Hallo Emily,
mir ging und geht es ziemlich ähnlich, darum hoffe ich, das auch noch andere Antworten kommen
und nicht so sehr das festgefahrene / Problem dann so im Vordergrund steht.
Mit meinen Schulfreunden fing es bei mir auch so an, dass sie sich fremder anfühlten, die Gespräche
anstrengender. Die eine kam immer ne halbe Stunde zu spät wenn wir uns mal getroffen haben, und die
Werte veränderten sich.
Als großen Bruch empfand ich, wenn die anderen eine Partnerschaft anfingen und später Kinder, da sind
halt die Prioritäten andere. Ich hab auch das Gefühl, so ne Partnerschaft ist das ist erstmal meins, dann kommt
lange lange nix.
Mir wars dann zu blöd, an Prioriät 10 zu kommen irgendwo dazwischen und irgendwie fehlte so das akute
Interesse, die Herzensbindung.
Später war ich dann so in Selbsthilfegruppen weil ich auch Probleme zu verarbeiten hatte, null Rückhalt
in der Familie und ich war in Ehrenämtern und hier und da hab ich wieder Leute kennengelernt.
Das meiste hielt auch ein paar Jahre, bis sich irgendwann wieder einer entwickelte, wegzog, Partnerschaft
anfing und das Interesse nicht mehr so ganz gleich war.
Manchmal hab ich mich sehr verbogen, um überhaupt mit jemandem klar zu kommen, der greifbar war;
eine Arbeitskollegin war wie versessen, mit mir jeden Tag zu telefonieren und mich jedes Wochenende einzuladen, sie war auch nett, aber halt irgendwie besessen, und ein offenes Wort, was ich denn gerne möchte, wie ich ticke,
war einfach nicht möglich. Sodass ich das ein oder andere auch selber beenden musste.
Im Moment weiß ich selber nicht genau, wo wieder anfangen.
Wenn ich auf offene Leute treffe, letztens saß eine Psychologiestudentin neben mir im Zug, die war neugierig,
stand noch so suchend im Leben, da ist alles ganz einfach, die Leute sind noch sehr offen und es finden sich Kontakte.
In meinem Alter so Ü40 empfinde ich vieles als festgefahren irgendwie, da ist dann schon ein Lebensplan
mit wenig Spielraum bei den meisten.
Ich war damals in den Selbsthilfegruppen oder Ehrenämtern auch eher mit älteren zusammen, und die hatten halt schon lange ihre Familien, Campingausflüge, Enkel ect, wenn man nicht so gesettlet ist , fühlt man sich auch wie so ein Alien, was nichts und niemanden hat.
Wobei ich denke, Leute um die 30 müssen alle Energie in die Familie stecken, Leute um 50 und älter sind für andere dann auch eher wieder offen.
Ein Kollege von mir, mit dem ich mich gut, ernst aber auch albern unterhalten konnte, meinte ganz direkt: ich suche keine Freunde mehr. Ich hab meine Frau, Hund, Verein, Arbeit, Musik, ich bin total gesättigt. Wenn ich in Urlaub fahre, will ich mich nicht mit Paaren befreunde, und wenn ich versetzt werde, werde ich mit niemandem hier mehr Kontakt halten. (wir hatten keine Erwartungen und konnten offen miteinander umgehen, das war toll, und er war so ehrlich, dass er sagte, wie es ist).
Viele Jahre hab ich auch Selbtserfahrungsgruppen gemacht, die gingen teilweise so eine Woche lang und man
teilte so sein Inneres. Und es wurde sich immer hoch und heilig versprochen, man bleibt in Kontakt.
Aber irgendwann hat der Alltag einen wieder. Der kostet Kraft und Kontakte pflegen braucht Kraft.
Das erlebe ich ja selber auch. Das ist dann zerlaufen.
Als ich vor 9 Jahren einen Partner kennenlernte und wir dann zusammenzogen, war das ja auch wie endlich mal
etwas ankommen, alles nicht mehr so energiezehrend, man wird gemütlicher und die Motivation für weitere
Kontakte sinkt. Die andere Seite der Geschichte.
Bin introvertiert und mich kosten Kontakte sehr viel Kraft. Wenn sie nur so halb passen, und alles am Anfang ist,
dann umso mehr.
Bei Parties bin ich so überflutet, dass ich mich selber verliere und keinen Kontakt herstellen kann und akustisch auch gar nichts mehr verstehe. Das ist für mich nicht mein Gewässer wo ich hingehöre und sein kann.
Jetzt hab ich viel zum Problem gesagt und wenig zum Ausweg. Ist mir selber nicht so ganz klar.
Ich denke: A) Leute treffen die soweit noch offen sind für andere Leute und die nicht nur als
Nebenbeschäftigung sehen zu ihrem sonst schon festen Leben, wo sich auch noch was entwickeln kann.
B) Interessen, die einem liegen, wo man auch entspannt dabei sein kann. Wären bei halt auch keine Parties oder Vereine, vielleicht eher was mit Natur, Tieren, Musik, locker zusammensitzen, essen.
Tja, und dann gibts noch das Internet, das wie Fluch und Segen wirkt.
Man hat Kontakte, die nicht ganz so anstrengend sind, wie im echten Leben, aber es sind halt auch keine
richtigen Kontakte. So ist man dann so halb gesättigt irgendwie.
Vielleicht träge genug, nichts mehr anderes zu probieren.
Ich habe aber meine zwei Bekanntschaften / Freundschaften, die ich jetzt habe, zum Glück ins echte Leben
übertragen können, den einen schon ca 10 Jahre, den anderen 2 Jahre.
Finde es trotzdem beunruhigend, dass von früher nichts mehr geblieben ist und viele Beziehungen sich nach
Jahren zu weit auseinanderentwickelt haben oder schon von Anfang an wenig Potential hatten.
Und sobald für die andere Person ihre echte Priorität kam, war man da kein wichtiger Mensch mehr.
Andere wirken da halt verwurzelter, so auf dem Dorf aufgewachsen, jeder kennt sich, und die Kontakte über
Verein sind noch da. Vielleicht nicht weiß wie tief und mehr so über gemeinsam mal eine trinken, aber immerhin ist da vielleicht eine Vertrautheit.
Langer Text...
Ich drücke dir die Daumen auf jeden Fall, dass du dranbleibst und Glück hast, dass es passt mit ein paar
Leuten und da mehr draus wird. Ich glaub, echte Freunde hat man sowieso maximal eine Handvoll.
Mit zwei oder drei bin ich auch schon sehr zufrieden.
13.01.2020 09:26 •
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