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Hallo,
ich habe und hatte nie jemanden der für mich da ist. Jemand der sich um mich sorgt.
Das war von Anfang an so.
Meine Mutter ist abgehauen, als ich 1 Jahr war.
Von einem Tag auf den anderen. Ich sitze oft hier und frage mich, besonders seit ich selbst Mama bin, was an mir so schrecklich ist, dass selbst meine Mutter mich nicht mochte.
Mein Vater war völlig überfordert mit mir, obwohl ich wirklich ein liebes Kind war, welches nie Probleme gemacht hat. Ich war brav und eine der besten in der Schule.

Da mein Vater alleinerziehend und berufstätig war wurde ich bis zum 6. Lebensjahr von einer Tagesmutter betreut. Sie hat mich immer spüren lassen, dass sie mich nicht mag, sondern es nur des Geldes wegen macht.

Ich habe meinem Vater oft erzählt, dass sie mich schlecht behandelt hat, aber ihm war es egal. Es war ja so praktisch, sie wohnte direkt nebenan...

Ich hatte immer meine Freundinnen beneidet die nach der Schule nach Hause gegangen sind und auch noch berichteten was Mama Leckeres für sie gekocht hat. Bei mir zu Hause war niemand. Ich musste immer zur Tagesmutter und später in den Hort.

Ich habe meinen Vater immer abgöttisch geliebt. Hatte jeden Tag Angst, dass er nicht mehr nach Hause kommt. Meine liebe Tagesmutter hat mir auch immer eingeredet, dass er nicht mehr kommt. Er kam zwar nach Hause, aber er war nicht für mich da.

Ich lebte in der Hoffnung. Ich hoffte, wenn ich mal groß bin, dann wird Alles gut. Dann werde ich endlich eine Familie haben. Mehr wünschte ich mir nicht. Ich hatte nicht mal Berufswünsche. Ich wollte nur eine Familie.

Am letzten Schultag von meinem 4.Schuljahr - alle waren glücklich, wir haben gefeiert, ein neuer Lebensabschnitt beginnt- kamen plötzlich 2 Polizisten ins Kassenzimmer und baten meine Freundin, meine Klassenlehrerin und mich hinaus. Wir mussten mit zum Polizeipräsidium und ich sah meinen Vater dort sitzen wie er gerade verhört wurde.

Ich wusste überhaupt nicht wie mir geschieht und musste mich dann auch mit einem Beamten unterhalten. Ich musste Fragen beantworten, ob mein Vater mich oft unten wäscht und was weiß ich.
Die Erinnerungen daran sind sehr lückenhaft. Ich weiß nur, dass die Mutter meiner Freundin meinen Vater angezeigt hat und dass das Verfahren wegen sexuellen Missbrauch eingestellt wurde.

Danach wurde ich ein anderer Mensch. Ich hatte keine Hoffnung mehr, dass noch irgendetwas gut wird und ich sprach kaum noch.
Ich wurde gerade so versetzt, weil ich schriftlich immer noch gute Arbeiten ablieferte, aber mündlich eigentlich überall eine 5 oder 6 hatte.

Nach dem 6. Schuljahr wurde es nicht besser und ich kam auf eine andere Schule. Von da an spielte ich überhaupt nicht mehr mit.
Mir war plötzlich alles egal. Ich schwänzte ständig die Schule und war nicht mehr still, sondern wurde rebellisch.
Ich glaube, ich wollte meinen Vater testen, ob ich ihm wirklich so egal bin.
Ja, war ich. Er meinte immer nur:Du musste selbst wissen, was Du machst. Ich wusste aber nicht was ich machen sollte.

Ich war völlig orientierungslos. Mir erschien alles so sinnlos. Meine Mitschüler waren alle ehrgeizig und hatten Berufswünsche. Ich nicht.
Ich zog lieber mit meiner Freundin durch die Stadt und provozierte die Leute.
Wir klauten was das Zeug hielt. Kamen erst Nachts, oder gar nicht nach Hause und unseren Vätern war es egal.

Nachdem ich dann 2x sitzen blieb, kam ich auf die Realschule.
Ich machte weiter wie bisher. Was soll ich in der Schule? Manchmal ging ich, meistens aber nicht.
Mitlerweile war ich schon 15 und ich entdeckte mit meiner Freundin den Alk. und wir führten weiter unser Lotterleben für das sich niemand interessierte.

Trotzdem machte ich meinen Abschluss mit einem Durchschnitt von 3.

Ziele hatte ich immer noch nicht, aber ich suchte mir trotzdem eine Arbeit.
Bekam auch eine Vollzeitstelle bei der Telekom in der Auskunft und fühlte mich richtig reich.
Taschengeld hatte ich nie bekommen und plötzlich hatte ich 1800,- DM auf dem Konto. WOW!

