Servus Spaceman,
Zitat von Spaceman: Manchmal habe ich das Gefühl, völlig darauf konditioniert zu sein, es alleine durchstehen zu müssen.
Zitat von Spaceman: Du hast dich in den Schlamassel gebracht, jetzt sieh zu, wie du hier wieder herauskommst.
Das Kausalitätsprinzip sollte einen eigentlich folgendes lehren: Feuer kann man nicht mit Feuer bekämpfen. In Deiner Lage bedeutet das:
Wenn meine Überzeugung, alles alleine schaffen zu müssen, mich in diese Lage gebracht hat, muss ich Hilfe von außen holen.Dieses Hilfe von außen holen ist übrigens ebenfalls
Deine autonome
Leistung. Es ist ein weit verbreiteter Denkfehler, dass einem von außen geholfen wird. In Wahrheit helfen wir
uns aktiv mit der Hilfe von anderen. Dies gilt von Anfang an bis zum Ende der Therapie.
Zitat von Spaceman: Und jetzt stehe ich hier, vor 25 Jahren sozial abgestürzt und nie wieder richtig hoch gekommen. Seit 10 Jahren keine Freunde mehr, seit ewigen Zeiten keine Freundin. Praktisch keine sozialen Kontakte, außer seltenen Besuchen bei meinen Eltern, denen ich aber auch immer mehr aus dem Weg gehe. Wohne als völlig zurückgezogener Einzelgänger in einem Dorf wo man sich kennt. Ich bin 20 Kilo zu dick geworden, habe eine heftige Hyperhidrose vor allem am Kopf entwickelt und bin in einem Alter, wo ich merke, dass dann so langsam mal die Zeit eng wird.
In diesem kleinen Absatz finde ich mindestens 10 Bewertungen, die völlig subjektiv sind. Auch wenn sie objektiv als zutreffend gehandelt werden, stellen Deine persönlichen Bewertungen ein u. U. schwerwiegendes Hinderniss dar, um ins Handeln zu kommen.
Zitat von Spaceman: Ich hab's geschafft: völlig isoliert und fast vollständig vereinsamt. Mit einem Herzen, das zum Bersten gefüllt ist mit Sehnsucht, einer Seele voller Angst, Zweifel, Scham, Traurigkeit und Enttäuschung und einer Psyche, die 'nen heftigen Knacks hat.
Auch hier siehst Du (!) m. E. nur die dunklen Seiten. Sowohl Icefalki als auch ich hingegen erkennen hier ein Riesenpotenzial: Fähigkeit zur Eigenanalyse, Visionen (wenn auch hübsch gedeckelt...), Ehrlichkeit und vor allem - Empathie!
Sämtlich Aspekte, die eine äußerst vielversprechende Basis für psychotherapatische Arbeit bilden.
Zitat von Spaceman: Irgendwann im Winter ging es dann los, dass das alles durchbrach. Seit dem vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht von hoffnungsvollen oder romantischen Fantasien und anschließenden Abstürzen in tiefe Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit geplagt werde.
Das beweist, dass Deine emotionale Vitalität zum Glück noch vollumfänglich vorhanden ist. Auch dies ein wichtiger und hilfreicher Baustein für das weitere Vorgehen.
Zitat von Spaceman: Das richtig fiese aber ist, dass ich ebenso furchtbare Angst vor genau den Menschen habe, die mir helfen könnten: Ärzte, Psychiater, Psychologen, Sozialarbeiter, Selbsthilfegruppen, etc.
Wie alle Emotionen darfst Du nun als Erwachsener auch jedwede Angst auf ihre
Stichhaltigkeit hin prüfen. Ich rate hier zum
Sozialpsychiatrischen Dienst der Caritas als erste Anlaufstelle. a) Ist die Einstiegsschwelle extrem niedrig und b) aus meiner Erfahrung arbeiten da idR sehr gute Leute, die über viel Erfahrung verfügen ohne den ganzen Krankenversicherungsklimbim im Nacken zu haben. Schildere dort Deine aktuelle Lage und lasse Dich auf das Abenteuer einfach mal ein. Denke gar nicht viel weiter - tue einfach mal diesen
einen Schritt,
ohne jegliche denkbaren Szenarien heraufzubeschwören - denn sie sind einfach nicht zutreffend. Das wirst Du nach dem Termin sofort feststellen.
Es ist so wie in einem Haus. Um die Küche zu finden, musst Du erstmal die Haustüre öffnen...usw
Zitat von Spaceman: Fast mein ganzes Leben lang ist das schon so. Ich ertrage apathisch und phlegmatisch, was das Leben mir an Schwierigkeiten in den Weg legt. Ich leide still, ohne zu klagen, aber auch ohne jemanden um Hilfe zu bitten.
