine Qual, denn sie berührt uns tief, ruft Erinnerungen vor, lässt uns scheinbar nicht los und umhüllt unser Leben mit Dunkelheit. Wir fühlen uns von anderen abgeschnitten, doch so stelle ich nun die Frage: Sind wir wirklich abgeschnitten? Wie können wir die Einsamkeit besiegen? Lässt sich die Einsamkeit besiegen?
Herzlich Willkommen! Gehen wir diesen Fragen auf dem Grund und versuchen Schritt für Schritt Lösungen zu finden um unseren Konflikt im Inneren erträglicher zu machen! Zugeben, es gibt hier einiges zu lesen, aber es könnte sich für den ein oder anderen lohnen!
Im Laufe meiner eigenen Einsamkeit habe ich vielerlei Erkenntnisse gesammelt. Naturgemäß ist die Einsamkeit vom Alleinsein begleitet, sodass der Einzelne auf sich gestellt ist. Man ist seinen Gefühlen und Gedanken ausgeliefert. Es ist leicht in so einer unglücklichen Situation sich selbst in diesen Gedanken zu verlieren. Man nährt das Selbstmitleid, fühlt sich ungerecht von allen anderen behandelt, spürt eine unsichtbare Trennwand zwischen den anderen und verkriecht sich in sein Alleinsein. Wenn man beschließt sein Alleinsein zu verlassen und die Gründe dafür zu suchen, warum man all die Zeit alleine war, dann begibt man sich auf ein sehr gefährliches Terrain. Gefährlich deshalb, weil die Motivation zur Lösung des Problems schnell in Hineinsteigern des Problems kippen kann. Ein Therapeut kann hilfreich zur Seite stehen und auf dem schweren Weg zur Selbsterkenntnis begleiten. Ich empfehle dies sogar, denn ohne psychologisches Wissen und einer gewissen strukturierten Selbstanalyse kann man das Alleinsein kaum erfassen. Glücklicherweise interessiere ich mich für Psychologie, habe einen kalten analytischen Charakter und kann mit mir in schonungsloser Selbstkritik umgehen.
Doch bevor ich meine Beobachtungen preisgebe, will ich hier einige Begrifflichkeiten klären:
Das Alleinsein
Alleinsein ist der konträre Zustand der Zweisamkeit. Als Zweisamkeit bezeichne ich persönlich nicht nur den Umstand, dass sich zwei Menschen finden, sondern auch den Wunsch eines Menschen. Der Wunsch verkörpert meist die Zweisamkeit. Wir verlieben uns in ein konstruiertes Bild des Partners oder treffen uns mit konstruierten Bilder unsere Freundschaften. Geprägt ist dieses Bild von Loyalität, Ehrlichkeit und Empathie. Dieses Bild, wie sollte es sonst sein, entspricht aber nicht der Realität des anderen. Unser Partner ist nicht so, wie wir ihn sehen. Unsere Freunde sind nicht so, wie wir sie sehen. Zweisamkeit ist daher eine Konstruktion unseres Selbst (Das Selbst sind wir, ein erweiterter Begriff des Ich). Es ist die interpretierte Erwartung in Guss eines Wunsches gerichtet an die Anderen. Alleinsein ist der fehlende Ausübung dieses Wunsches. Doch hier muss genauer differenziert werden: Alleinsein kann, aber muss nicht die Einsamkeit verstärken. Alleinsein ist ein immerwiederkehrender Zustand eines Menschen, der nicht zwingend zum Leid führen muss. Andersrum ist die Zweisamkeit keine zwingende Quelle der Glückseligkeit. Zweisamkeit kann paradoxerweise ebenfalls zur Einsamkeit führen.
So stellen wir fest: Einsamkeit hat nichts mit Alleinsein zu tun. Einsamkeit ist etwas anderes.
Die Einsamkeit
Fälschlicherweise werden Alleinsein und Einsamkeit oft in einen Topf geworfen! Während Alleinsein ein Umstand (bzw. Zustand) sein kann, ist die Einsamkeit ein Produkt aus unseren Innersten. Es tritt überall dort auf, wenn Wünsche und Erwartungen nicht erfüllt werden und wir uns meist über einen längeren Zeitraum als unverstanden und unvollkommen fühlen. Einsamkeit ist sehr menschlich.