Dann lernte ich meinen 1. richtigen Freund kennen. Ich war von ganzem Herzen verliebt und plötzlich blitzte auch wieder der Traum von der eigenen Familie auf.

Er sah das aber alles ganz anders und machte an einem ganz besonderen Tag mit mir Schluss. An meinem 18. Geburtstag.

Ok, dachte ich mir das war´s jetzt.
Ich ließ diesen Tag und mein Leben noch einmal Revue-passieren.
Mein Vater schenkte mir 100,- DM und erließ mir meine Schulden (welche Schulden??:shock: ), mein Freund lud mich in unsere Lieblingskneipe ein um meinen Geburtstag zu feiern, bis er mir dann offenbarte, dass er eine Andere hat.

Ich fuhr nach Hause, mit dem Gedanken, dass mein Leben zu Ende ist und ich freute mich darauf, nie wieder irgendetwas Trauriges erleben zu müssen, wenn ich nur alle Tabletten von meinem Vater schlucke.

Ich fand eine unangebrochene Packung Tafil, überflog kurz den Beipackzettel, ging damit in mein Zimmer, setzte mich auf meine Bett und steckte mir eine nach der anderen in den Mund.
Das war wohl mein Fehler. Hätte ich bloß alle auf einmal geschluckt.

Nachdem ich ca. 20 geschluckt hatt, brach ich zusammen, als hätte jemand ein Licht ausgeknipst.

Um 13 Uhr kam mein Vater in mein Zimmer und versuchte mich wach zu rütteln. Er berichtete mir, dass ich grünes Zeug kotzte und mit irgendwelchen Leuten telefonieren wollte. Was ich komischerweise auch getan habe, aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern.
Meine Freundin kam dann und auch meine Ex. Die 3 saßen in der Küche und beratschlagten was nun mit mir zu tun sei.

So langsam wurde ich wieder klar und überlegte, was ich nun tun kann, als plötzlich mein Vater rein kam und mich anschrie.Kannst du mir mal erzählen, wo ich jetzt neue Tabletten herbekommen soll? Was soll ich denn meinem Arzt erzählen??!

Ich wollte nur noch weg, rief einen Kumpel an und blieb dort für 2 Wochen.
Dann suchte ich mir eine Wohnung. Ich war immer noch bei der Telekom und so war es nicht schwer eine zu finden.

Mitten in der City von Köln fand ich eine und ich schöpfte wieder Hoffnung.
Ich war auch nicht mehr so einsam. Ich war die Einzige in meinem Bekanntenkreis die eine Wohnung hatte und nach Partys gingen natürlich alle lieber alle zu mir, als nach Hause zu Mama.

Tja, das ging ca. 4 Monate gut, dann dachte ich wieder :Warum das alles? Ich ging nicht mehr zur Arbeit, bezahlte meine Miete nicht und letztendlich verlor ich meinen Job.
Mir war es egal. Das Einzige was ich schlimm fand war, dass ich meinen Vater anbettelte wieder bei ihm wohnen zu dürfen um nicht obdachlos zu sein.

Ich hatte dann einen neuen Freund. War wieder verliebt. Er war aber sehr eifersüchtig und schlug mich deswegen immer.
Ich gab mir die Schuld dafür und dachte nur:Hey, der liebt dich so sehr, dass er einfach verzweifelt ist und Angst hat dich zu verlieren.

Mit 20 wurde ich schwanger. Wieder hatte ich Hoffnung. Das war es doch, was ich mir immer gewünscht habe, eine Familie. Jemand der mich bedingungslos liebt. Eine Aufgabe, einen Sinn im Leben.
Als ich das meinem Freund erzählte meinte er nur: Das Kind oder ich?

Da gab es nichts für mich zu überlegen und ich sagte nur Ok, dann Tschüß.
Wir waren trotzdem dann noch zusammen, obwohl er sich kein bischen auf das Kind freute.
Mein Vater bekam es dann auch raus und meinte nur: Dann sieh mal zu, dass Du schnell hier raus bist.

Keiner freute sich mit mir. Meine Freundin wollte dass ich abtreibe, aber ich habe mich einfach nur auf das Kind gefreut.
Ich laß Bücher über Schwangerschaft und Geburt und kaufte Babykleidung ohne Ende.

Ich wollte meinen Freund überreden, doch mal mit zu einer Ultraschalluntersuchung zu kommen. Ich war schon im 4. Monat und man konnte das Kind strampeln und am Daumen nuckeln sehen.
Ich dachte, wenn er das Kind, sein Kind sieht, dann wird er sich vielleicht auch freuen.

