Hallo hsvman,
Du machst Dir Sorgen um Deine Tochter und bist verunsichert, wie Du ihr Verhalten einschätzen sollst. Das ehrt Dich als Vater und zeigt auch, dass Du Dich verantwortlich fühlst und Deine Tochter lieb hast. Du siehst hin und nicht weg.
Es ist bei Kindern (zu dem ich nicht weiß, wie alt Deine Tochter ist) schwieriger als bei Erwachsenen, eine depressive Entwicklung festzustellen. Es löst auch m.E. kein einziges Problem - außer dass man selbst etwas sicherer in der Einschätzung des anderen wird - dem Verhalten Deiner Tochter ein Etikett zu geben.
Wenn Deine Tochter häufiger so reagiert, wie Du es schilderst (also z.B. häufig weint, eher unglücklich wirkt oder sich immer mehr verschließt), dann zeigt dies auf jeden Fall, dass sie in Not ist und nicht mehr kindgemäß mit ihrer Lebenssituation zurechtkommt.
Wir wissen, dass die Situation für Kinder von depressiven Müttern, ohne dass die das wollen, sehr belastend ist. Die Kinder erhalten häufig nicht die positive Aufmerksamkeit und die emotionale Unterstützung, die sie brauchen, weil depressive Menschen dies einfach nicht leisten können, obwohl sie es gerne wollten. Kinder entwickeln dann häufig eine unsichere Bindung und ziehen sich immer mehr zurück. Oft glauben sie auch in ihrem noch magischen Denken, dass sie daran schuld sind, wie es den Eltern geht.
Also, Du solltest die Anzeichen auf jeden Fall ernst nehmen und musst als Vater, so gut Du kannst, auch vieles kompensieren, was Deine Frau als Mutter nicht so geben kann. Unternimm viel mit Deiner Tochter, spiele mit ihr, kuschele mit ihr, rede mit ihr über die Krankheit ihrer Mutter und vermittele ihr immer wieder, dass sie dran keine Schuld trägt. Sorge dafür, dass sie viel Kontakt zu anderen Kindern und gesunden Umwelten hat (Sportverein, Pfadfinder, Kindergruppen o.ä.)
Versuche Deiner Frau zu helfen, dass sie eine Therapie macht. Das wäre das beste für Euer Kind.
Wenn Deine Tochter weiterhin solche Anzeichen zeigt und Du nicht mehr an sie heran kommst, suche professionelle Hilfe für sie. Hier würde ich Dir eine Psychologische Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern oder eine Psychotherapeutin für Kinder- und Jugendliche empfehlen. Ich denke, dass auf jeden Fall eine Frau als Therapeutin sinnvoll wäre, damit Deine Tochter auch ein anderes Modell Frau kennen lernen kann. Auch ein familientherapeutischer Ansatz kann hilfreich sein.
Interessant für Dich können eventuell auch folgende Bücher sein:
Warum kann Michael nicht weinen? Depressionen bei Kinder ( rororo sachbuch) von Donald H. McKnew (Autor), Leon Cytryn (Autor), Herbert Yahraes und Hilfen für depressive Kinder. Ein Ratgeber (Taschenbuch)
von Lawrence L. Kerns (Autor), Adrienne B. Lieberman (Autor)
Ich hoffe, dass Dir meine Ratschläge etwas weiterhelfen und wünsche Dir, Deiner Frau und Deiner Tochter trotz der schwierigen Phase, in der Ihr Euch alle befindet, alles Gute.
Herzlichen Gruß
Bernd Remelius