@Saina91
Ich finde dein Thema hier gut und interessant.
Ich empfinde schon seit etlichen Jahren genauso wie du.
Ich war zwar schon immer ein Gerechtigkeits-Fanatiker, aber erst die letzten Jahre brach das mehr und mehr durch und hat irgendwie auch einen Anteil an meiner psychischen Erkrankung bzw. zumindest dem depressiven Teil darin.
Eine Therapeutin meinte mal zu mir: Herr .... sie machen sich zu viele Sorgen um die ganze Welt. Sie sind ZU MORALISCH. Der markierte Begriff blieb mir seitdem ziemlich im Kopf hängen.
Ich konnte die Bilder im TV vom Ukraine-Krieg z.B. irgendwann nicht mehr ertragen.
Ich konnte manche Leute aus dem Umfeld damals nicht ertragen, welche Putin auch irgendwie verstehen konnten oder der Meinung waren, dass es für uns hier besser gewesen wäre, wenn die Ukrainer sich einfach ergeben hätten.
Ich hatte aber auch schon zur Corona-Zeit massive Probleme mit dem Thema Ungerechtigkeit und den Sichtweisen von einigen Leuten. Rücksichtslosigkeit und Egoismus waren bei dem Thema damals die Dinge, die mich so traurig machten.
Aber auch schon vor Corona und Ukraine-Krieg hat es mich wahnsinnig gemacht, dass die Schere zwischen arm und reich in unserem Land auch immer weiter auseinander geht.
Klima ist nun zur Zeit das Thema, was mir am meisten Sorgen macht. Auch dort werden wir Menschen dazu neigen, dass diese Last nicht gerecht verteilt wird bzw. dass es eh wohl schon zu spät ist, um das Ruder noch herumzureißen.
Von dem Drama in Israel seit Kurzem brauchen wir gar nicht reden.
Wenn ich so zurückdenke auf das alles bzw. habe es ja in den Therapien gemacht, dann merke ich, dass ich damals sehr sehr oft aggressiv, grantig, aber auch traurig war auf diese Art der Welt, wie wir sie mittlerweile haben.
Ich kann dir nur schreiben, was mir etwas geholfen hat.
Das Vermeiden von Nachrichten wurde hier schon gut angesprochen.
Die Nachteile der digitalen Welt, in der mittlerweile die meisten von uns gefangen sind durch Smartphone und Co (ja, man muss es wirklich so sagen) sind eben, dass wir zu viel Input bekommen, ob wir es wollen oder nicht. Früher war auch vieles schlimm und ungerecht, aber wir bekamen es nicht so mit.
Man muss sich da wirklich aktiv bemühen, Medienkonsum von sich fernzuhalten, wo es nur geht bzw. zumindest in diesen Richtungen (Nachrichten usw).
Auch würde ich Diskussionen im Bekannten- oder Freundeskreis sein lassen in Bezug auf solche Themen. Das war bei mir im Jahr 2021 ganz extrem in der Arbeit oder auch Freundeskreis. Es gab da richtig Streit.
Das wühlt psychisch unfassbar auf und trägt zu unseren Erkrankungen bei.
In Therapien habe ich gelernt, andere Meinungen zu akzeptieren. Ich muss sie weiterhin nicht teilen, aber ich habe gelernt, wie folgt zu denken: Jeder Mensch hat andere Lebenserfahrungen, andere Prägungen usw.
So gesehen kann keiner zu 100% selbst etwas dafür, dass er so ist und denkt, wie er ist. Selbst der verwöhnte, reiche Sack oder das rücksichtslose A...loch ist zum großen Teil so, weil die Eltern oder sein bisheriger Lebensweg ihn so gezeichnet haben. Es ist nicht alles Zufall im Leben, aber der Zufall spielt eine viel größere Rolle, als manche denken. Man landet nicht in dem oder dem Charakter oder der oder der Einstellung, weil sich jeder einfach so aktiv und bewusst dafür entschieden hat.
Mit der Einstellung oder Erkenntnis gelingt es mir mittlerweile sogar, bestimmte Politiker im TV zu ertragen, bei denen ich früher an die Deck gegangen wäre.
Eine weitere Erkenntnis half mir auch: Es muss leider immer eine gewisse Ungerechtigkeit auf der Welt geben, immer...wäre es anders, würden wir Menschen nicht mehr verstehen oder erkennen, was gerecht und gut ist. Es ist leider das Ying und Yang, das immer nötig ist, so traurig es auch ist.
Du hast völlig richtig geschrieben, dass es sehr wichtig ist (am besten jeden Tag!) dankbar zu sein, wie gut es uns geht und was wir alles haben. Viele haben das verlernt. Das ist auch ein Grund, warum in unserem Land mittlerweile an jeder Stelle herumgejammert wird, dass es manchmal nicht mehr auszuhalten ist. Die vernünftige Referenz ist völlig aus den Bahnen gekommen hat man manchmal das Gefühl. Aber das ist menschlich. Wenn es einer Gruppe in einem Pool im Schnitt sehr lange sehr gut geht bzw. immer besser (viel Wohlstand etc), dann steigen die Erwartungen immer weiter an. Je weiter ganz unten und ganz oben auseinander gehen, umso mehr fühlen sich die Unteren schlecht, obwohl es ihnen objektiv gesehen (z.B. im Vergleich zum Rest der ganzen Welt) immer noch recht ok geht. Das liegt am ständigen VERGLEICHEN mit dem Rest im Pool. Das kann kein Mensch ganz ausstellen.
Kinder hast du angesprochen. Da ich selbst zwei Kids habe, ist auch das etwas, was mich immer unfassbar berührt und wo ich mich zusammenreißen muss. Kinder können eben wirklich gar nichts an dem ganzen Zeug, was da so passiert an Mist auf der Welt. Sie sind die Unschuld in Reinform.
Kleine Kinder können nichts dafür, wenn z.B. unsere Erde in 50 oder 100 Jahren kaum mehr bewohnbar ist. Dafür sind die Erwachsenen der Welt verantwortlich.
Du siehst...ich könnte hier noch stundenlang weiterschreiben.
Ich kann deine Gefühle also voll verstehen.
Wie gesagt...versuche, den Medienkonsum so gut es geht von dir zu halten und dich auf die schönen Dinge im Leben zu konzentrieren. Pessimismus ist für uns hier das Schlechteste, was man tun kann (dieser führt bei einigen überhaupt erst zum extremen Ausbruch von Depressionen oder Angststörungen).
LG
Hicks
13.10.2023 09:27 •
x 5 #10