Hi Projektion,
Zitat von DeineProjektion:Zitat:... kannst du gerne machen - wie ist der Zusammenhang in der Ethik des Aristoteles?
Das werde ich jetzt nicht recherchieren. Aber es kann gut sein, dass das Zitat völlig aus dem Zusammenhang gerissen ist.
Das finde ich sehr schade, denn das wäre allemal eine Bereicherung dieser Diskussion, und außerdem wird deine Behauptung u. a. Ernest Becker und ich hätten Aristoteles falsch interpretiert, nur in der Form deiner Vermutung im Raum stehen bleiben.
Zitat:Es kann auch sein, dass es einer Unterscheidung verschiedener Glücksformen diente und ein das Glück des günstigen Zufalls meint. Das ist genau nachzuschauen und kann nicht einfach für beliebige Beweisführungen, die dann gar keine mehr darstellen, mithin unhaltbar werden, herangezogen werden.
Es könnte, es muss aber auch nicht sein, das ist eher ein Ratespiel.
Zitat:Zitat:Ich habe nicht das Bedürfnis danach, eine andere Auslegung oder Interpretaion zu suchen, da ich dieses Zitat aus dem Kontext der Humanistischen Psychologie kenne, wo er nicht als Beleg für eine unschuldige, unbewusste Freude überlebt zu haben benutzt wird, sondern als eine Illustration des Narzissmus, also der einzigen Sorge um eigene Vorteile, egal wie es dem Nebenmann geht und ob er stirbt oder nicht.
Hier wird einfach nicht ausreichend differenziert. Eine moralische Komponente hätte das Glück des günstigen Zufalls nämlich gar nicht.
Wenn ich fragen darf, aus welchem Grund bringst du an dieser Stelle Moral ins Gespräch? Was hat dich dazu inspiriert?
Zitat:Dann ist es auch nicht egoistisch oder narzisstisch und auch nicht (moralisch( gleichgültig - es ist völlig wertneutral.
Ebenfalls vom Werten konnte ich nichts merken, weder im Zitat selbst, noch in seiner Ausführung.
Vielleicht unterläuft dir an dieser Stelle der Fehler, dass du ethisches Empfinden mit moralischem Werten verwechselst. Den Narzissten als Teil unserer Persönlichkeitsstruktur wertet niemand indem er sagt: Der Narzisst freut sich über seinen Vorteil zu überleben selbst wenn neben ihm gerade ein anderer stirbt. Das ist eine Feststellung der Tatsachen.
Zitat:Es ist schlicht das sachliche Glück des günstigen Zufalls. Ob mir der Schaden des Nebenmannes ans Herz geht oder nicht steht auf einem anderen Blatt und betrifft einen anderen Glücks-Begriff nämlich den des Wohlergehens.
Das Wohlergehen in diesem Zusammenhang kann ich nicht verstehen, vielleicht magst du das noch erläutern. Wenn ein Mensch vom Pfeil getroffen wird, ist es erstmal kein glücklicher Zufall für niemanden. Genauso wie kein glücklicher Zufall ist, dass täglich Milliarden von Tieren durch menschliche Gewalt grausam krepieren und wir uns fröhlich beim Dinner oder bei einer Theatervorführung amüsieren. Das kann auch Ansichtssache sein, warum nicht. Dann ist es eben eine.
Zitat:Beim Glück des günstigen Zufalls ging es aber nicht um individuelle Vorteile, sondern nur darum, keinen Schaden (nicht Nachteile, weil das implizierte einen Vergleich) erlitten zu haben.
Wir wissen nicht, ob der vom Pfeil getroffene Nebenman gestorben ist. Wenn ich keine Angst vom Tod habe und ihn als Wandel im Rahmen einer Gesetzlichkeit versteh, brauche ich den Tod nicht als Pech und das Leben als Glück zu bezeichnen. Und bei dieser Betrachtung kann ich einen Schritt weiter gehen und mir darüber klar werden, was ein irdisches Glück überhaupt bedeutet und bezwecken soll. Mein Fazit ist, dass der Mensch auf der Jagd nach seinem persönlichen Glück seit ewigen Zeiten seine Beziehungen und ebenso den gesamten Planeten zerstört. So ungefähr schätze ich dieses Glück des Menschen, der, geplagt durch seine Angst vor Vergänglichkeit meint, diesen Strohhalm einer Fristverlängerung freudig und fest in seiner Hand zu halten.