Was ist Einsamkeit? Einsamkeit ist kein blosses Gefühl, kein zu ortender Schmerz oder eine biologisch einfach zu erklärende Hirntätigkeit. Einsamkeit gehört zu einer Gruppe von Gefühlsbündeln die komplexe Vorgänge in unseren Gehirn auslösen. Erinnerung, Erfahrung, Triebe etc. all das beeinflusst die Einsamkeit. Sie durchzieht uns Mensch wie ein unsichtbarer Faden und hinterlässt bei jeden andere Gefühle. Einsamkeit ist aber ein Menschenleben ein treuer Begleiter. Jeder Mensch verspürt sie irgendwann. Einsamkeit ist daher normal. Einsamkeit ist aber auch extrem. Sie kann zu extremen Störungen, Verzerrungen und Verwunden des Selbst führen. Kann das dann normal sein? Einsamkeit ist der normale Terror in uns und nur wenn wir die Einsamkeit im Zaum halten können wir sie ertragen, ja sogar vergessen.
Sind glückliche Menschen auch einsam? Glück wir sehr oft überschätzt. Glück... was ist das überhaupt? Glück wird (psychologisch-biologisch und philosophisch-psychologisch) je nach Theorie anders begriffen. Ich beschränke mich bei Glück auf den Zustand der größten Abwesenheit von Einsamkeit. Im Glück können unsere Hormone Karussell fahren, und wir sonnen uns im Erfolg, Liebe usw. Die Mechanismen der Einsamkeit sind während des Glücks weitgehend ausgeschaltet. Glück allerdings verschleißt. Leider sehr schnell. So ist Glück meist nur ein kurzer Moment und unsere Einsamkeit kehrt zurück. Wir drehen uns um unsere Gedanken, die alten ekligen Gefühle sprudeln hoch, wir zweifeln an uns.
Der Fremde in uns: Das Selbst
Wer sind wir? Zusammenfassend sind wir unser Selbst gesteuert, geregelt und beeinflusst von unseren Körper. Unser Selbst erstreckt sich weiter als unser Bewusstsein und bezeichnet unser ganzes subjektives Universum. Denn eines müssen wir uns bewusst sein: Wir sehen, hören, schmecken, riechen und fühlen die Welt, aber alles passiert in einem abgeschlossen Raum: dem Selbst. Alles was wir erfahren, erfahren wir durch uns selbst. Wir sehen rot, weil unser Gehirn dies so interpretiert. Wir schmecken Äpfel, weil uns das Gehirn dies so interpretiert. Unser Gehirn ist die Schaltzentrale, unser Gedankenschatz, das mithilfe der Gene, Erfahrung und Erinnerungen die Welt zusammenbastelt.
Wir kreieren uns selbst. Doch damit ist auch die Crux geschehen. Denn eigentlich sind wir alle abgeschottet von anderen Gehirnen, sprich Menschen. Wir können zwar Verhalten der anderen Menschen deuten, aber was andere Menschen denken und fühlen, das bleibt uns fern.
Per Sinne können wir Information aufnehmen. Das Gehirn verarbeitet sie und wir können uns dementsprechend artikulieren. Was hat dies mit der Einsamkeit zu tun?
Einsamkeit ist die Lücke. Sie füllt uns. Unser Selbst ist süchtig nach Liebe und Anerkennung. Erst durch andere Menschen können wir uns erkennen, Grenzen setzen und unseren Leben einen Sinn geben. Andere Menschen zu lieben, zu hassen, neidisch zu machen, zu helfen, zu lachen; all das erst erfüllt uns mit Zufriedenheit. Einsamkeit entspringt aus etwas, das ich Niemand nenne. Niemand ist eine fiktive Person in uns und das Negativ zu Jemand. Unser Selbst ist schizophren. Durch und durch. Wir handeln schizophren, wir denken schizophren. Und... man kann dies an tausenden alltäglichen Dingen beobachten.
Darf ich vorstellen: Jemand und Niemand
Niemand und Jemand wohnen in uns. Sie weitgehend abgetrennt vom Ich, handeln autonom. Jemand ist der erfüllte Wunsch. Wenn wir uns ins Jemanden verlieben, dann kann dieser Jemand einen Namen erhalten z.B. Marie oder Peter oder was weiß ich. Unsere Wünsche (die Zweisamkeit) erfüllen sich in Jemand, das wiederum zu einer realen Person transformiert.
