Hallo Dirk,
ja, das ist wirklich traurig, wie du aufgewachsen bist. Das hinterlässt lange und tiefe Spuren. Tiere, die Käfige verinnerlicht haben, können diese oft nicht verlassen, selbst wenn der Käfig an sich schon weg ist.
Aber: Wir sind insofern doch etwas mehr als Tiere. Wir können intellektuell erfassen, dass der Käfig tatsächlich weg ist, können uns Ziele setzen und aktiv auf diese zugehen.
Aber das braucht Zeit und viele Energie, ich weiß. Und wenn man gerade mit 50+ seine Arbeit verloren hat und die Aussicht auf eine neue äußerst gering sind und man in eine finaniell trübe Zukunft schaut, ist es klar, dass man erstmal total down ist.
Vor einigen Tagen habe ich allerdings den fröhlichsten Mann, den ich wohl überhaupat jemals erlebt habe, getroffen. In einem Bio-Markt. Er war wohl ca. 50, sah gut und gepflegt aus, redete freundlich und fröhlich mit den übrigen an der Kasse wartenden Kundinnen, die ihn sogar vorlassen wollten, weil er nur 2 Teile hatte; er sagte aber ganz fröhlich, er habe Zeit und ließ seinerseits andere noch vor. Er erzählte u.a., er lebe von 350 Euro (plus geerbter Wohnung, in der er lebt) im Monat und habe herrlich viel Zeit. Die Arbeit - am PC - habe ihn sowieso immer gelangweilt, jetzt könne er alles mögliche machen, was ihm Spaß macht.
Die anderen Damen reagierten erstaunlich positiv auf ihn, auch die Kassierin. Als ich was von bedingungslosem Einkommen sagte, sagte prompt die Dame vor mir: Davon bin ich eine unbedingte Anhängerin. Da war ich ziemlich verblüfft. Da ich annahm, dass er HartzIV-ler ist, sagte ich: Aber die Kassiererin hier muss dafür arbeiten, damit Sie Ihre 350 Euro bekommen. Er stutzte, sagte, Ja, da haben Sie irgendwie Recht - aber trotzdem war keine auf ihn sauer, und keine sagte sowas wie: Dann mag ich auch nicht mehr arbeiten.
Das war ein absoluter Gegenentwurf zum Depri-Schieben. So kann man es also auch angehen.
18.08.2010 13:24 •
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