Lieber BBrecht,
über Deine Verwandte möchte ich jetzt ganz ehrlich gesagt nicht (auch) noch mit Dir reden. Ob es was bringt, wenn Du Deine Frau, noch während sie in China ist, mit dieser Angelegenheit konfrontierst, kann ich nicht abschätzen; vielleicht brächte ein kurzes: „Hinsichtlich Frau XY möchte ich mit Dir zuhause noch ganz in Ruhe ein paar Worte wechseln“ mehr.
Aha, Du schreibst:
Zitat:Das Genervtwerden -- ansonsten gibt es das auf jeden Fall, wenn ich damit Bekannte und Freunde zu oft behellige. Bis auf meinen Fehltritt mit dieser Verwandten konnte ich das nach anfänglichem Zuvielreden doch einigermassen vermeiden, wie Du schon schreibst, da hätte ich eh nicht den geringsten Trost bekommen, +berhaupt nicht.
*Du* willst Trost – nicht Deine Frau oder Deine Tochter wollen Trost, sondern Du. Wofür? Du wirst – zum Glück – wenige Leute finden, die Deine Panikansichten teilen; das heißt, Du wirst umso mehr finden, die Dir aufzeigen können, daß Du in vielem einfach übertreibst. Deine Schwiegereltern müssen viel richtig gemacht haben – sonst wären sie dort nicht so alt geworden.
Ein gewisses Maß an Trost und Verständnis für Deine *Ängste* brauchst Du in der Tat, denn Du hast es schwer. Aber Du scheinst (ein Stück weit) „Trost“ mit „gewünschter Bestätigung Deiner Ängste“ zu verwechseln. Deine Ängste sollen ja eben – durch Aushalten, wie weniger Scypekontakt – nach und nach schwächer werden, indem Du lernst, widerstandsfähiger zu werden gegenüber Deinen Ängsten, zu unterscheiden: wo ist es okay, Angst zu haben, weil eine Situation wirklich gefährlich ist/gefährlich werden könnte - und wo kann man etwas lockerer sehen!
Anders geht das nicht, fürchte ich! Es ist ein langsamer Prozeß, so wie ich das erlebe; ich muß mich immer wieder von Neuem überwinden, und dann merke ich, daß es mir zunehmend weniger Mühe/Ängste bereitet. Dinge, bei denen ich früher stundenlang grübelte bzw. wegen denen gleich jemanden zur Beruhigung anrufen mußte, nehme ich zunehmend weniger als belastend wahr. Es macht stellenweise schon richtig Spaß, den Ängsten in den Hintern zu treten.
Deine Verwandten haben das Wetter mit seinen „bösesten Überraschungen“ *wie viele*Jahre/Jahrzehnte (gut) überlebt?! Du scheinst Dich als denjenigen mit der höchsten Kompetenz zu sehen – fange an, anderen Menschen zuzugestehen, daß sie mit einer Situation angemessen umgehen können bzw. dies (im Falle Deiner Tochter) lernen dürfen. Wenn Du Dich als den Kompetentesten ansiehst, dann lädst Du Dir automatisch viel zu viel Verantwortung/Druck auf, und das wird Dich daran hindern, Deine Ängste loswerden zu „dürfen“. Du magst mit Deinen Verwandten nicht gut auskommen – aber Du solltest ihnen zugestehen, daß sie doch Deiner Frau und Tochter nichts Böses wollen und sich mit Land und Wetter etc. auskennen.
Und den Whiskey solltest Du gleich mal entsorgen, denn: Wie handlungsfähig wärest Du mit Whiskey im Blut? Du dürftest noch nicht mal Autofahren! Womöglich wirst Du irgendwann auch noch Alk. aus Angst/um Deinen Ängsten zu entfliehen, wenn Du nicht aufpaßt – so, wie andere (illegale) Dro. nehmen, um den Alltag besser zu überstehen; das ist keine Lösung, kapier das mal! Du machst Dich *noch* handlungsunfähiger für potentielle kritische Situationen!