Zitat:Das ist ein wichtiger Unterschied. Daher wird EVTL.(!) der Glücksbegriff den Aristotels an dieser Stelle und damit auch der Name Aristoteles zu Unrecht für diese Illustration vereinahmt. Ich mahne hier zur Vorsicht und generell zur Vorsicht beim Interpretieren zusammenhangloser Zitate.
Gibt es deiner Ansicht nach jemanden, der ein Patent auf eine absolut wahrhafte Interpretation hat? Gibt es so etwas?
Zitat:Im Übrigen: Nur weil das Zitat im Kontext der Humanistischen Psychologie miß-/gebraucht wird, heißt es nicht, dass es richtig verstanden udn gebraucht wird. Und: Hältst Du es für lauter, Dich auf Deine Bedürfnislosigkeit im Hinblick auf die Begründung Deiner These zurückzuziehen. Freilich, das kannst Du machen, aber an arguementativer Kraft gewinnt Deine These dadurch nicht, sie büßt sie eher ein.
Du gehst davon aus, das ich eine These argumentativ belegen will. Bitte welche These meinst du? Versuche doch diese These zu zitieren. Dein bisheriger Text ist für mich eine Zusammenfassung deiner Assoziationen, die du offensichtlich meinst mit meinen paar Zeilen in Verbindung bringen zu müssen, und aus meiner Sicht hängst du diesen Zeilen Werte und Bedeutungen an, die gar nicht vorahnden sind. S. Moral.
Zitat:Eigene Interessen udn Bedüfnisse oder Bedürfnislosigkeit ist keine Begründung für etwas, sondern lediglich eine Erklärung. Du suchst die Stelle also nicht, weil es Dir nicht danach ist. Zum einen impliziert das, dass Du eine womöglich falsch verstandenen Zitation aufsitzt und sie verbreitest, zum anderen, scheinst Dir nicht an einer wirklichen Beweisführung oder überzeugenden Arguementation gelegen zu sein, sondern lediglich an der sachlich-beschreibenden, deskriptiven Äußerung von Sätzen - sogar ohne Prüfung von deren Wahrheitsgehalt. Was ist der Zweck solcherart geäußerter Sätze und gemachter Feststellungen, die aber eigentlich weiterer Begründungen bedürfen? Es mutet in diesem Fall an, wie wenn einfach mal Papierfetzen in die Menge geschmissen werden und geschaut wird, was passiert. Oder übersehe ich etwas?
Scheinbar übersiehst du etwas - und zwar, dass aus einem Werk zitiert wurde, und dass auch der Zusammenhang des Narzissmus mit dem Zitat von Aristoteles diesem Werk entnommen wurde. Darauf wärst du gekommen, wenn du meinen vorherigen Beitrag genau gelesen hättest, und ihn nicht als eine Verbreitung persönlicher Ideologien aufgefasst hättest. Die Gesamtauflage des Werkes wird sich sicher auf einige Hunderttausend belaufen, die Studie selbst beinhaltet elf Kapitel, in denen jeweils zwischen 27 und 96 Zitate (ich habe extra für dich nachgeschaut) integriert sind. Von Aristoteles, über Freud, Fromm, Kierkegaard, usw. bis Rieff und Tillich. Sollte jeder Leser eine solche Menge an Zitaten auf ihre Richtigkeit prüfen, würde er glaube ich nicht mehr als dieses eine Buch in seinem Leben lesen dürfen, falls er übehaupt die Möglichkeit hätte das eine Buch unter solchen Umständen zu Ende zu lesen.
Ich kann deine Sympathien für einen Menschen, der Glück beim Unglück eines anderen verspürt, nicht nachvollziehen. Ich frage mich auch, wie du dir vorstellst, dass ein solcher Mensch reagieren würde wenn ein bzw. sein Kind vom Pfeil getroffen wäre. Wie viele würden dann sagen - hätte der Pfeil doch lieber mich getroffen, mein Leben ist erfüllt und dieser junge Mensch fängt gerade von vorne an, seine Lebensaufgaben zu erfüllen! Und an dieser Stelle nämlich, fängt die Selektion an, hier fängt die Feindseligkeit einem anderen gegenüber am, der nicht mein Kind und nicht Ich ist. Und aus dieser dämlichen Trennung zwischen Mir und Anderen entsteht Hass, ensteht Unterscheidung, Ablehnung und ein solches Glück, dass du als legitim bezeichnest. Diese Sätze kannst du übrigens völlig wertfrei auffassen, so sind sich auch gemeint. Sie sind eine logische Schlussfolgerung, ohne Ethik mit einem moralischen Standpunkt zu verwechseln.