Er wollte partout nicht, aber irgendwann habe ich ihn doch überredet und war ganz aufgeregt, als der Termin da war.

Der Arzt erklärte wo Ärmchen und Beinchen sind, der Kopf usw. Ich fragte irgendwann:Und wo ist das Herz? Der Arzt meinte: Das frag ich mich auch. Er suchte und suchte. Aber er konnte keinen Herzschlag mehr finden. Unser Kind war tot.

Für mich brach eine Welt zusammen und ich heulte. Meinen Freund ließ das kalt.

Mein Arzt schickte mich ins Krankenhaus. Die sollten noch mal genau nachschauen und dann eventuell eine Ausschabung vornehmen.

Mein Arzt hatte natürlich Recht mit seiner Diagnose.

Ich suchte mir wieder einen Job. Dieses Mal fand ich keinen so guten, aber ich wollte nur weg von meinem Vater.

Ein halbes Jahr später wurde ich wieder schwanger. Ich sagte erst mal keinem etwas davon. Jeden Tag hatte ich Angst, dass das Kind wieder tot ist. Ich hatte jedes Mal Angst vor der Ultraschalluntersuchung.

Ich erzählte es dann meiner Freundin und sie freute sich. Sie war auch bei der Geburt dabei. Dann erzählte ich es auch meinem Freund. Der freute sich nicht.
Mein Vater erfuhr es erst als ich im 6. Monat war. Und von da an war jeder Tag zu Hause die Hölle. Er schloss Essen weg und fragte mich täglich, wann ich endlich gehe.

Ich wusste aber nicht wohin. Mein Freund hatte nur ein 12qm großes Zimmer in einer WG. Mit meinem Vater lebte ich in einer 2 Zimmer Wohnung. Das Wohnungsamt wollte mir nicht helfen. Die meinten 62qm wären groß genug für 3 Personen. Ja, vielleicht für ein Ehepaar mit Kind....

Naja, im 9. Monat ging ich dann nochmal zum Wohnungsamt zu einem anderen Sachbearbeiter und erzählte ihm ein bischen was von meinem Vater und mir.
2 Tage später kam ich dann in einem Frauenhaus unter.
Ich kam erst mal zur Ruhe und konnte mich das 1. Mal richtig auf mein Kind freuen.

3 Wochen später kam dann mein Sohn kerngesund auf die Welt und ich war der glücklichste Mensch der Welt.
3 Monate blieb ich noch im Frauenhaus und zog dann in eine WG mit anderen Müttern. Dort blieb ich bis mein Sohn 8 Monate alt war und bekam dann eine eigene Wohnung.

Von Geburt an und bis dahin ging es mir das 1. Mal in meinem Leben richtig gut. Ich war stolz, ich war glücklich und zuversichtlich. Sogar mein Vater wurde ein lieber Opa. Und die Großeltern väterlicherseits liebten ihren Enkel abgöttisch und waren auch für mich da.

Der Papa allerdings interessierte sich überhaupt nicht für seinen Sohn, aber ich gab die Hoffnung nicht auf, dass wir trotzdem irgendwann eine Familie sind.

Meine Freundin versuchte mich wach zu rütteln: Was gibt es denn größeres als ein Kind? Wenn er sich dafür nicht ändert, dann für nichts...
Ich war immer noch blind. Ließ mich beschimpfen und schlagen.

Mein Sohn entwickelte sich bis zum 1. Lebensjahr völlig normal. Dann gab es plötzlich Auffälligkeiten.
Ich kürze das Ganze jetzt mal ab. Er kam im Kiga nicht zurecht und auch nicht in der Schule und ich kam auch nicht mehr mit ihm zurecht. Vor 3 Jahren (mein Sohn ist jetzt 12) wurde mir die Diagnose gestellt, dass er Autist ist.

Seit 2 Jahren macht er eine vollstationäre Langzeittherapie und ich sehe ihn nur am Wochenende und in den Ferien.
Das ist sehr schwer für mich. Ich vermisse ihn täglich. Obwohl er schon so lange dort ist.

Seine Großeltern väterlicherseits sind mitlerweile beide verstorben und mein Vater starb vorletztes Jahr im Dezember.

Mit dem Vater meines Sohnes bin ich nicht mehr zusammen. Ich habe einfach keine Hoffnung mehr, das wir eine Familie werden. Auch wenn die Einsicht etwas spät kam.

Ich vermisse meinen Vater. Habe ihn bis zum Schluss geliebt und immer nur gewollt, dass er mich mag.

