Zitat von Hotin:Die größten Meinungsverschiedenheiten und Streitereien entstehen bei uns Menschen
immer genau aus der von Dir beschriebenen unterschiedlichen Belegung von Worten.
sowie aus dem unterschiedlichem Geschick seine Inhalte 'rüber zu bringen'...
Zitat von Hotin: Deshalb finde ich hat @Abendschein Recht, wenn sie sagt. Zieht Euch nicht an DEM Wort Schuld hoch.
Ziehen wir uns an einem Wort hoch? Oder diskutieren wir eher Stolpersteine, welche wir uns sprachlich selber in den Weg legen?
Zitat von Hotin: Es muss unbedingt darum gehen, wie ich die emotionale Komponente, also die Stärke meines Angstgefühls regeln kann.
Und das ist die zentrale Frage. Jeder kann die Stärke seines Angstgefühls zu großen Teil selbst beeinflussen.
Was aber geschieht dann, wenn er die Stärke seines Angstgefühls nicht selbst regelt? Wenn nicht Schuld, was ist es dann,
Unwissenheit, fehlende Erfahrung? Und noch einmal, mit welchem Begriff erkläre ich es jemandem, der aufgrund von
Ängsten z.Zt. nur eingeschränkt kritikfähig ist?
Mit welchem Begriff erreiche ich, dass er beginnt zuzuhören, anstatt sich nur zu wehren?
Mit einem einzelnen Begriff im normalen Gespräch wohl nicht. Wohl aber mit einer geeigneten Umgebung und Rhetorik.
Zitat von Hotin:
Deine Verallgemeinerung, dass der Begriff Schuld als etwas negatives empfunden wird, die
teile ich nicht.
Das ist schade.
Lass mich einen kleinen Schlenker in die Kommunikationswissenschaften machen...
Wir denken vorwiegend in Bildern. Sprache ist nur ein Mittel diese Bilder zu transportieren. Wenn ich jetzt z. B. Mona Lisa sage, wird bei dir (höchstwahrscheinlich) unterbewusst das Bild eines alten Meisters, einer brünetten lächelnden Frau auftauchen. Sage ich Bergwiese wird es ebenso ein Bild aus der Erinnerung sein.
Nun speichert unser Hirn derlei Erinnerungen nicht nach Akte xyz in Schublade a, Register 34 ab, sondern nach Art und Stärke der dabei empfundenen Emotion. Dein Bild von der Bergwiese wird also von den möglicherweise sehr angenehmen Erinnerungen begleitet sein, oder eben von deutlich unangenehmen. Je nachdem was du bei, auf dieser Bergwiese empfunden hast.
Damit ist aber jede Begrifflichkeit, jedes Bild unserer Sprache emotional belegt. Darüber hinaus beschreiben manche Bilder Situationen, ähnlich einem *.gif-Format. Bei einem Begriff wie Unfall laufen dann vielleicht ganze Situationsfolgen aus unserem Erleben ab. Zusammen mit den Emotionen.
Üblicherweise fällt uns dies im täglichen Erleben kaum auf. Ähnlich wie uns das Reiben der täglichen Kleidung auf der Haut nicht mehr auffällt. Wir gewöhnten uns dran. Anders ist es jedoch, wenn wir eine mehr oder weniger kleine Schramme auf der Haut haben. Dann wird uns das Reiben der Kleidung nur zu oft an eben dieser Stelle unangenehm bewusst. Mit unserer Gefühlswelt ist dies sehr ähnlich. Bin ich in der Vergangenheit gefühlsseitig verletzt worden, wird bereits ein leichtes Reiben der täglichen Kleidung als schmerzhaft empfunden. Wenn ich zum Beispiel in der Vergangenheit mit unberechtigten Schuldzuweisungen malträtiert wurde spült das Wort, dessen Betonung u. U. das Ganze wieder hoch. Ebenso die entsprechenden, manchmal recht heftigen Reaktionen.
Apropos Reaktion: Mein Widerspruch gegen deine Ausführungen wurde mit den Worten Ich teile dies nicht eingeleitet. Mal angenommen, ich hätte statt dessen mit Eey Alder, da verzählste aber voll den Humbug! begonnen? Was meinst du, hätten wir eine Basis für ein Gespräch, eine Diskussion auf Augenhöhe gefunden?
Auch Begriffe wie Unwissenheit ( ... ) stellen ähnlich Klippen dar. Von vielen wird der Begriff mit Dummheit und damit dem Gefühl der Herabwürdigung verknüpft, auch wenn sie tatsächlich nicht miteinander zu tun haben.
Bei Vorgenanntem handelt es sich um Fettnäpfchen denen ich selber täglich beruflich auszuweichen habe. So haben (provokant formuliert) meine beruflichen Auftraggeber grundsätzlich kein Problem bei dem sie wegen Betriebsblindheit externe Hilfe benötigen, sondern stehen vor privaten und/oder betrieblichen Herausforderungen, bei denen die Unterstützung externer Fachleute schneller zu Lösungsansätzen führt.
Zitat von Hotin: Deshalb, ja, ich finde, an meiner täglichen Zufriedenheit und meiner gelegentlichen Unzufriedenheit bin ich fast
immer selbst Schuld So empfinde ich das.
In meinem Sprachgebrauch bis du für deine Zufriedenheit auch durchaus verantwortlich. An deiner Unzufriedenheit aber auch selber schuld!
Zitat von Hotin: Ok, also noch einmal. Welchen Begriff können wir dann verwenden, damit nicht noch mehr Angst aufgebaut wird, sondern
sich jemand zur Sachlichkeit öffnen kann.
Einen einzelnen Begriff kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Auch stolpere ich nahezu täglich über Begrifflichkeiten, die ich selber noch nicht in meine Rechnung einbezog. Ich versuche dem einfach zu begegnen indem ich manche Begriffe einfach prüfe.
Auch wird der Begriff Schuld in unserer Gesellschaft einfach zu inflationär benutzt. Und dies nur zu oft um die tatsächlichen Ursachen unangetastet zu lassen.
Nachdem du bereits Abendschein erwähntest:
Zitat von Abendschein:Wenn jemand Angst vor einem Hund hat und wird dann von ihm gebissen. Wer hat Schuld? Mensch Tier oder die Angst?
Zugegeben provokant: Keiner!
1. Um schuldig zu sein, müsste der Hund in der Lage sein, Verantwortung für eine Schuld zu erkennen. Gleiches gilt für die Angst.
2. Der Hund handelt instinktiv; erkennt die Körpersprache des Menschen und 'ordnet' ihm die Position im Rudel zu, die ihm angemessen erscheint. Respektive versucht das Gefährdungspotential aus dem Bereich des Rudels zu vertreiben.
Zitat von Enten:Der Hundehalter
Die Verantwortung, jo. Kommt er auch versicherungsrechtlich nicht drum herum.
Aber auch Schuld? Sofern er den Hund nicht zum Beißer erzog?