Zitat:(1) Wieso sollte Freud richtig gelegen haben?
Freud oder andere Pschologen zu lesen wird niemandem etwas bringen, der nicht imstande ist, Theorien und Konzepte bei sich selbst zu hinterfragen, der nicht gelernt hat anhand der Kenntnis seines Selbst fähig ist seine eigene psychische Vorgänge zu entschlüsseln.
Dass das Gesamtwerk umstritten ist, wissen wir alle, Freud wurde z. T. ergänzt und z. T. widerlegt, aber das mindert seinen Verdienst bei der Entstehung der Grundlagen der Psychologie und Psychotherapie für viele nicht im geringsten.
Zitat:(2) Wieso sollte das, was Freud entdeckt und definiert hat, weil es (vermeintlich) so ist/war/erschien, unabänderlich sein?
Könntest du erläutern, was du unter Unabänderlich verstehst?
Zitat:Die Ethik zielt gerade immer auf das Sein-Sollen, also auf die Entscheidungsfreiheit des Menschen, auf die Möglichkeiten des stolzen Menschen, wie ihn die Griechen, wie Aristoteles bspw. noch kannten.
Das, was du beschreibst, wäre eine neurotische Auffassung des Seins - so wie ich bin, reicht es nicht, erst muss ich jemand werden. Vieles aus der guten alten Philosophie hat nämlich einen heroistischen Hintergrund. Und das ist eine begriffliche Falle der inneren Richter und Kritiker bzw. des Über-Ich, die einem Vorstellungen suggerieren, die in vielen Fällen nicht erfüllbar sind, und deren Endzustand Versagensängste und Depressionen sind. Ethik ist der Moment, in dem man achtsam ist und seine Handlungen im Rahmen des Absoluten Prinzips ausführt. Ethik ist eine Handlung, die aus keinen persönliche Vorstellungen, keinen Zwecken oder Bedürfnissen hervorgeht.
Zitat:Freud kann doch gerade (nach der Demütigung des Menschen durch die Kriche) als der Vater eine der Institutionen (Psychologie) angesehen werden, die dem Menschen jeden Stolz geraubt hat.
Sicher haben wir es, nachdem Freud in vielen Bereichen korrigiert wurde, viel leichter sich einigen Einflüssen zu entziehen, die in seiner Zeit unvermeidlich waren. Ich kann das nicht beurteilen und möchte das auch nicht werten. Es ist aus meine Sicht so viel schief gelaufen in der Geschichte der Menschheit, und es läuft auch jetzt so viel schief, dass ich Ansprüche auf die Präzision und Unfehlbarkeit einzelner Wissenschaftler für unverhältnismäßig halte.
Zitat:Nach der Psychologie besitzt der Mensch die Würde, welche die Möglichkeit der Selbstbestimmung birgt gerade nicht mehr. Denn alles, was die Menschliche Natur betrifft, ist (vermeintlich) festglegt und empirisch bestätigt. Das zugrunde liegende Motto: Der Mensch war so, der Mensch ist so, der Mensch wird immer so sein (das haben wir empirisch herausgefunden. An dieser Stelle verweise ich auf eine kritische Auseinandersetzung mit den forschungsmethoden der Psychologie. Welches Menschenbild liegt diesen zugrunde? Welche Rolle spielt in der Psychologie das reflexive Selbstbewusstsein und die Möglichkeit des Menschen Entscheidungen zu treffen, kreativ zu sein, wie es nicht (empirisch) vorhersagbar ist? Inwieweit reduziert die Psychologie den Menschen auf einen Reiz-Reaktions-Automaten ohne jede Würde und Fähigkeit zur Selbstbestimmung? Wie nah liegt doch eine Erkenntnis und Definition Freuds, aus einigen (wenigen und begrenzten) Beobachtungen an diesem Menschenbild? Das wäre zu überdenken.
