Zitat von GastB:Das heißt doch, dass du selber auch nicht immer sofort antwortest?
Und auch nur, wenn du Zeit und Lust dazu hast?
Ich glaube, ich habe mich hier nicht klar genug ausgedrückt: Nehmen wir einmal an, jemand ruft an um einfach so zu quatschen... dann reden wir am Telefon, und beim nächsten Mal rufe ich an... das kann wenige Tage später sein oder manchmal ein paar Wochen dauern. Für ein langes Telefonat habe ich nicht immer die Zeit. Wenn es aber um das Beantworten einer kurzen E-Mail oder SMS geht, lasse ich mir garantiert nicht wochen- oder gar monatelang Zeit. Ich finde es schon merkwürdig, wenn mir jemand erst nach einer Woche auf eine SMS zurückschreibt, deren Inhalt aus gerade mal einem Satz besteht. Und niemand kann mir erzählen, er hätte ´ne ganze Woche keine Zeit gehabt um einen kurzen Satz ins Handy zu tippen...
Zitat von GastB:Zum anderen kann es auch am unterschiedlichen Bildungsgrad deiner Bekannten liegen. Wie du selber sagst, sind deine deutschen Bekannten gebildeter als die anderen. Akademiker sind wohl grundsätzlich etwas distanzierter - u.a. weil sie, selbst wenn sie anscheinend nichts zu tun haben, immer über irgendwas nachdenken, und sei es über ihr Leben , oder sich mit irgendetwas beschäftigen, wie Lesen. (Das soll jetzt bitte von den hier lesenden Nicht-Akademikern als Angriff verstanden werden!)
So kommt mir das auch vor. Alle haben ständig eine ganze Menge zu tun. Es ist nicht so, dass ich mich langweile und nichts zu tun habe, ganz im Gegenteil. Ich gehe zur Arbeit, studiere nebenbei, schmeiße meinen Haushalt, kaufe ein, habe manchmal Arzt- und Behördentermine, pflege meine Interessen (Sport, Lesen, Musik hören, Zeichnen usw.), besuche meine Familie, aber im Unterschied zu vielen anderen Leuten hat für mich der Kontakt mit Menschen eine weitaus höhere Priorität. Es gibt Tage, an denen ich schlicht und einfach müde bin und nicht den Nerv habe, um irgendwelche Pflichten zu erledigen. Ich habe schon lange das Gefühl, dass viele Leute hier in Deutschland nur von einer Verpflichtung zur nächsten rennen und so gut wie keine Freizeit haben. Das macht mich traurig, denn das wäre kein Leben für mich.
Zitat von GastB:Außerdem ist es wohl wirklich so, dass Südländer etwas kontaktfreudiger sind als Nordländer. Liegt wohl am Klima, am vielen Draußensein und der Art, wie sie erzogen werden. In Deutschland wird z.B. Körperkontakt, also gelegentliches Anfassen oder Antippen, v.a. unter gebildeten Leuten normalerweise erst toleriert, wenn man sich schon gut kennt, wenn überhaupt. Vielleicht liegt es aber auch bei den Südländern am Bildungsgrad, k.A.
Das hat mir in der Vergangenheit schon mehrmals zu schaffen gemacht. Körperkontakt ist für mich keine außergewöhnliche Sache, das gehört halt irgendwie dazu. Ich akzeptiere es, wenn manche damit nicht klar kommen und zwinge es niemandem auf... aber verstehen werde ich es wohl nie.
Zitat von GastB:Abgesehen davon: Woher weißt du, WARUM sich die Menschen von dir zurückziehen?
Wenn sich jemand völlig zurückzieht, höre und lese ich von dieser Person gar nichts mehr... aber ich rede mit anderen Leuten darüber und musste mir schon mehrmals anhören, dass viele Menschen sich unter Druck gesetzt fühlen, wenn man ihnen häufig regelmäßig antwortet. Sie glauben dann ich würde dasselbe von ihnen erwarten, bekommen ein schlechtes Gewissen und ziehen sich lieber zurück, bevor sie mich enttäuschen. Das ist aber ein Missverständnis. Doch die Menschen in der heutigen Zeit schleichen sich lieber feige davon anstatt ganz offen anzusprechen, was ich anders machen könnte.
Zitat von GastB:Ich finde es aber völlig in Ordnung, dass man für andere nicht immer verfügbar ist und nicht alles andere fallen lässt, wenn ein Bekannter anruft. Wenn ich gerade koche oder einen spannenden oder gefühlvollen Film sehe oder eine gute Freundin da ist, die selten kommt o.ä., dann telefoniere ich doch nicht währenddessen mit einer Bekannten! Höchstens nehme ich ab und sage, dass es jetzt gerade nicht geht.
Was das Thema Verfügbarkeit angeht, habe ich mir schon vor Jahren ein anderes Verhalten antrainiert. In meiner Familie wurde ständige Verfügbarkeit erwartet, das gilt auch für die südländischen Freunde meiner Eltern. Meine Mutter z. B. nimmt ihr Festnetztelefon ständig mit, z. B. wenn sie das Bad putzt, wenn sie bei Nachbarn einen Kaffee trinken geht, und auch beim Essen und Schlafen liegt es ständig neben ihr. Und wenn sie Besuch hat, geht sie natürlich auch immer ran, wenn es klingelt. Es könnte jederzeit ein Notfall auftreten, meint sie dazu. Für mich war das früher immer normal, für alle Menschen aus meinem Umfeld rund um die Uhr verfügbar zu sein. Als ich merkte, dass andere Leute manchmal bewusst nicht auf mich reagierten, war ich sehr verärgert und habe eines Tages beschlossen, es ihnen gleich zu tun.
Meiner Ansicht nach kommt es drauf an, was ich gerade mache. Wenn ich z. B. koche und meine Mutter mich anruft, gehe ich ran und sage ihr, dass ich sie nach dem Essen zurückrufe. Wenn ich unter der Dusche bin, renne ich sicher nicht aus dem Badezimmer um ans Telefon zu gehen (meine Mutter würde das machen). Aber ich finde es merkwürdig, wenn ich jemanden anrufe und die Person nicht rangeht, weil sie gerade in ein Buch vertieft ist. Ich lese auch gern und viel, aber ein Buch läuft doch nicht weg. Ich kann doch nach dem Telefonat weiterlesen, wo liegt das Problem?
Ich mache auch Unterschiede zwischen Freunden und Bekannten, das hätte ich besser zum Ausdruck bringen können. Auch meine Freunde sind lieber mit sich alleine als in Gesellschaft. Irgendwie gerate ich ständig an Leute, die solche Aussagen machen. Wenn ich wochenlang mit niemandem richtig kommunizieren kann, fühle ich mich unwohl. Daran ändern auch die ganzen Aktivitäten nichts, die ich mit Freude ohne Gesellschaft ausüben kann. Und darum suche ich mir auch bewusst eine Vielzahl an Kontakten, damit sich mein Bedürfnis nach Nähe nicht auf eine oder ganze wenige Personen verteilt. Nur hat man eben nach einer gewissen Zeit seine Favoriten und würde gerne mehr Zeit mit diesen Menschen verbringen, und wenn man sich irgendwann nicht mehr unter Kontrolle hat und die Mails im Laufe der Zeit immer schneller beantwortet, sind die Leute von heute auf morgen weg.