Ich liebe Heavy Metal und mittlerweile auch andere Stile - sogar Beethoven
Früher habe ich die entsprechenden Klamotten mit Stolz getragen: u.a. eine Lederjacke mit Kutte darüber. Kennst Du sowas eigentlich? Mit den vielen Aufnähern drauf und am besten ein bisschen schmutzig - damit es authentisch wirkt, um zu zeigen, dass ich die nicht erst seit gestern hattte und damit es bestimmt nicht so aussieht, als ob Mutti die frisch gewaschen hat, haha.
Ich bin am Wochenende erhobenen Hauptes so in meine Metal-Stammkneipe marschiert. Das war dann vorübergehend mein persönliches Dorf: Nur langhaarige Bombenleger. Habe ich mich verstellt? Angepasst auf jeden Fall. Was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass ich dazugehören wollte. Ich definiere mich teilweise über mein emotionales Bedürfnis nach Musik und über die Gefühle an sich. Die Musik ist Zugang zu und Ausdruck von Gefühlen. Der Stil (Metal, Klassik oder was auch immer) ist eine definierbare, äußere Form, es sind greifbare Rahmenbedingungen, wodurch man musikalisch, emotional besser Stellung beziehen kann. Die Kutte war in meinem Fall auch eine äußere Form innerer Bedürfnisse. Die Kutte war nur ein Textil, die Bedürfnisse darunter dagegen authentisch.
Wenn ich mal in einen anderen, nicht-metal-Laden reinwollte, also eine Dorfdisco aus meiner Perspektive, dann war da meistens ein Türsteher, der mich nicht reingelassen hat. Das hat mich immer sehr zornig gemacht. Ich wollte da hinein, obwohl ich ihre Klamotten und ihre Musik verachtet habe? Komisch. Kann ich gerade selbst nicht einordnen. Jedenfalls: Natürlich war ich zurecht verärgert, wenn mir jemand so deutlich zeigte, dass ich nicht dazugehöre. Aber es war halt nicht mein Dorf, ich hatte mich für ein anderes Dorf entschieden, nämlich die Metal-Kneipe. Und das ist kein Märchen, das ich mir hier zusammenreime, sondern das sind meine persönlichen Erlebnisse. Folglich kenne ich das Problem mit dem Dorf auf meine Weise.
Ich bin authentisch durch meine Bedürfnisse, nicht durch meine Textilien - die sind nur Mittel zum Zweck. Der Zweck ist es, mich wohlzufühlen, ich selbst zu sein. Dadurch nehmen mich andere an oder grenzen mich aus. Ich kann es nicht allen recht machen: Mich für etwas zu entscheiden ist gleichzeitig eine Entscheidung gegen mindestens eine andere Sache. Ich habe die Wahl, und die nimmt mir niemand. Die nimmt mir niemand ab, so dass ich da durch muss... und das ist dadurch gleichzeitig eine große Chance auf Freiheit. Ich habe die Wahl zu grüßen oder eben auch nicht. Gott würde ich vermutlich auch dann grüßen, wenn es ihn nicht gibt Meine Mitmenschen haben genauso die Wahl, ob sie grüßen; und wie könnte ich ihnen diese Wahl nehmen? Ich habe keine Einfluss darauf. Und wenn sie Guten Tag sagen, dann ist das toll, weil sie mich ein Stück weit annehmen. Aber sie sagen nur Guten Tag - sie urteilen damit nicht, ob ich für alle Zeiten ein guter oder schlechter Mensch in ihren Augen bin - sie sagen nur Guten Tag... ich weiß nicht einmal, ob sie mir das ehrlich wünschen, aber warum sollte ich darüber nachdenken? Ich finde es schön, Du fändest das auch schön, denn sonst hättest Du keinen Grund, Dich über ausbleibende Grüße zu beklagen.
Es ist offensichtlich, dass es auch Dein Bedürfnis ist, angenommen zu werden. Du hast geschrieben, dass Du schon eine Menge dafür getan hast. Das stelle ich nicht in Frage. Ich weiß nicht, wie lange es braucht, um in einem Dorf als Zugezogene akzeptiert zu werden, vielleicht wird das niemals der Fall sein. Ich weiß nicht, was man dafür tun müsste. Ich möchte nur betonen, dass es meine Ansicht ist, man darf niemals aufgeben (siehe Eingangsthema). Weder was die elektrisierte Stimmung hier im Moment betrifft, noch was die Dörfler betrifft. Das ist kein Vorwurf, irgendetwas falsch zu machen. Das ist meine Meinung, sind meine Eindrücke. Ich kenne aus eigener Erfahrung das Gefühl großer Ungeduld. Vielleicht schreibe ich dadurch etwas verfrüht diesen Beitrag, aber ich möchte unbedingt diese Gedanken mitteilen, bevor ich gleich zur Arbeit muss.
Alles Gute,
Uli
16.10.2007 06:32 •
#77