Tosch
So oder so ähnlich kann man das nennen. Meine Zeugung war völlig ungeplant, die Schwangerschaft unerwünscht und als Kind war ich so ungewollt wie ein Hundehäufchen unter der Schuhsohle.
Kindheit und Jugend verbrachte ich mit dem Wissen, dass egal was ich mache, sowieso Alles falsch ist. Ich musste mir ständig vorwerfen lassen dass ich existiere, eine Belastung bin. Und natürlich dass ich Geld koste. Selbst meine insulinpflichtige Diabetes, die ich im Alter von 5 bekam, warf man mir vor.
Mein Bruder dagegen war der Traumprinz meiner Mutter. Er wurde gefordert schulisch, bekam sein Leben lang den Hintern nachgetragen und da ich das mit ansehen musste kann ich so ehrlich sein und sagen: Ich hasse ihn heute noch dafür.
Mein Vater war ein Säufer, schwer aggressiv und finanziell mittellos. Der Vater meines Bruders dagegen war finanziell recht gut dabei. Und das war eins der Dinge die für meine Mutter zählten: Geld.
Ich habe mich mit Mitte 30 von meiner Familie gelöst, es war ein schwerer Weg mich aus der Gedankenwelt zu befreien, dass ich es bin, die falsch ist. Eine 13 Jahre lang andauernde Beziehung zu einem Mann (ich war nie ein Kind von Traurigkeit früher was Männer angeht, aber diese Beziehung war die längste und auch die prägenste) hat dann noch mal in genau die selbe Kerbe gehauen denn diese Beziehung war toxisch. Knapp zwei jahre habe ich gebraucht um das zu verarbeiten.
Ich selbst kann mich heute annehmen und mich lieben. Ich bin jetzt 46. Aber ich fühle mich immer unerwünscht. Auch jetzt, beim schreiben. Da tauchen Fragen auf. Fragen wie, was ist, wenn ich mich mit dem Text blamiere ? Was ist, wenn ich andere Menschen damit so abschrecke dass ich nicht mehr her kommen darf ?
Meine soziale Phobie steht mir öfter mal im Weg. Beim Zug fahren zum Beispiel. Dann habe ich so Angst vor den Mitmenschen, dass ich mir einrede, dass ich ja gar nicht fahren will und es Zuhause ja auch schön ist. Heute musste ich bestellte Fotos im Dro. Markt abholen. Technisch kein Problem. Aber ich hatte Zuhause zwei Stunden auf mich eingeredet dass die Frau an der Kasse mich nicht merkwürdig finden wird. Und genau so kam es dann auch. Hinterher war ich völlig irritiert weil ich mich selbst schon wieder zwei Stunden selbst blockiert habe. Zwei Stunden meiner wertvollen Lebenszeit habe ich mit sowas verbracht.
Ich wollte mal fragen, ob es hier noch andere Menschen gibt, die als Kind fühlen mussten unerwünscht zu sein. Wenn ja, wie geht Ihr damit um ? Wo schränkt es Euch in Eurem heutigen Leben noch ein ? Sind Depressionen, Bindungsängste oder Angststörungen eine Folge ? Habt Ihr Selbstbewusstsein entwickeln können ? Wie schaut es aus mit Beruf oder Ausbildung ?
21.01.2023 20:46 • • 04.02.2023 x 6 #1