Niemand ist der unerfüllte Wunsch. Wenn wir uns in Niemanden verlieben, dann benennen wir eine fiktive Person. Niemand verlieben, was heißt das? Heißt das, das wir die Liebe nicht fühlen, nicht haben, nicht erstrebenswert finden, zumindest in diesen Moment? Nein, es heißt das wir diesen Wunsch nicht befriedigen können. Die Liebe ist brach, aber sie ist da, nur ohne Ziel und ohne sich in eine Person zu transformieren. Wir lieben aus uns heraus und verlieben durch uns in andere. Fehlt das Andere dann lieben wir ins Niemand. Niemand löst wiederum ekelhafte Gefühle wie Zweifel, Angst und eben auch die ganze Palette an Einsamkeit aus. Es verstärkt die Einsamkeit und setzt sie uns aus.
Können wir Niemand besiegen? Ich habe das Wort Niemand bewusst gewählt. Niemand und Jemand laden zu herrlichen Wortspielen ein. Wie kann man Niemand besiegen? Niemand existiert in uns.
Ist Niemand die Einsamkeit? Nein, Niemand ist eine fiktive Person. Eine Person an der wir unsere Wünsche richten, aber sie nicht erfüllt bekommen. Als innere Figur kann sie sowohl innerhalb der Zweisamkeit, wie auch Alleinsein vorkommen. Die Einsamkeit wiederum ist aus meiner Sicht der immer währende Kampf im Inneren um Verständnis, Anerkennung und Befriedigung. Einsamkeit kommuniziert in Gefühlen. Außerdem ist die Einsamkeit auch ein Gradmesser des Glücklichsein.
Kommunikation des Selbst
Menschen kommunizieren untereinander mit Sprache, Symbolen, Bildern und Schrift. Wir im Inneren kommunizieren mit Gedanken, Gefühlen und Erinnerungen. Damit stehen dem Selbst weitaus mehr und wesentlich mächtigere Kommunikationsmöglichkeit bereit. Sprache ist oft nur ein unzureichendes Mittel um uns bewusst auszudrücken. Wenn wir kommunizieren, dann können wir nur jeweils einen kleinen Teil unserer Realität den anderen mitteilen. Was wir fühlen, wie wir zu diesen Gefühl gekommen sind, wie dieses Gefühl mit anderen Erinnerungen verwoben und mit Gedanken angereichert ist, bleibt den anderen meist fern. Wissen wir gar selbst immer, was wir fühlen? Ist es nicht so, dass unsere Sprache des Selbst furchtbar unscharf ist. Gefühle sind oft nicht eindeutig. Gedanken nicht immer linear. Dies passt aber nicht zu den strengen Regeln menschlicher Kommunikation. Unsere Sprache und die Schrift sind deshalb hoffnungslos überfordert, wenn es darum geht unsere Gefühle zu artikulieren.
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Warum ist das wichtig zu wissen? Wenn wir in Kontakt mit anderen Menschen treten, dann stülpen wir gerne unsere Vorstellungen, Wünsche und inneren Erwartungen über die Menschen. Wir alle sind aber unterschiedlich, gewissermaßen isoliert trotz Kommunikation und Sinne. Dies ist der Kern der Einsamkeit. Wir Menschen sind einsam. Wir sind einsam, weil uns die Natur so geboren hat. Unsere Gedanken sind frei, ja das stimmt, aber sie schwirren in ein furchtbar subjektiven Universum herum, das nur von einem einzigen Menschen bewohnt wir: von uns Selbst.
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b)Du, ich und die Einsamkeit
Du bist einsam! Du leidest! Du willst weg von diesem Gefühl! Raus in die Welt, am Besten zu zweit! Der Wunsch ist da, doch der Wille fehlt? Was steckt hinter deiner Einsamkeit? Willst du endlich Initiative ergreifen? Das Alleinsein kann ein Ende haben, es liegt an dir! Einsamkeit kann gelindert werden, wenn DU es willst!
Sowas liest man häufig im Internet. Eine tolle Einstellung, aber sind wir doch ehrlich. Wollen und Können liegen oft weit auseinander. Doch was hilft dann gegen die Einsamkeit? Ist der Einsamkeit nichts gewachsen?
Ich stand vor kurzem selbst vor der Wahl: Entweder ich bleibe einsam, oder ich beginne die Einsamkeit zu akzeptieren.
