Traurig? Einsam? Fühlst dich mehr tot als lebendig, abgeschnitten von dieser Welt, in der jeder jeden hat und scheinbar nur du zum Alleinsein verdammt bist? Und beklagst dein Leben, siehst keinen Ausweg aus diesem heraus, fragst dich, ob du jemals so etwas wie einen Freundeskreis besitzen wirst? Herzlich Willkommen im Club der sensiblen Menschen, jener Sorte Menschen die es eigentlich auf der Welt öfters geben sollte. Da dies aber so nicht ist, befindest du dich in der Gesellschaft der Bekloppten.
Ich war lange Zeit sehr einsam, hatte keine Freunde und wenn, dann haben diese Freunde mich ausgenutzt und mich im passenden Moment liegen gelassen. Früher war ich stets hilfsbereit, hörte den Leuten aufmerksam zu, half einigen Mitschülern durchs Abi, habe im Zivildienst mich mit einem Einwanderer angefreundet und ihm ebenfalls geholfen nicht abgeschoben zu werden. Der Dank sah dann so aus, dass ich am Wochenende alleine daheim saß und sich für mich niemand, absolut niemand interessierte. Und dann gings halt los: Fühlte mich schlecht, zweifelte an mir, wollte mich sogar umbringen, dann begann ich diese Gesellschaft zu hassen und am Ende hatte ich eine schwere Depression.
Ich war ein Musterschüler. Benehmen war top. Im Zivildienst bekam ich viel Lob für mein gutes Benehmen: Ich sei so erwachsen und so verantwortungsbewusst. Recht schnell merkte ich aber, dass mein gutes Benehmen zu Überstunden führte, während andere Zivis früher gingen oder die Pause mehr als überspannten. Am Ende bekam ich, der Ordentliche und die anderen, die Chaoten, einen feuchten Händedruck und ein Gutschein. Während ich nach Hause ging, erfuhr ich später, dass die anderen feiern waren und zusammen mit den Kollegen, die mich ja so toll und anständig fanden.
Während ich nach Hause fuhr, gingen die anderen feiern zusammen mit den Kollegen, die mich so toll und anständig fanden. WTF?
Es gibt unzählige Alltagsgeschichten die eine ähnliche Parallele aufweisen. Ist denn der Anständige, derjenige der seine Arbeit ordentlich und fleißig macht, nicht gerade der Erwünschte? Freilich, aber daraus folgt nicht die Ableitung, die ich früher vorgenommen hatte: Strebsam und Fleiß macht dich beliebt und so ergatterst du Freunde. Tatsächlich wurde ich beliebt, aber nur deshalb, weil man so schön die Aufgaben bei mir abladen konnte.
Früher hatte ich eine handvoll Freundinnen und Freunde in der Schule, denen ich gerne geholfen hatte. Ich war bis 16.00 Uhr auch recht beliebt. Gerne ging man zu mir, wenn man mal Mathe nicht gecheckt hat. Und gerne verglich man Hausaufgaben mit mir. Aber sobald der Schulgong ertönte wünschte man mir ein schönes bis Morgen. Während die Leute am Wochenende feierten, blieb ich daheim. Im Studium setzt sich das Muster fort.
Natürlich hab ich ab und zu vorsichtig angefragt, ob man nicht was zusammen machen können. In diesem Fall kamen die sonderbarsten Ausreden.
Worauf will ich überhaupt hinaus? Kurz und knapp: Alle Einstellungen und Verhaltensweisen (Zuverlässigkeit, Hilfsbereitschaft, Strebsamkeit etc.), die so gerne propagiert, werden in der Gesellschaft gerne gesehen, zugleich möchte man mit solchen Menschen nicht zu tun haben. So ist Sensibilität bei Frauen sehr hoch im Kurs, kaum eine Frau die sich nicht einen einfühlsamen Mann wünscht, aber weil Sensibilität nur selten zur Erregung führt, werden beim Kennenlernen doch andere Merkmale vorgezogen.
Die Gesellschaft ist deshalb bekloppt, weil sie erregt werden möchte, weil die Individuen Lust spüren und befriedigt werden wollen. Probleme, die es ohne Zweifel gibt, werden daher veralbert, weggesoffen, weggefickt, weggetanzt, weggekifft etc. Einsame Menschen haben hier Schwierigkeiten. Wir sind deshalb so unangenehm, weil wir unsere Probleme (unter anderem die Einsamkeit selbst) im Blick haben, sie quasi jeden Tag spüren und wir kaum Möglichkeiten haben diese mithilfe anderer Menschen zu verdrängen. Einsame Menschen sprechen über sich, ihren Gefühlen und ihren Problemen, erwarten dann auch, dass andere zuhören, sie vielleicht trösten und in bester Freundschaft Ratschläge geben. Nur gibt es da einen Haken: Die meisten Menschen haben absolut keinen Bock auf Probleme, schon gar nicht auf Probleme von anderen Leuten.
Das musste ich unter den Schmerzen der Einsamkeit herausfinden. Ich musste mein Bild über die Freundschaft korrigieren und einsehen, dass es Freunde, wie ich sie mir vorstellte (man hält zusammen wie quasi in einer Daily Soap, hält durch dick und dünn), nur selten, in den meisten Leben gar nicht gibt. Freundschaften sind in Zeiten des globalisierten Egoismus höchst fragile und temporäre Gebilde, die nur dann zusammenwachsen, wenn die Basis stimmt. Die Basis können gemeinsame Aktivitäten sein. Kaum einer wird dein Freund aus Mitleid, weil du so ein schweres Leben hast und du in den Tiefen eines Herzens eine Umarmung wünscht. Freunde gewinnt man, zumindest in meiner Altersstufe, wenn man gemeinsam Sport treibt, säuft, mit deinen Errungenschaften angibst oder (/bei Frauen beliebt) andere niedermachst und lästerst. Das alles ist sehr bekloppt, aber im Grunde effektiv um seine Alltagsprobleme, die die meisten schon gar nicht mehr lösen wollen (bzw. können), zu verdrängen.
Mittlerweile habe ich einen echt großen Freundeskreis und jetzt kommts: Ich werde sogar am Wochenende angerufen
Die Gesellschaft ist recht bekloppt und knallhart auf Lustgewinn aus. Einsame Menschen, also ihr, könnt euch diesem Treiben anschließen oder alleine bleiben. Nur muss man euch irgendwann die Illusion nehmen, dass DIE Freundin oder DER Freund kommt, der euch aus der Einsamkeit entreißt. Eure Probleme sind eure Probleme und leider interessiert sich kaum einer für Probleme (außer natürlich die Psychotherapeuten).
Natürlich ist der Beitrag bisschen überzeichnet und man muss nicht gleich saufen um Freunde zu gewinnen.
Leider muss man sich anpassen... was anderes bleibt einen nicht übrig...
P.S.: Vielleicht kann ein Moderator den zweiten Thread, den ich unabsichtlich erstellt habe, löschen?
27.07.2011 05:54 • • 26.08.2011 #1