Wozu die Kreativität des Menschen führt, haben wir alle im geschichtlichen und im gegenwärtigen Kontext erfahren, und werden es auch immer wieder erfahren und darüber staunen können. Man könnte fast darauf hoffen, dass menschliche Gestaltungsambitionen endlich mal zum Stillstand kommen werden.
Zitat:Das reine Glück des günstigen Zufalls ist wertneutral und enthält kein moralisch beklagenswertes Desinteresse, es enthält nicht mal einen Vergleich. Denn ich habe genauso Glück wenn mich der Felsen knapp verfehlt hat und daher nicht erschlagen hat und statt dessen einfach auf den Weg gefallen ist.
Ein weiterer Aspekt! Dieses Glück u. a. auch relativ! Vielleicht wird dich dann am Abend jemand mit einem Messer verletzen und du in Folge dessen ein langes und qualvolles Sterben durchmachen musst? Im Vergleich dazu wäre der Felsen das große Glück gewesen.
Zitat:Eine moralische Dimension gewinnt ein Glücksbegriff erst, wenn ich mich vergleiche oder die Interessen des anderen mein Glücksniveau (besser: Wohlergehen), (nicht) beeinflussen. In diesen Fällen kann man in der Tat u.U. eine unmoralische Dimension ausmachen. Aber das diese psychologisch, genetisch oder wie auch immer determiniert sein soll, ist schlicht Unfug und strapaziert die möglichen Interpretationen der empirischen Ergebnisse schlicht über und stellt eine sehr grobe Vereinfachung und daher Fehlinterpretation dar. Der Mensch kann sich noch immer anders entscheiden. Genau darauf zielt jede Ethik als Lehre des guten und gerechten Lebens, so auch die des Aristoteles.
Er kann sich frei entscheiden, aber nur im Rahmen seiner Möglichkeiten und Kompetenzen. Und die sind durch seine angeborene Dispositionen und durch die Arte seiner Lebensführung bestimmt. Sein freier Wille ist eine Folge von vielen Ursachen, die dem Moment der Entscheidung vorausgingen. In der Hinsicht unterscheidet sich die von dir bemängelte Sicht der modernen Psychologie in keiner weise von den Grundlagen der östlichen Philosophien.
Zitat:Zitat:Und ich sehe hier durchaus einen Zusammenhang mit dem Ansatz: Ich bin froh, dass ich nicht in Afghanistan oder Nigeria lebe.
Genau und das darfst Du auch sein. Das ist ds Glück des Zufalls, das birgt keine moralische Komponente.
Bitte sprich nur für dich. Ich warte auf keine Erlaubnis, und werde diese Freude auch nicht empfinden, weil bekanntlich eine Freude, die nicht einem selbst und auch nicht den anderen schadet, nur in absoluter Unabhängigeit von äußeren Einflüssen entstehen kann. Manche Menschen schätzen sich glücklich als Entwicklungshelfer nach Nigeria reisen zu dürfen, und den Menschen dort vor Ort zu helfen. Ich hoffe du wirst sie nicht als Moralisten bezeichnen. Diese Freude steht also im Gegensatz zu dem von dir empfohlenen Zustand der Freude in einem von dem gröbsten Elend relativ verschonten Land zu leben.
Zitat:Sollte Dich das hingegen nachdem Du ja Glück gehabt hast, alles nichts angehen. Würde ich auch sagen, dass Du kein guter Mensch bist.
Genau das ist eine moralische Wertung. Wie DU nur dazu kommst!
Zitat:Narzissten udn andre düstere Persönlichkeiten mangelt es genau an Empathie, weshalb sie auch gerne als Prototyp des Amoralisten herhalten dürfen.
Ich weiß nicht, ob das behauptet wird. Wie diese Perversion funktioniert, haben einige analysiert, allen voran Erich Fromm in seiner Menschlichen Destruktivität, das sind Tatsachen, deren Wertungen - wie auch sonst welche Wertungen und Urteile -, keinen Nutzen oder Sinn haben.
Zitat:Aber derjenige den der Glückliche Zufall getroffen hat, ist noch kein Amoralist,
Nein, er ist ein Narzisst. Narzisstische Verhaltensweise, Störung, was auch immer. Hat mit Moral nichts zu tun.
Grüße, S.