Mit meiner Freundin habe ich seit mein Vater tot ist keinen Kontakt mehr. Sie lebt glücklich ihr Bilderbuch-Familienleben. Da passe ich einfach nicht rein und heute weiß ich, dass sie nie eine wirkliche Freundin war, sonst würde sie heute noch, oder gerade heute, zu mir stehen.

Der Rest meiner Familie ( Tanten, Onkel) hat sich nie um mich geschert.
Die leben ihr eigenes Leben. Ich habe öfter versucht Kontakt aufzunehmen, aber die melden sich nicht.

Jetzt bin ich also ganz alleine. Mein Sohn kommt zwar bald zu mir zurück, in ca. 1-2 Jahren. Ich freue mich auf die Zeit. Mein Sohn ist ein ganz besondere Junge. Er hat tolle Ideen und jeder schließt ihn gleich in sein Herz.

Es wird aber auch schwer werden. Das weiß ich.
Es wird in der Schule und auch zu Hause nicht einfach sein. Und da ist niemand, der sich mit mir sorgt, der mir den Rücken stärkt, der für uns da ist und mir ein paar Sorgen abnimmt.

Jetzt bin ich wieder an einem Punkt, wo ich mir oft denke:Das war´s jetzt. Ich kann nicht mehr. Dann denke ich aber gleichzeitig an meinen Sohn.
Ich habe ihn auf die Welt gesetzt und muss für ihn da sei. Er hat doch niemanden außer mir. Ich weiß nur nicht wo ich die Kraft her nehmen soll.
Wann ist mal jemand für mich da?

Mir fällt es schwer neue Leute kennen zu lernen, vor allem Vertrauen zu haben. Ständig denke ich, der/ die mag mich sowieso nicht.
Ständig meine ich alles falsch zu machen. Und wenn ich dann mal das Gefühl habe, dass mich jemand mag, dann habe ich ständig Angst, dass er mich verlässt. Und bisher war es auch so.

Mir hilft kein Blablabla beim Psychodoc. Der nimmt mich nicht in den Arm. Der sorgt sich nicht um mich. Dem bin ich im Grunde völlig egal.

Was mir helfen und neue Kraft geben würde, ist Jemand dem ich nicht egal bin, der für mich und meinen Sohn da ist und mich auch dann noch mag, wenn ich mich mal völlig daneben benehme.
Das bezahlt aber keine Krankenkasse. Das bekommt man geschenkt, oder eben nicht.
Das Gefühl, welches die meisten Menschen von Geburt an als Basis mit auf den Lebensweg bekommen haben, das möchte ich gerne nur 1x im Ansatz spüren, dann würde es mir besser gehen.

29.03.2009 22:37 • 30.03.2009 #1


3 Antworten ↓


Hallo Stellaluna,

ein Freund sagte mal zu mir: Man kann sich nicht einfach etwas wünschen und schwups ist es da. Man muss dafür schon etwas tun.

Zuerst war ich sauer und fühlte mich unverstanden, aber ich wußte dennoch, er hat recht.

Deine Leidens-/Lebensgeschichte ist nicht besonders schön verlaufen und du hast dich in deinem Leben scheinbar ziemlich durchkämpfen müssen. Und nun? Willst du aufgeben? Das kannst du nicht, wegen deinem Sohn....wobei der Satz in meinem Augen besser heißen müßte....wegen mir.

Es fällt dir schwer neue Menschen kennenzulernen und zu vertrauen. Du weißt selbst, dass du an diesem Punkt an dir arbeiten musst, damit du das erreichen kannst, was du dir wünschst.

LG Insomnia

A


Die Leiden der Chrissy D./Eine kleine Autobiographie

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Hallo Stellaluna, auch ich habe deine lange Geschichte gelesen. Ich ziehe den Hut vor deinem Kämpferherz und möchte mich für das Vertrauen an deiner Geschichte teilhaben zu dürfen bedanken. Ich wünsche dir viel Kraft fürs Herz und viel Mut neue Wege zu gehen.

Hallo Stellaluna,
Du hast eine lange schwierige Zeit hinter Dir und im Laufe Deines Lebens viele schlimme Erfahrungen machen müssen. All das hast Du geschafft und die Kraft aufgebracht, für Deinen Sohn dazusein.
Versuche, Deine Kraft für Dich zu nutzen. Was würdest Du denn gerne tun ? Gibt es ein Hobby, eine Gruppe, einen Verein, dem Du Duch gerne anschlie0en würdest ?
Du bist Dir bereits über viele Zusammenhänge im Klaren. Dennoch könnte Dir evt. eine Therapie helfen, v.a auch um neuen Mut zu finden und die Dinge mitteilen und leichter mit Deinen Erfahrungen und ihren Folgen umgehen zu können.
Ich wünsche Dir alles Gute. miloh





Dr. Reinhard Pichler
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