Zitat von Raskolnikow:Und das glaube ich eben nicht; es existieren doch höchst reale Ängste, die sozialer Art sind: die Angst vor dem Statusverlust, die Angst vor der Austauschbarkeit in einer Welt der Funktionen, damit die Angst vor der Arbeitsloigkeit. Man kann doch nicht hinter jeder Angst Thanatos am Werk sehen, in wechselnden Maskeraden.
Apropos - warum. Man könnte das beliebte Wissensspiel der Kinder anwenden; irgendwo am Ende der Reihe gleicht die Angst vor der Ablehnung ganz sicher einem existenziellen Problem! Genetisch bedingt ist diese Angst ein Überbleibsel aus der Zeit, in der das Überleben außerhalb der Gemeinschaft nicht möglich gewesen ist. Und soziale Ängste sind außerdem mit der Stimme des Inneren Kritikers verknüpft, der bei Kleinkindern in den ersten Lebensjahren als Resonanz auf Bedrohungen hinsichtlich ihrer existenziellen Abhängigkeit entsteht. Klar kann man Ängste sortieren, warum nicht. Wenn man sich dadurch einen besseren Überblickt verschaffen kann, ist das eine gute Sache.
Unbewusste Attributionsprozesse (Warum-Fragen), so wie ich die Unterscheidung verstehe, sind mit der Kontrollkognition verbunden.
Nehmen wir an, ein Mensch hätte keine Angst. Er würde in jeder spezifischen Situation nach seinem besten Können und Wissen spontan auf sein Umfeld und auf sein inneres Erleben reagieren. Er würde in jeder beliebigen Situation aus sich heraus frei handeln, ohne seine Handlungen mit selbst entwickelten oder übernommenen Vorgaben zu vergleichen. Er wäre sicher ein glücklicher Mensch, der anhand des Vertrauens in seine eigene Fähigkeiten und einen bestimmten Sinn, den er mit seinem Handeln in Verbindung bringt, keinen Anlass für Zweifel, Reue oder Angst sieht. Dadurch bedingt würde er an keinem inneren Konflikt leiden, der sich aus der Diskrepanz zwischen seinem Denken und Erleben ergeben kann.
Aus dem fehlenden Vertrauen heraus ergibt sich Angst vor Situationen und eigenen Reaktionen, denen man der eigenen Beurteilung nach nicht gewachsen ist. Die Angst der Unterlegenheit wird gewöhnlich dadurch kompensiert, dass Vorstellungen von einer Welt erschaffen werden, in der es keine negative Situationen gibt. Die Kluft zwischen dem realen und illusionären Erleben, und ebenso dem mehr oder weniger unbewussten Zweifel hinsichtlich eines möglichen Irrtums, sind in dem Fall die Grundlage depressiver Zustände. Und aus dieser Lage resultiert auch der Angstkreislauf, den das Streben nach Kontrolle der Welt außerhalb der eigenen Illusion und das stete Scheitern dieser Vorgabe nährt.
Zitat:Heute morgen habe ich gehört, dass Wertpapiere an der Börse in kleinsten Bruchteilen einer Sekunde gehandelt werden, bloße, irrationale Computerspiele sind. Da können Fehler passieren und ganze Wirtschaftszweige einbrechen und Massen der Arbeitslosigkeit überantwortet werden; das ist dann doch keine Sorge, sondern Angst.
Irgendwann wird das Spiel vorbei sein, und es gibt jetzt und bereits seit einer langen Zeit alle paar Sekunden in der weiten Welt sterbende Verlierer, die dank der Sekundenbruchteile an der Börse ihre Ernährungsgrundlage für sich und ihre Kinder verlieren oder auf ein unwürdiges Maß reduziert, vorgeschrieben bekommen. Warum ängstigt sich der Europäer vor Nöten, die Andere millionenweise ertragen müssen, wobei er zu diesem Zustand durch Manipulationen des Welthandels und der Finanzmärkte entscheidend beigetragen hat bzw. für sie direkt ursächlich ist? Auch eine Möglichkeit diesen Zustand zu kommentieren wäre die Annahme, dass doch dies eine ausgleichende Gerechtigkeit wäre, die hier zu Lebzeiten durchgelitten nicht in der Gestalt einer unehrenhaften Schuldigkeit in europäischen Gräbern versickern muss.
Zitat:Es ist m.E. nicht in erster Linie und ausschließlich die Verdrängung der Todesgedanken, die den Menschen zum Konsum führt, sondern eine Unzufriedenheit an der Einrichtung ihres Lebens; fragt sich nur, wer es ihnen eingerichtet hat? Wieviel Autonomie besitzt der Mensch?
Die Angst nicht richtig zu leben ist mit dem Wissen um den begrenzten Zeitplan identisch. Geburtstage werden ab einem bestimmten Alter eher mit einer gewissen Verlegenheit im Hintergrund gefeiert: Wieder ein Jahr älter... Die Angst des kleinen Kindes ist nur die Eine gewesen: Die Furcht in Ungnade zu fallen und die daraus resultierende existenzielle Bedrohung. Angst, die nicht überwunden werden kann, deren Vermeidung sich dem eigenen Kompetenzbereich entzieht, sucht nach Seitenwegen. Bzw. psychische Selbstschutzmechanismen sorgen anhand der Unkenntnis über alternative Wege für deren Umpolung. Sie soll überwunden werden, sie wird stellvertretend den Objekten angehängt, die man theoretisch besiegen kann. Die kleine Spinne z. B., oder man kann sich ein Leben lang mit dem Kampf gegen die eigene Angst beschäftigen, mit dem Kampf gegen sich selbst und irgendwann mal vielleicht als Held auftreten. Andererseits bietet sich der Weg der Auflösung des Minderwertigkeitsgefühl und der Angst. Angstfreiheit bedeutet das Ende der Unterlegenheit - kann man das so verstehen? Eben als Autonomie.
Schaulust. Es gibt auch eine Gute.
Allerdings nur wenn man über die dafür notwendige nervliche Verfassung verfügt... weil normalerweise der Adrenalinabbau eher durch die Beteiligung an Hilfsmaßnahmen erfolgen kann - und vielleicht kann man dann sogar noch besser verstehen.
http://www.psychology48.com/deu/d/schau ... aulust.htmLiebe Grüße