Einsamkeit akzeptieren? Das hört sich nach resignieren an. Gab ich etwa auf? Nein, sicherlich nicht. Mit Akzeptieren meine ich etwas ganz anderes. Im Kontext zu meiner Erkenntnis, wird klarer WIE ich das meine:
Die Einsamkeit zu akzeptieren, mit diesen Gefühl zu arbeiten, mit sich selbst zu arbeiten, die Welt so zu sehen, dass sie erträglicher wird. Das sind die Ziele meines Leitfaden. Es geht darum alles in einer Relation zu sehen, Freundschaft und Liebe nicht zu überschätzen, aber sie auch nicht als unnötig abzustempeln, sich Zeit zu lassen beim Aufbau von menschlichen Beziehungen und zugleich die Motivation zu haben, diese auch zu halten. Sich selbst in den Mittelpunkt des eigenen Lebens zu stellen, aber so, dass die negative wie positiven Gefühle im Gleichgewicht stehen. Und schließlich soll man eine Authentizität die man auch außen tragen kann und für unsere Mitmenschen sichtbar wird. Denn um interessant zu sein, um quasi andere Mitmenschen anzusprechen, müssen wir uns selbst nach außen präsentieren. Wer sind wir, was wollen wir, was sind unsere Ziele? All dies muss nach außen hin sichtbar sein und zwar in der Form des Charismas.
Ziel ist die Akzeptanz und die dann einhergehende positive Veränderung im Selbst und in der Selbstdarstellung.
In sechs Schritten kann dieses Ziel erreicht werden:
b.1.) Die Veränderung als langen Prozess sehen
Veränderungen werden wie alles im Leben nicht in einer objektiven Relation gesehen, die sich proportional prosperiert. Veränderungen werden in ihrer Dauer unterschätzt und ihren Wirken überschätzt. Viele Menschen wollen abnehmen, etwas lernen (z.B. eine Sprache) oder haben sich andere Ziele vorgenommen. Im Falle des Abnehmen werden sich meist zu hohe Ziele gesetzt, der Zeitraum des Veränderungsprozess (hier z.B. die Diät) zu kurz gesetzt und das Wirken des Zieles überschätzt (eine schlanke Figur eröffnet alle Möglichkeit - falsch!). Die Ziele sind gespickt von generalisierenden Erfolgserlebnissen (Schlank - mehr Chancen in der Liebe, neue Sprache erlernt - Sicherheit im Beruf etc.) , die aber wahrscheinlich nie so eintreffen werden.
Soll man sich niedrige Ziele setzen?
Jeder muss selbst entscheiden, welche Ziele er sich selbst setzt. Die meisten Diäten werden abgebrochen und sind nicht erfolgreich, unter anderem auch, weil das Ziel nicht in einem bestimmten Zeitraum erreicht werden konnte. Man setzt sich bei der Zielsetzung häufig unnötig unter Druck, der zwar für die Motivation notwendig, aber letztlich das gesamte Vorhaben tödlich sein kann. Bei der Zielsetzung sollte man einfach realistisch sein. Was wir erreichen können, das wir selbst oft nur zu gut. Bloß wahrhaben wollen wir dies meist nicht und setzen uns eine Maske auf, eine Maske vor uns selbst.
Ein einfacher Merksatz: Das Ziel ist häufig nicht entscheidend, sondern der Weg zu diesen Ziel. Die Erfahrung mit uns selbst, das Arbeiten mit uns selbst birgt Chancen für eine dauerhafte Veränderung. Ziel ist es, diesen Weg weiterzugehen und nicht sich einen fiktiven Zielpunkt zu setzen. Statt eine Veränderung mit einen Ziel ein Endpunkt zu setzen, sollte man eine Veränderung so anstoßen und so mit in den Alltag mit einkalkulieren, dass wir sie dauerhaft aushalten können.
Projizieren wir nun dies auf die Einsamkeit. Ziel sollte nicht sein, die Einsamkeit loszuwerden, sondern den Weg zur einer positiven Veränderung beginnen.