Die Unterstützung könntest Du z. B. bei Eltern von Schulkameraden Deiner Tochter finden, denen Du zutraust, daß sie nicht total superleichtsinnig sind, das heißt, in Deinen Augen: kompetent. Denen könntest Du sagen, daß Du in vielem/manchem überängstlich reagierst, was Deine Tochter angeht; wie sie in der und der Situation handeln (würden). (Bei einem Elternabend könntest Du Dir ja ein näheres Bild machen, wer für so ein Gespräch evtl. in Frage käme.) (Natürlich sollten da die Kinder dieser Leute weder anwesend sein noch es den Kindern der Familie weitererzählt werden; das könnte sonst irgendwann tierisch peinlich für Deine Tochter werden, wenn das weitergeredet werden würde.)
Ansonsten: von Hausarzt Dich an Psychotherapeut(in) weitervermitteln lassen! (Du kannst auch erst mal – meines Wissens – stationär anfangen; dann bist Du erst mal von „Krisenherd“ weg, auch wenn es dann bis zum ersten psychologischen Gespräch länger dauern kann.) Vergeude keine weitere Zeit und wiege Dich nicht in Sicherheit, weil Deine Lieben bald wieder zuhause sein werden; Deine Ängste werden dann erst mal Ruhe geben – bis zum nächsten „Streßfaktor“ (wenn Dein(e) Schwiegervater/-mutter stirbt, z. B. und Frau und Tochter wieder nach China gehen). Besser, Du nutzt Deine jetzigen scheußlichen Erlebnisse mit Deinen Ängsten als Startschuß, zu lernen, in Zukunft besser mit ihnen umzugehen.
Deine Tochter, Deine Frau und Du, Ihr werdet sehr viel besser ohne Deine übermäßigen Ängste auskommen. Je früher Du handelst, desto besser. Rechne Dir mal aus, wie viel kostbare Lebenszeit durch Deine übermäßigen Ängste vergeudet (es gibt kein schöneres Wort dafür) wurden! Diese Zeit wirst Du nie wieder zurück bekommen! Weder kannst Du in dieser Zeit was Schönes mit Deiner Familie machen noch für Dich selbst!
Statt „weiterzumachen“ mit „Ich will Trost = Bestätigung, daß ich mit meinen Panikreaktionen richtig liege (und die anderen Leute falsch)“ suche Dir Leute, die Dir helfen, eine gesündere Sicht auf (potentielle) Gefahren zu bekommen; sonst könnte es mal irgendwann wirklich sein, daß Du Deiner Tochter ungewollt schadest – z. B., indem sie nämlich selbst eine Angsterkrankung ausbrütet! (Bei mir hat das sich erstmalig mit 13 kurz gemeldet, und mit Anfang 20 ging es richtig los! Und ich habe meinem Vater im Laufe der Zeit sehr, sehr, sehr viele Vorwürfe gemacht wegen seiner übermäßig beschützenden Erziehung hinsichtlich mir!)
Zitat:Es sind nun noch 5 tage plus der Abflugtag und der Rest von heute.
5 ½ Tage, die Du Deinen Ängsten zum Fraß vorwirfst! In denen Dich nur Gedanken wie „dann sind sie wieder da, dann sind sie wieder in Sicherheit!“ widmest bzw. Angstgedanken.
Morgen ist Wochenanfang: Rufe da gleich mal Deinen Hausarzt an, mach einen Termin, laß Dir ein paar PsychotherapeutInnen in Deiner Nähe nennen; kontaktiere ein, zwei von denen so schnell wie möglich. Entsorge den Whiskey (nicht in den Mund!). Rufe ein paar Freunde an, die Deine Ängste nicht teilen, aber mit denen Du (noch) gut klarkommst und verabrede Dich mit ihnen (für nach China). Reduziere Deine Scype-Kontakte zur Tochter (teil ihr das aber vorher mit, daß Du sie weniger kontaktierst) auf ca. zwei Mal pro Tag. Das sind alles Dinge, die Du tun kannst.
Alles Gute.
Meise
[Habe nochmal kurz editiert.]