Es mag wie eine leichte Übertreibung wirken, dass ich hier so hereingeplatzt komme und in meinem ersten Thread gleich alles, was mir auf dem Herzen liegt ausbreite. Allerdings ist mir dieser Schritt auch nicht leicht gefallen, da ich absolut rat- und hilflos bin. Das Internet, so sagt man, ist zwar keine Lösung, aber ich bezweifle, das es weniger hilfreich ist, als meine bisherigen Therapien.
Ich bin 21 Jahre alt, männlich und habe mittlerweile ein Semester Informatik studiert (das Klischee vom einsamen Informatiker trifft übrigens nur auf die wenigsten zu und darum geht es hier nicht). Seit etwa 5 Jahren leide ich an Depressionen und seit etwa 4 Jahren an einer Angsterkrankung infolge einer posttraumatischen Belastungsstörung. Desweiteren wurde mir mal eine Anpassungsstörung attestiert, aber ich glaube das geschah nur pro forma, da denen nichts besseres eingefallen ist als das.
Ich wohne in einer Dreier-WG mit zwei sehr guten Freunden und dennoch fühle ich mich erdrückend einsam. Dies ist ein Widerspruch, auf den ich mir selbst keinen Reim machen kann, aber offenbar reicht der Kontakt, den ich zu diesen Freunden pflege, nicht aus. Ein halbes studiere ich nun schon. Man hatte mir erzählt, was für eine wunderbare Zeit das werden würde und wie vielen Menschen ich begegnen und wie viele Freunde ich gewinnen würde. Die Realität offenbarte mir etwas völlig anderes. In diesem halben Jahr habe ich niemanden so weit kennen gelernt, dass ich regelmäßigen Kontakt mit ihm hätte. Ich engagiere mich in der Fachschaft mit einigen Kommilitonen zusammen, ich versuche alles zu tun, um die Bedingungen für meine Mitmenschen in der Universität zu verbessern. Und dennoch scheine ich ins Leere zu laufen.
Es ist weniger die Tatsache keine Anerkennung zu erfahren, als die Tatsache nicht einmal mit jemandem kommunizieren zu können - fast so als sei ich unsichtbar. Ich fühle mich beteiligungslos, überflüssig, das klassische fünfte Rad am Wagen. Ich habe mich selbstverständlich darüber aufklären lassen, dass es daran läge, dass ich zu ernst sei, dass ich keine Fröhlichkeit ein den Tag lege oder dass ich nicht offen genug auf meine Mitmenschen zuginge. Doch wie sieht es aus? Ich habe phasenweise gute Laune, aber wenn ich nicht von der Depression zurückgeworfen werde, dann erledigt das eben die Angst. Ich bin ein meiner Beweglichkeit in der Öffentlichkeit derart eingeschränkt, dass ich mit dem Auto zur Universität fahren muss und daher kenne ich auch nur diese zwei Orte: die Universität und meine Wohnung. Ich habe schon ein ganzes Jahr in Arbeitslosigkeit verschwendet, um eine völlig erfolglose Therapie durchzumachen. Nun habe ich zwar den wesentlichen Schritt getan, studieren zu können -was zweifelsfrei ein Fortschritt ist - aber dennoch mangelt es mir erheblich an Lebensqualität.
Ich vermute, dass sich einiges daran nicht ändern wird und ich kann damit umgehen, dass das so ist. Doch ich verzweifle bei dem Gedanken, dass mein Leben so verlaufen muss. In den letzten Tagen bin ich so weit abgestürzt - und das realisiere ich jetzt in diesem Moment - dass ich mein Bett nur noch verlassen habe, um meine studentischen Pflichten zu erfüllen. Es gibt nichts anderes mehr in meinem Leben. Noch vor einiger Zeit habe ich sehr gerne Musik gemacht und leidenschaftlich gern geschrieben. Doch ich habe die Lust daran verloren. Ich kann keinen Sinn mehr darin erkennen, meine Kreativität ziellos und ohne Produkt dahinpulsieren zu lassen. Ich kann es nicht mehr, nicht einmal mehr eine Idee will mir kommen.
Manche nennen mich schüchtern, was ich allerdings nicht bin. Ich bin nur leicht wählerisch und bestimmten gesellschaftlichen Situationen gegeüber voreingenommen. Dies rührt vrmtl. daher, dass ich in meiner Schulzeit über eine sehr lange Zeit Außenseiter war und teils unaussprechlich gemobbt wurde. Die Tatsache, dass man durch so etwas das Vertrauen in seine Mitmenschen verliert, wird einem später zur Schwäche erklärt - als ob man irgendwie darum gebettelt hätte ausgeschlossen zu werden oder als ob man Spaß daran hätte gemieden zu werden.
