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Hallo an alle,

ich (37, w) habe seit Jahren immer wieder mit depressiven Phasen zu tun. Ich habe schon Therapien durch, viel gelernt über mich und kenne auch meine Auslöser, Muster etc durch die ich letztendlich in solche Phasen rutsche.
Meine Symptome sind dann Traurigkeit (heule viel), Verzweiflung, und dann kommt auch die Erschöpfung und Antriebslosigkeit. Funktionieren tu ich immer, aber es ist natürlich anstrengender. In der Vergangenheit hatte ich auch Ängste, aber da habe ich gelernt besser damit umzugehen.
Was jetzt neu und extrem ist: seit ein paar Monaten bin ich wie besessen von einem Sportler (den ich natürlich nicht persönlich kenne). Es fing an als eine harmlose Ablenkung. Ich kenne sowas: ich interessiere mich eine zeitlang extrem für etwas/jemanden, aber dann vergeht es auch wieder. Es war am Anfang wirklich eine nette Ablenkung, und Flucht sicher auch, weil ich in meinem eigenen Leben nicht so viel hatte, was mit Freude brachte. Sport gucken ist dann immer so mein safe space, damit verbinde ich angenehmes.
Aber es wurde dann immer extremer.

Ich fühle so mit dem Sportler und hab mich so reingesteigert. Ein Sieg gab mir unglaublich Dopamin, und so richtige Gefühle von Erleichterung und alles ist gut, und eine Niederlage ist niederschmetternd.
Ich weiß, es klingt total albern (obwohl ich jetzt eben gerade nicht so viel beurteilen und verurteilen will, Stichwort: Nachsicht mit sich) - aber es fühlt sich so existentiell an.
Es ist wie eine Sucht und Besessenheit seiner Karriere zu folgen und es ist als ob er den einen großen Titel gewinnen muss damit ich mich ruhig und gut fühlen kann.
(Nebenbei: es ist keine Stalker-Sache oder dass ich denke wir gehören zusammen, ich muss ihn treffen usw.)

Meine Theorie ist, dass das eine Art coping Strategie und Ablenkung von meinen eigenen Problemen bzw Unzufriedenheit, schmerzhaften Gefühlen usw ist.
Und durch die Depression werden die extremen Gefühle verstärkt, sprich, alles fühlt sich irgendwie dramatisch, schlimm, tragisch an.

Kennt jemand solche Phasen bzw Themen? Dass einem etwas, was scheinbar nichts mit einem selber zu tun hat, wichtig wird, man obsessive Gedanken dazu hat und das Gefühl hat, man wird jetzt nie mehr davon loskommen?

Ich würde gern den Sport weiter unbefangen gucken, aber jetzt ist alles mit Schwere und Drama verbunden.

29.06.2024 17:51 • 30.06.2024 #1


6 Antworten ↓


Hallo,
kenne das auch zu gut. So wie du sagst, so Phasenweise.
Ich vermute eine Art Fluchtversuch von seinen eigenen Gedanken..

A


Seltsame Besessenheit als Symptom bei depressiver Phase?

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@arsaa
Danke. Ich habe gerade Schiss, dass diese Phase ewig anhält. Ich will nicht bis zu * seinem * Karrierende immer so mitleiden müssen.
Aber ja, angefangen als Ablenkung und Flucht - aber leider ist es jetzt eben nicht nur schöne, angenehme Ablenkung, sondern macht mir auch Kummer, Stress und Sorgen, vermeintlich.
Daher vermute ich, dass durch die Depression eben alle meine (negativen) Gefühle gerade verstärkt sind, und es sich deshalb auch so dramatisch und existentiell anfühlt.

@Brigid

Zitat:
Kennt jemand solche Phasen bzw Themen? Dass einem etwas, was scheinbar nichts mit einem selber zu tun hat, wichtig wird, man obsessive Gedanken dazu hat und das Gefühl hat, man wird jetzt nie mehr davon loskommen?


Ja. Kenne ich. Nennt sich bei mir laut Befund öhm, muss ich rauswühlen,
maladaptives Unterdrückungsverhalten im Rahmen einer depressiven Affektstörung mit obsessiven Zügen, weil eine Vermeidung nicht möglich und das Grübeln bzw. Rumination erfolglos bleibt.

Jeder Betroffene hat da so eine eigenen Unterdrückungsmechanismen.

Übrigens tritt das Verhalten nicht nur bei Depressionen auf, sondern ist als Coping-Strategie ziemlich weit verbreitet, ob bei Food-Pron, Gossip, Sport, Autos, Mode, Finanzen usw usf.

Bei den meisten Workaholics, Ultras oder anderen Formen des zu viel des Guten handelt es sich um Unterdrückungsmuster, die bedient werden.

Hi @illum
ah danke, sogar eine schicke Diagnose bzw Fachbegriffe dafür.

Und ja, im Prinzip ja nichts anderes als alle anderen Süchte/Obsessionen. Es geht dann wohl immer um Unterdrücken, Ablenken, Flüchten.
Wenn es mir jetzt nur gute Gefühle machen würde und ich dadruch ein bisschen flüchte und verdränge, fänd ich es ok. Aber dass ich jetzt emotional da so leide und mich das jetzt quasi noch runterzieht (weil halt bittere Niederlagen dazugehören...) ist das Ätzende.

Was hat die Person, die dir diese schicke Diagnose gestellt hat als Hilfe/Therapie dafür vorgeschlagen?

@Brigid

Zitat:
Was hat die Person, die dir diese schicke Diagnose gestellt hat als Hilfe/Therapie dafür vorgeschlagen?


Mich mit der Ursache auseinanderzusetzen, meine Handlungen zu hinterfragen, mir Grenzen zu setzen usw.

Bei mir handelt es sich auch eher um Wissen, das ich mir als Coping-Strategie aneigne.

Ich kauf mir iwelche teuren Fachbücher aus Biologie, Physik, Chemie, Mathematik um den Sinn von Allem über die Strukturwissenschaften verstehen zu wollen, als brächte mir das Wissen irgendwas gegen mein Gefühl von Verlorenheit und Leere, statt nur noch mehr davon

Ich hab jetzt also erstmal aufgehört, indem ich keine Bücher mehr bestelle und meine Accounts bei diversen Plattformen suspendiert, die wissenschaftliche Artikel veröffentlichen.

Kribbelt aber halt dennoch in den Fingern und selbst beim Fußball hab ich mich schon erwischt, Aufstellungen, Taktiken, Laufwege usw zu analysieren, statt einfach nur zu gucken. Null Emotion, Nur Ratio wie ein Computer.

Früher fand ich's normal, heute nervts mich selbst schon, aber das ist vielleicht ein normaler Weg zur Besserung

Es ist in Arbeit

Also Wissen aneignen aus naturwissenschaftlichen Bereichen klingt jetzt erstmal wie eine sehr gute und geradezu streberhafte Coping-Strategie. Aber klar, eigentlich egal was es ist: wenn man damit ablenkt und unterdrückt und es irgendwie ausartet, dann ist egal was genau das Objekt der Obsession oder die Handung ist.

Finde meines trotzdem bescheuerter
Denn da kommt ja eben auch eine extreme emotionale Ebene dazu und quasi eine Identifikation mit einer Person, die quasi so handeln soll, dass ich mich gut fühle. Und ich projiziere meine eigenen beklemmenden Gefühle auf den Sportler und dann tut er mir leid und das ist dann auch wieder ein unangenehmes Gefühl..





Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl
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