Eine Veränderung ist ein langer Prozess, vor allem in unser selbst. Während wir öfters die Veränderungen an anderen beobachten, sind wir geradezu blind für unsere eigenen Veränderungen. Natürlich verändern wir uns, jede Information trägt dazu bei, dass sich in unseren Inneren Entscheidungspfade zurechtgelegt werden. Auch dieser Text trägt dazu bei, dass sich gerade eine innere Entscheidung mit noch nicht hervorsehbarer Konsequenz anbahnt. Wir verändern uns, allerdings sehr langsam. Betrachten wir uns in der Gegenwart, so meinen wir keine Veränderungen festzustellen zu können. Sehen wir uns in Vergleich zur Vergangenheit, wundern wir uns manchmal über Veränderungen.
Als schöne Metapher nehme ich die brennendende Kerze. Blicken wir auf die Kerze, so sehen wir nicht wie langsam aber sicher, die Flamme das Wachs aufbraucht. Vergleichen wir aber die Kerze in einen Zeitraum, merken wir das eine Veränderung stattgefunden hat.
Was heißt das für mich und meinen Wunsch nach einer Veränderung?
In aller erster Linie Geduld! Wenn man eine Veränderung anstrebt, dann sollte man sich bewusst werden, dass dies schon der erste Stein zur Veränderung ist! Zusätzlicher Druck wie Ich muss jetzt bald wieder Freunde haben... oder wenn ich nicht mich gleich wieder verliebe, dann werd ich verrückt... sind bei der Veränderung nicht hilfreich, bremsen sogar.
Wenn wir die Einsamkeit akzeptieren wollen, dann kommen wir nicht drumherum: Sehen wir die Veränderung realistisch! Akzeptieren wir das Wesen der Veränderung, das eben langsam, aber mit den Willen zur Veränderung eine stetige Entwicklung ist.
b.2) Schatten
Jeder Mensch hat sie, aber sie sind verpönt: Schatten. Schatten bezeichnen Seiten an uns, die wir vor andere unbedingt verbergen wollen und am liebsten verbergen wir sie auch von uns selbst. Oft glaubt man, wenn man andere Menschen den eigenen Schatten aufdeckt, müsse man vor Scham sterben. So sehen z.B. Jugendliche die SB als Schatten an, den sie unbedingt vor den Eltern verbergen müssen. Oder die Lehrerin, die zwar intelligent und gebildet ist, aber partout nicht will, dass man ihre Liebe zu Daily Soaps aufdeckt. Oder der Politiker der eine Affäre hat, aber diese unter allen Umständen verbergen will (muss). Jeder hat diese Schatten. Wir doch auch? Bestimmt verbergen hier einige Forenmitglieder das Alleinsein!
Doch die Schatten tragen einen Schatz, der wertvoll für meine introspektiven Leitfaden ist. Schatten erzählen nämlich von unser Selbst. Es erzählt von einen Teil den wir nicht erkennen können, der aber uns trotzdem im Alltag im Griff haben. Schatten sind der lange Arm von Niemand (vgl. ersten Beitrag) und drücken Sehnsüchte oder Triebe aus. Anhand von unseren Schatten können wir uns erkennen.
Schatten sind negativ besetzet, soll ich schlussfolgern das wir nur anhand der negativ besetzten Seiten mich erkennen kann?
Nein, so einfach ist es dann doch nicht und zum Glück erzählt der Schatten nur ein Teil von uns. Übrigens sind SB, Daily Soaps und Affären überhaupt negativ? Oder sind es nicht die gesellschaftlichen Reaktion, die uns diese Schatten erst als Schatten suggerieren?
Wie kann ich mich erkennen anhand von Schatten?
Nachdem man eine Tätigkeit ausgeführt hat, die man selbst zum Schatten zählt, dann hat man für kurze Zeit die einmalige Gelegenheit mit sich selbst ein klärendes Gespräch zu führen. Da Schatten mit Druck arbeiten, können wir nur im Zustand mit den wenigsten Druck klar und deutlich uns erkennen. Als Tipp lege ich euch nahe, eine Art Schattentagebuch zu führen, indem die Beziehung zum Schatten niedergeschrieben wird. Nehmen wir ein auf uns passendes Beispiel:
Man hat gelogen um sein Alleinsein zu verbergen.
Welche Fragen und Antworten stellen sich uns? Jede Frage muss so in uns gestellt werden, dass sie NICHT vorwurfsvoll klingt. Man muss neutral sein. Die Maxime der Erkenntnis ist NEUGIERDE. Versuchen wir nicht mit den Fragen eine Veränderung zu erzwingen, sondern eine Erkenntnis zu erhalten:
1. Welche Umständen führten dazu, dass ich gelogen habe?
2. Mit welcher Geschichte habe ich gelogen?
3. Ist diese Geschichte teil eines Lügenkonzepts? Kann ich dieses Lügenkonzept aufrecht erhalten?
4. Welche Voraussetzung müssen sein, um dieses Lügenkonzept aufrecht zu erhalten, wie kann ich dieses Lügenkonzept mit weiteren lügen tragen?