Ich hatte schon in meiner Schulzeit ein solches Tief, dass es zu einem Suizidversuch kam, nämlich als klar wurde, dass ich sitzen bleiben würde. Ich hatte mich bis dahin darauf verlassen, Probleme mit dem Kopf lösen zu können, wenn schon meine Mitmenschen mit mir nichts zu tun haben wollten, bzw. sie mich sogar offenkundig hassten. Ab dem Zeitpunkt aber, als man mir sagte, ich würde Sitzenbleiben, ging mein ganzes Selbstbild kaputt. Der einzige Verteidigungsmechanismus der mir geblieben war, wurde für nichtig erklärt. Bei einer späteren Suizidgefährdung, die mit meiner Depression zusammenhing, wurde ich in eine psychiatrische Klinik eingewiesen (Diagnose: Anpassungsstörung). Dort hatte man mir einen Intelligenztest zunächst unterschlagen, doch als ich das Ergebnis später erfuhr, war ich sehr erleichtert - denn es war nicht das Ergebnis eines Sitzenbleibers.
Eine Zeit lang war ich dann wirklich glücklich - von einigen depressiven Phasen abgesehen - denn in der neuen Klasse fand ich sehr schnell Freunde, so auch meine heutigen Mitbewohner. Auf die traumatischen Ereignisse, die meine Angststörung auslösten, will ich hier nicht näher eingehen. Alerdings wurde dieser (vermutlich) glücklichsten Zeit meines Lebens dadurch ein jähes Ende bereitet. Danach musste ich mich auf zahlreiche Therapien einstellen, um immer wieder dagegen anzukämpfen, meinen Alltag nicht bewältigen zu können. Nur durch Therapie und diesbezügliche Disziplin habe ich mein Abitur geschafft - allein aufgrund der Tatsache, dass ich ohne Therapie gar nicht hätte zur Schule gehen können.
Doch die (Konfrontations-)Therapien sind immer wirkunglos geblieben. Kurzzeitig stellte sich eine bessere Situation ein, die sich dann aber meist wieder verschlimmert hat. Mir wurde auch schon gesagt, dass man Einsamkeitsgefühle am besten dadurch bekämpft, dass man lernt, sich selbst zu lieben. Es gab auch eine Zeit, als ich ernsthaft diesbezüglich an mir gearbeitet habe. Da habe ich zunächst aufgehört Alk. zu trinken und zu rauchen. Dann habe ich 20kg abgenommen und war körperlich sehr zufrieden mit mir. Ich war auch von meinen Fähigkeiten überzeugt und ja, es gab Momente da genügte mir das. Aber meine Probleme wurden dadurch ganz und gar nicht gelöst. Mit der Zeit verschlimmerten sich die Depressionen und Angstzustände, bis ich die Kraft nicht mehr aufbringen konnte. Optimismus und ständige Arbeit am eigenen Selbstwertgefühl erfordern Energie -doch wo soll die herkommen? Ich konnte einerseits meine Probleme nicht lösen und andererseits habe ich von keinem meiner Mitmenschen die Zuneigung erfahren, die ich mir gewünscht hätte.
Ich weiß, dass ich niemanden dazu zwingen kann und das ich an mir arbeiten muss, etc. Aber ich will nicht erkennen müssen, dass das nicht zumindest versucht habe. Ich könnte nun anfangen über Liebe zu schwadronieren, eine dieser unerfüllten Sehnsüchte. Aber macht es für mich Sinn überhaupt darüber nachzudenken? Ich habe ein Leben lang gelernt, dass mir derartiges nicht zusteht und ich gefälligst mit dem zufrieden sein soll, das ich habe?
Doch nun geht es mit mir auch gesundheitlich bergab. Neben diversen Schmerzgeschichten, die ich schon immer hatte, verstärken sich meine Schlafstörungen und ich bekomme Herzbeschwerden. Ich selbst habe das Gefühl vor der Wahl zu stehen: Noch einmal alle Kraft zusammen nehmen und versuchen auf die Beine zu kommen, noch einmal all diese Energie investieren oder aber dieses trostlose, inhaltsleere Leben weiterführen bis ich irgendwann einmal sterbe. Woher soll ich wissen, dass Ersteres die Situation in zukunft nicht doch eher verschlimmern wird? Zweiteres ist in den Augen der meisten wohl keine Option, aber ich habe die Hoffnung aufgegeben irgendwie nocheinmal etwas zu finden, womit ich glücklich sein kann. Alles verschwimmt, wo ich mal sehr genau gewusst habe, was ich will, da ist jetzt gar nichts mehr - keine Richtung, keine Aufgabe, kein Sinn.
Ich habe das Gefühl maschinengleich, einen vorgezeichneten Lebenweg zu gehen, angekettet und damit bestraft, mit keiner Menschenseele mehr Kontakt haben zu können. Ich halte es für ausgeschlossen, dass ich meine Träume verwirklichen kann. Nicht einmal eine Familie werde ich gründen können, wo ich doch so viele Hürden zu nehmen habe, ehe ich überhaupt den ersten Schritt in eine solche Richtung unternehmen kann. Wie viel Zeit nimmt das wohl in Anspruch? Werde ich meine etwaige Heilung überhaupt noch miterleben? Was habe ich in meinem Leben so mörderisch falsch gemacht, dass ich in dieser Situation feststecke?
Ich weiß nicht, ob Ihr mir dazu etwas sagen könnt. Vermutlich dient dieses ganze Geschreibsel nur dazu, mich von meinen Gedanken zu befreien, die mich ansonsten endgültig fertig machen.
freundliche Grüße,
nepumukinski
09.02.2010 01:32 • • 28.02.2010 #1