Hallo Robinson,
ich nehme ebenfalls Tianeptin, nachdem andere Stoffgruppen bei mir nicht ausreichend wirkten oder die Nebenwirkungen zu heftig waren. Da hier nicht viele Tianeptin nehmen, bin ich deshalb auf dein Problem aufmerksam geworden. An Tianeptin liegt es nicht, daß es dir so geht oder hast du schon andere Stoffgruppen probiert? Mir hilft Tianeptin ausgezeichnet. Bei mir ist ebenfalls das Morgentief vorhanden und zum Abend zu geht es mir besser. Ich lege dir ebenfalls eine Psychotherapie ans Herz. Anfangs war ich sehr skeptisch, ob mir eine Psychotherapie helfen könnte, aber nach anfänglicher Irritation meiner Therapeutin lief es dann doch ganz gut.
Es gibt unterschiedliche Strategien, eine Besserung herbeizuführen. Bei mir war entscheidend, daß ich meinen Alltag wie aufgezogen, jeden Tag mit Ritualen lebe. Auch wenn es mir schlecht geht, oder mal der Tag sehr ereignishaft ist, weiche ich nicht viel von meinem Zeitgerüst ab. Egal ob ich mal um 5.00 Uhr aufstehe oder erst um 9.00 Uhr, ich beginne den Tag immer in der selben Reihenfolge. Das dann auch am Abend, egal wann ich ins Bett gehe, meistens aber zu 22 Uhr. Und das läuft auch sehr bewußt ab. Ich mußte mir abgewöhnen, mir immer zuviel vorzunehmen und akzeptieren, daß ich vor allem durch die Depression nicht in der Lage bin, viel zu leisten. Manchmal bin ich Mittags sehr müde und schlapp. Wenn ich kann, dann leg ich mich eine halbe Stunde hin - länger sollte es Mittags nicht sein.
Meine Therapeutin hat mir eine lustige Aufgabe gegeben, wenn sich bei mir das Grübelkarussel dreht. Mit der Handy-Memo-Aufnahme einfach laut die Gedanken aufnehmen und sich anhören, was man da so sagt. Abgesehen von einem Lachkrampf hat mir das auch nachhaltig geholften, denn live zu erleben, wie dumm man eigentlich ist (und Grübeln ist dumm), hat immerhin bewirkt, daß ich heute 'oberflächlich' grübel und nicht mehr so tiefgehend, abgrundtief Traurig.
Meine Wut ist geblieben und wird vermutlich auch nicht gehen - auch das mußte ich in der Therapie erfahren. Dennoch ist meine Wut heute von mir besser steuerbar und nicht mehr so tiefgehend. Die Wut, die ich empfinde, ist nicht mehr nur die Wut auf andere Menschen, sondern auch die Wut auf mich selbst. Denn meistens ist es so, daß man einen Eigenanteil hat. Wenn man weiß, worin der bestand, dann kann man blinde Wut besser 'dosieren'. Eigenanteil bitte nicht mit Schuld verwechseln.
Beispiel: Auch meine Mutter hat mit der groben Eleganz der Kriegs- und Nachkriegsgeneration erzogen. Sie hat mich ständig angetrieben und als Kind bekommst du Muster in die Hand und sollst danach funktionieren. Daß ich das nicht konnte, lag nicht daran, daß ich es nicht wollte oder meine Mutter von mir Unmögliches verlangte. Ich konnte es einfach nicht. Um mich herum (Lehrer, andere Kinder, Geschwister) bemerkten wohl, daß mit mir etwas anders war. Nur meine Mutter ignorierte das und forderte, forderte, forderte. Und ich? Ich versuchte natürlich ständig ihrer Vorstellung nach zu funktionieren. Es ging lange gut und mit 45 Jahren klärte mich ein Gutachter darüber auf, was mit mir nicht stimmt und das mein Leben nicht so weiter gehen kann. Auch meine Mutter, inzwischen 74 J., erkennt zumindest im Ansatz, daß irgendwas nicht richtig war. Aber wie war das denn Anfang der 70er? Für Schizoide oder Asperger gab es wenig Angebot und so wie ich, laufen viele Menschen als Blindgänger oder Irrläufer rum. Aber was war denn nun mein Eigenanteil? Ich hatte soviele Zweifel an allem, was ich tat, weil es von mir erwartet und gefordert wurde. Warum habe ich mitgemacht? Ich habe aus Selbstschutz gelernt nicht aufzufallen, mich zu tarnen und nicht zum Problem anderer zu werden und mich dabei in nicht zu lösende Widersprüche verstrickt. Das ist mein Eigenanteil und das völlig unabhängig davon, ob er bewußt oder unbewußt entstanden ist.
Dieser Teil der Wut hat mir aber auch geholfen, mein Leben nun so zu leben, wie ich es kann. Meiner Mutter bin ich nicht böse, aber da ist so eine innere Wut auf ihre Art und das sie mein Problem nicht sehen wollte, obwohl sie es hätte sehen müssen. Nein, sie wollte nicht sehen, daß ich nicht funktionieren kann und forderte, forderte, forderte.
18.06.2016 09:31 •
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