5. Sind die Angaben in meiner Lüge wahre Angaben in einem gelogenen Kontext, oder sind diese Angaben bereits falsch?
6. Wie komme ich auf die Lüge, wo kann ich diese Gedanken aufgefangen haben?
7. Gibt es eine Alternative zur Lüge?
8. Muss ich mein Verhalten nun auf diese Lüge ausrichten?
9. Was könnte ich das nächstes Mal besser machen? Kann ich vielleicht schon im Vorfeld so einer Situation aus den Weg gehen?
10. Welche Folgen haben eine aufgedeckte Lüge für mich?
11. Sind die Folgen einer aufgedeckten Lüge tragbar?
12. Kann ich die Lüge in Wahrheit wandeln?
13. Warum stelle ich mir diese Fragen? Ist es mir wichtig dies zu wissen?
Ist die Lüge ein häufiges Instrument zur Abwehr der Schatten, so lohnt es sich eine Lügen-Biografie anzulegen. In dieser Biografie skizziert man sein gelogenes Leben und untersucht die
gelogenen Eckdaten.
Beispiel: Man lügt sich, um besser bei den Kollegen dazustehen, ein Traumwochenende mit einen imaginären Partner zusammen.
Eine Lügenbiografie könnte so aussehen:
Welche Ort habe ich besucht? Von Heidelberg nach Baden-Baden. In Baden-Baden in Hotel FANTASIA zwei Tage Wellnesswochenende. Am 2. Tag auch in Kino FANTASIEMAXX.
Welcher Erlebnisse habe ich erwähnt? Kuscheln mit meinen Freund auf einer Barkbank, Ausblick auf Schwarzwald. Bummeln gehen in Einkaufsstraße.
Wie habe ich die Zeit in meiner Lügengeschichte einbezogen?
11:00 Abfahrt Heidelberg mit Regionalexpress
11:59 Ankunft Karlsruhe
12:05 Weiterfahrt mit Regionalexpress Richtung Offenburg
12:25 Ankunft Baden-Baden
13:00 Ankunft Hotel FANTASIA
etc.
Wie beschreibe ich meinen Partner? Zärtlich, lieb, nett, offenherzig etc.
Welchen Namen habe ich meinen Partner gegeben? Mark, Laura etc.
Eine Lügenbiografie ist zugeben manchmal auch lustig. Doch die Lüge beinhaltet wieder einen direkten Blick in unseren Tiefen. Oft müssen wir spontan und schnell lügen, wir haben kaum Zeit sich eine lange komplexe Geschichte zu schmieden. Deshalb sprudeln die gelogenen Eckdaten vor allem aus unserer Tiefe. Wenn wir unseren Partner einen Namen geben, dann steht dieser Name in einen Bezug. Er ist nicht ausgedacht, sondern unser Gedächtnis nimmt sich einen Namen aus unserer Erinnerung. Und... es ist Name mit Bedeutung.
Ich persönlich erinnere mich noch gut an meiner ersten Freundin, die mir angelogen habe . Sie hieß Anja. Wo habe ich den Namen aber her? Unbewusst hat sich mein Gehirn einen Namen für mich zurechtgelegt. Anja war nicht irgendeine Anja, sondern tatsächlich eine Anja mit Bezug. Ich nannte meine imaginäre Freundin Anja, weil ich diesen Namen in einer Serie gehört habe.
Die Lügenbiografie ist ein wichtiges Arbeitsmittel und sollte zur introspektiven Betrachtung unbedingt benutzt werden!
Einsamkeit zu akzeptieren heißt auch sich und seine dunklen Seiten kennenzulernen.
b.3) Rückschläge
Ein Mensch ist keine Maschine und in seiner Entwicklung der Person folgt er keinen konstanten Steigerung. Vielmehr ist die seelische Entwicklung eines Menschen gezeichnet von Phasen und Prozessen. Wie in der Börse die Aktie fällt und steigt, fällt und steigt die Motivation zur Veränderung.