Zitat von Spaceman: Manchmal habe ich das Gefühl, völlig darauf konditioniert zu sein, es alleine durchstehen zu müssen. So ist das nämlich bis auf wenige Ausnahmen seit der Kindheit. Rational weiß ich, dass das Unsinn ist. Aber emotional gibt es diese kleine Stimme, die sagt Du hast dich in den Schlamassel gebracht, jetzt sieh zu, wie du hier wieder herauskommst.
Zitat von Spaceman: Würde jemand kommen, mir die Hand reichen und sagen Komm, ich helfe dir, ich würde die Hand sofort nehmen. Aber aus eigenem Antrieb hinzugehen und um Hilfe zu bitten, fällt mir unendlich schwer.
Hierzu hat Icefalki schon wertvolle Anmerkungen gegeben. Hinzu noch:
Leidens
fähigkeit bedarf immer einer gewissen Leidens
bereitschaft. Wie diese entstand, lernst Du in Büchern, SH-Gruppen (sehr empfehlenswert!), Gruppentherapie (noch empfehlenswerter!), Foren, Einzelgesprächen etc.
Es ist im Grunde ein Vermeidungsverhalten, erscheint jedoch eleganter formuliert vor unserem innerem Auge als stilles Leiden oder Handlungsstarre etc. Es ist weder Feigheit noch Faulheit. Vermeidungsverhalten bzw. Kompensationshandlung (hier: Nicht-Handeln! und Leiden) bringen subjektiv erlebt (und deshalb stets wiederholt) einen kurzfristigen (!)
Vorteil, oft in Form einer Entlastung. Leiden als Entlastung - krass oder? Aber leider zutreffend, wenn man es zu Ende denkt.
Selbst wenn wir intellektuell unser Verhalten als
leidfördernd erkennen, gelingt nicht die innere Transferleistung ins Herz: Unser
unbewusstes Handeln folgt selten der Vernunft sondern dem
Gemüt. Als PC-Geek dürftest Du mit Online- und/oder Spielsucht schon mal Erfahrungen gemacht haben und kannst erkennen, wovon ich spreche. Jekyll Hyde, Engerl Teuferl sind andere Metaphern für dieses Phänomen und die zwei Herzen, die ach in meiner Brust schlagen, meinen dasselbe....
Zitat von Spaceman: Was passiert, wenn das nicht klappt. Wenn alle Medikamente, Therapien und Maßnahmen nichts ändern. Wenn ich nicht erst genommen werde. Wenn ich an überarbeitete, gestresste, ungeduldige, wenig einfühlsame Fachleute gerate und einmal mehr die Erfahrung machen, dass ich mit Menschen nicht zurechtkomme.
Dies sind alles Argumente des Gemüts. Vermeidungsverhalten kannst Du wie einen
eigenen (erhaltungswilligen!) Organismus betrachten, der nichts (!) anderes will, als weiter zu bestehen! Er kümmert sich einen Dreck um seinen Wirt.
Zitat von Icefalki: Da die Dressur perfekt gelungen ist, wir nur noch leiden und glauben, dass alles in Stein gemeißelt ist, wird es Zeit, hier mal anders denken zu lernen.
Zitat von Icefalki: Wir bekommen nimmer diese Elternliebe, die ist futsch. Jetzt müssen wir sie in uns selber suchen und da dürfen andere helfen und sogar dabei versagen.
Es gibt Gasthäuser und Wirtshäuser -
Gasthäuser legen mehr Wert auf die Gäste (und der Wirt geht irgendwann pleite...),
Wirtshäuser dienen dem Wirt! Stelle mit den o. g. beiden Einsichten die Weichen für eine positive Entwicklung Deiner Unternehmensstruktur. Lang lebe der Wirt sagen die in letzter Zeit gegründeten IGs für die Wiederbelebung der Dorfgaststätten! Die Gäste, die einen gesunden Wirt zu schätzen wissen, werden von alleine kommen. Die anderen sind verzichtbar.
Zitat von Icefalki: Und rein medizinisch gedacht, wer nur am Kämpfen ist, wer glaubt, alles irgendwie alleine hinzubekommen, der erschöpft sich früher oder später, da irgendwann die guten Botenstoffe mehr als verbraucht sind. Und dann wird es sehr dunkel und nix mehr geht.
Oh ja - sehr, sehr wahr!
Zitat von Schlaflose: An die Konsequenzen denken. Die Angst vor Konsequenzen treibt mich immer dazu, Dinge rechtzeitig zu erledigen, egal wie schlecht es mir geht.
Richtig! Ergänzend möchte ich noch erwähnen, dass auch
gute Konsequenzen zu bedenken sind. Mir persönlich hat es in jeglicher Therapieform schon immer am meisten geholfen, die
positiven Konsequenzen zu
erleben statt mir die
negativen als Damoklesschwert oder nachträgliche Reue vor Augen zu führen...
Get down, get up - that´s life.
And more...