du gibst dir häufig so viel Mühe, dass man bzw. ich gar nicht anders kann, als sich für deine Zeilen Zeit zu nehmen. Deine Ratschläge helfen mir weniger - und das ist jetzt nicht abwertend gemeint, sondern beruht auf eigenen Erfahrungen, die ich in ähnlicher Form machte. Dafür finde ich deine eigenen Erfahrungen um so hilfreicher und interessanter. Mit Ratschlägen ist das immer so eine Sache: Man kennt die andere Person ja nicht, und wenn dann jemand kommt (du jetzt nicht) und so einen Spruch bringt wie Schaff dir einen Hund an, dann kommst du mit anderen in Kontakt (schon erlebt), dann ist das im Grunde eine ziemlich triviale und dumme Aussage und für den Betroffenen nicht hilfreich, solange man nicht genug über ihn weiß - zumal er sich so einen tollen Tipp sicherlich auch selbst denken könnte.
Deine Krankheit ist krass - ich weiß sonst keinen anderen passenden Begriff dazu. Beim Lesen deiner Tortur wurde mir ganz anders, und ich erinnerte mich an einen Verwandten von mir, der im Ausland lebt und drohte, auf dem anderen Auge blind zu werden (auf dem einen ist er schon halb oder ganz blind, soviel ich weiß). Er hatte aber noch Glück im Unglück, weil ein neuartiges Medikament erprobt wurde und er sich als Versuchsperson zur Verfügung stellte. Das Mittel wurde ihm lt. meiner Mutter mehrmals ins Auge gespritzt, und seitdem geht es ihm nach letztem Wissensstand deutlich besser.
Es ist für mich manchmal schwierig, die passenden Worte zu finden, aber ich wünsche dir von Herzen, dass sich dein Zustand bessert, zumindest aber nicht weiter verschlimmert, und ja vielleicht ein Wunder geschieht - das soll es ja hin und wieder geben.
Für viele Menschen bist du mit deinem Schicksal sicherlich ein strahlendes Vorbild, weil du stark bist und nicht aufgibst, gerade in so einer Situation.
Ich empfand mich in der Schule auch meist als viel reifer als andere, und am Ende wurde ich immer zum Außenseiter. So fühle ich mich heute auch.
Mit Körpersprache habe ich mich früher auch mal beschäftigt. Da gibt es doch so einen Spezialisten, Sammy Molcho oder so ähnlich, der damals auch häufig in Sendungen eingeladen wurde.
Ich sage mir immer noch, dass sich so mancher in meiner Situation früher mit Dro. vollgepumpt oder mit Alk. vollgelaufen lassen hätte. Spaß war ein Fremdwort für mich, ich war ein psychischer Krüppel, zutiefst einsam und mit Ängsten überlagert. Und das ist eine ganz nüchterne Betrachtung.
Logisch, dass diese Zeit nicht spurlos an mir vorübergegangen ist bzw. vorübergehen konnte. Negative Erfahrungen und Gefühle verschwinden leider nicht einfach, sondern setzen sich fest und beeinflussen somit auch die Zukunft.
Dass du trotzdem froh bist, dass es so ist, wie es ist, kann ich in gewisser Weise nachvollziehen. Wie du schon sagtest, denkt man aufgrund eigener leidvoller Erfahrungen viel nach - und das mehr als andere, die nicht so ein Schicksal haben.
Mir ist schon klar, dass man durch daheim rumsitzen keine Freunde findet und etwas von sich preisgeben muss, damit andere einen erkennen können. Aber es ist nicht so, dass ich nie versucht hätte, aus meinem Loch herauszukommen. So habe ich mindestens sechs Therapien gemacht und vor sehr vielen Jahren z. B. eine Selbsthilfegruppe für Sozialphobiker gegründet, in der ich mir häufig wie das fünfte Rad am Wagen vorkam. Ab und zu unternahmen wir Wanderungen, und die zwei Leute, die mit mir den festen Kern der Gruppe bildeten, ergänzten sich aufgrund ihrer philosophischen Interessen ganz gut - ich fühlte mich entsprechend schlecht, weil mich das Ganze gar nicht so interessierte.
Einmal waren wir im Kino, und ich fühlte mich derart beschissen, dass ich am liebsten abhauen wollte. Trotzdem wollte ich mir nichts anmerken lassen und schaute demonstrativ überall anders hin, nur nicht in Richtung der beiden. Ich hatte auch das Gefühl, als ob es ihnen egal wäre, wie ich mich fühlte, ja, als ob es ihnen egal wäre, dass ich überhaupt gekommen bin. Jedenfalls kamen hierbei meine Minderwertigkeitskomplexe voll zur Geltung.
Bei der einen Person hat es mich gestört, dass ich immer seine Gedichte anhören konnte, die er selbst geschrieben oder von bekannten Dichtern aus dem Kopf rezitiert hat.Ich will nicht nur immer andere Leute bewundern bzw. bestaunen und selbst kein Gehör finden; das Gefühl haben, nur als Zuschauer oder Zuhörer zu agieren - in jeglicher oder vielfacher Hinsicht. In so einer Situation komme ich mir häufig vor wie ein Bewunderer, der dem Akteur Beifall zollen soll.
Deine Denkweise habe ich mir schon früh zueigen gemacht - jenes LMAA-Gefühl, das aber seine Grenzen da findet, wenn es ernst wird und sich zeigt, ob man diese Einstellung auch in der Praxis anwenden kann. Ja, mir ist es egal, was andere über mich denken, aber infolge meiner massiven Ängste und Depressionen ist es mir paradoxerweise offenbar wohl doch nicht so egal, und ich bin in gewisser Weise von anderen abhängig - sonst hätte ich ja kein Problem damit, z. B. in der Öffentlichkeit vor vielen anderen Menschen einen Tee aus einer Tasse zu trinken.
Was du geschrieben hast in punkto Bestätigung und Freunde - je mehr du davon fandest, desto mehr hast du erkannt, dass es egal ist, was andere denken: An diesen Punkt muss ich erst mal gelangen. Und das geht nur, wenn man etwas von sich preisgibt, wie du ja auch mitgeteilt hast.
Ich bewundere dich ob deiner Stärke und hoffe, dass ich es mal so weit bringe wie du.
Sich selbst was einreden... Vor zwei Jahrzehnten habe ich es mit Suggestions-Kassetten probiert und war total euphorisch, weil ich mir davon so viel erhoffte: Angstfreiheit, tief und erholsam schlafen. Aber die Euphorie wurde recht schnell getrübt, denn der erhoffte Erfolg stellte sich nicht ein. Auch Hypnose-Kassetten mit subliminalen Botschaften halfen mir nicht. Naja, vielleicht sollte ich mal wieder einen Test starten...
Du bist ja sehr aktiv. Eine solche Aktivität, die vergleichbar deiner wäre, kann ich mir momentan nicht im Geringsten vorstellen. Klavier spielen kann ich jetzt nicht, ich mache Musik am und mit dem PC, also elektronisch. Und doch wäre die Wiederaufnahme dieses Hobbies von mir sicherlich besser, als meine Zeit in Chats zu verbringen und vergeblich auf Selbstbestätigung zu hoffen.
Mich jeden Morgen anlachen und sagen, dass ich mich so mag, wie ich bin. Gut, ich kanns ja mal probieren, schaden wird es wohl nicht. Duschen tu ich morgens aber nie.
Es war wieder sehr interessant, deine Gedanken zu lesen.
Dir auch alles Gute und bis demnächst,
Loneman
09.08.2009 16:10 • #21