Rückschläge sind vorprogrammiert, ja sogar notwendig um seinen Blick neu auszurichten. Aber nur wenige Menschen können mit Rückschlägen arbeiten. Vielleicht liegt es in unserer westlichen Einstellung, aber Rückschläge sind wie Schatten verpönt und oftmals meint man, sie markieren das Ende einer willentlichen Veränderung. Selbstverständlich sind Rückschläge nicht das Ende einer willentlichen Veränderung, sondern ein Prozess innerhalb einer Veränderung. So wie man sich selbst verändert, verändert sich auch die Veränderung in uns. Sie läuft mal langsam, dann wieder zügiger, manchmal stoppt sie. Rückschläge gehören zur Veränderung.
Ich höre so oft, wenn ein Junkie wie der anfängt zu *beep*, also ein Rückschlag hatte, dann ist seine Suchttherapie erfolglos gewesen. Wenn ich dieses Problematik auf mein Problem projizieren, dann heißt es doch auch, dass meine Veränderung erfolglos gewesen war?
Machen wir uns bewusst, was ein Rückschlag ist. Ich nehme als Beispiel die Diät. Menschen halten sich an strenge Diätpläne. Sündigt man Zwischendurch, zum Beispiel mit einer Schokolade (man hatte einen schlechten Tag), dann bekommen diese Menschen ein schlechtes Gewissen. Sie zweifeln, hadern, und vielleicht wird aus einer Sünde gleich zwei, drei, vier. Diese Menschen sehen dann diese Sünden vor sich und geben auf; sie genießen für kurze Zeit die Entlastung von der Diät. Sie verwerfen ihr Ziel und verfallen in alte Essenmuster. Ein klassischer Rückschlag.
Auch hier plädiere ich: Weniger Druck ist manchmal mehr! Ein Rückschlag ist ja immer auch eine psychologische Angelegenheit. Wenn ich sündige wiege ich meine aktuelle Situation mit meinen Idealbild ab. Und was stelle ich dann entsetzt fest? Ich kann es nicht erreichen!
Wie im ersten Punkt besprochen, ist es hilfreicher eine Veränderung als Weg zu sehen und sich keinen Zielpunkt zu setzen.
Hat man ein kleinen Rückfall in alte Muster erlitten, dann sollte man diesen Rückfall genießen, aber sich bei Zeiten wir auf den Weg der Veränderung begeben. Man sollte sich bewusst machen, warum man sich verändern will.
Die Einsamkeit zu akzeptieren, heißt Rückschläge zu akzeptieren!
b.4) Selbstdarstellung
Ein wichtiger Punkt. Während ich im ersten Beitrag sehr viel vom Selbst gesprochen habe, geht es jetzt um die Selbstdarstellung. Ich verhalte ich mich in der Außenwelt? Und wie sehr weicht mein Verhalten von mein Idealbild ab?
Jeder von uns hat ein Idealbild im Kopf. Wenn wir uns in eine Szene vorstellen, dann sind wir meist schlanker, selbstbewusster, haben einen kräftigere Stimme und eine schön anzusehende Gestik. Selten sehen wir uns, wie wir eigentlich sind. Ziel ist aber genau das: Zu sehen wie wir sind!
Um zu wissen, wie wir sind, müssen wir im Spiegel sehen. Und tatsächlich ist ein bewusster Blick in den Spiegel der Anfang! Betrachten wir uns Spiegel und nehmen uns Zeit dafür. Setzen wir uns vor den Spiegel und sehen unser Gesicht an. Falte für Falte, Pore für Pore. Sehen wir unsere Hände, die einzigartigen Linien auf der Handfläche, und unsere Haut an. Streicheln wir uns selbst.
Ja, das ist man! So sehe ich aus. So zeige ich mich der Öffentlichkeit.
Wie sehr weicht dieses Bild vom Idealbild ab? Wieso weicht unser Idealbild von der Realität ab? Ist das Idealbild erstrebenswert?
Treten wir in Kontakt mit anderen Menschen, dann ist nicht die Körpergröße oder das Körpergewicht entscheidend, sondern vor allem das Verhalten.
Hier beende ich vorerst den Leitfaden für heute. Das nächste Mal geht's um das Verhalten.
Hier liegt der Kern des Alleinsein und eine entscheidende Erkenntnis.
29.12.2008 23:40 • • 13.01.2009 #1