es fällt mir sehr schwer, in Worte zu fassen was mich beschäftigt, aber ich möchte es versuchen, weil ich allein nicht mehr weiter weiß. Dieser Text könnte lang werden, also schon mal danke an jeden einzelnen, der sich die Mühe macht ihn zu lesen.
Ich fange einfach mal an
Ich (28) habe vor fast genau einem Jahr eine 2 monatige stationäre Therapie absolviert, weil ich starke verlassensängste und einen hohen Mängel an selbstwert hatte. Damals war ich in einer Beziehung zu einer Frau, die ebenfalls große selbstwertprobleme hatte. Während meiner Therapie lernte ich, dass ich mit dieser Frau nur zusammen war, um nicht allein zu sein. Liebe zu ihr redete ich mir ein, weil ich mir ohne eine andere Person wertlos und unnütz vorkam. Ich veränderte mein Wesen, um ihr zu gefallen, um ihr keinen Grund zu geben, mich zu verlassen. Ich vernachlässigte Freunde, Familie und Hobbies, irgendwann war ich nicht mehr ich selbst. Sie gab mir permanent das gefühl (nicht mit absicht, aber sie tat es definitiv aktiv), mich ändern zu müssen. Immer hatte ich etwas falsch gemacht, nicht sauber genug geputzt, nicht richtig gegessen, nicht die richtigen klamotten angezogen, nicht das richtige gesagt. Das ging etwa 3,5 Jahre so, bis ich irgendwann auf offener Straße einen nervenzusammenbruch hatte und entschied, etwas zu tun und eine Therapie zu beginnen, um herauszufinden was mit mir los war. Je länger die Therapie voranschritt, desto klarer wurde mir, dass ich diese Frau nicht liebte, sondern brauchte und deshalb alles an mir verfremdete, was meinen geist zerstörte. Das ist ein gewaltiger Unterschied und deshalb beendete ich die Beziehung, kurz nachdem ich aus der Therapie nach Hause kam.
An sich ist das nichts außergewöhnliches, aber ich denke, es ist für die weitere Geschichte wichtig.
Ich lernte nämlich innerhalb der Therapie eine andere Frau kennen. Ich nenne sie hier mal Bine. Das ist nicht ihr richtiger Name, macht es aber einfacher zu schreiben. Sie ist 20 Jahre alt und wir lernten uns anfangs völlig zwanglos kennen. Ich war auch während der Therapie noch völlig auf meine mittlerweile expartnerin fixiert. Mit Bine konnte ich sowohl über Gott und die Welt, als auch über unsere beziehungsprobleme reden. Auch sie befand sich in einer Partnerschaft, von der sie nie wirklich überzeugt war. Mit fortlaufender Zeit stellten wir fest, dass wir uns fast unheimlich ergänzten. Wir verstanden einander ohne Worte, waren füreinander da und ich für meinen Teil konnte mit ihr Dinge besprechen, die ich nicht einmal meinen Therapeuten erzählen würde (und ich bin generell ein sehr ehrlicher mensch). innerhalb kurzer Zeit wurde uns beiden klar, dass wir hier den partner fürs Leben gefunden hatten. Durch sie lernte ich, dass es tatsächlich Frauen gibt, die mich genau so mögen wie ich bin. Mit all meinen dummen Witzen, die sonst keiner versteht, außer ihr. Mit all meinen Fehlern, Ängsten oder Problemen. Sogar meine pupse mag sie, und das will was heissen! Mir geht es anders herum genauso. Diese Frau Liebe ich.
Nachdem ich mich aus meiner alten Beziehung gelöst hatte, zog ich mit Bine zusammen. Rückblickend war das vielleicht ein Fehler, zu früh. Allerdings war es ein Traum. Wir waren unsagbar glücklich, es gab nie ernsthaft Streit. Aber nicht, weil einer von beiden sich verleugnete, sondern weil wir einfach zusammen passten. Auch in schweren situationen, oder wenn wir einmal nicht einer meinung waren (selten) konnten wir immer offen und ehrlich miteinander umgehen, ohne dass es einer von uns persönlich nahm. Bine holte ihren hund in unsere beziehung und ich denke, ich kann sagen dass wir eine glückliche, kleine Familie bildeten.
Nach ungefähr 6 Monaten ging es Bine zusehends schlechter. Sie hatte die Therapie in der wir uns kennenlernten, gemacht weil sie seit dem Alter von 14 Jahren unter starken Depressionen leidet und auch schon einen Suizid Versuch hinter sich hat. Im Anschluss an die stationäre Therapie schaffte sie es nicht, sich einen ambulanten therapieplatz zu suchen, obwohl sie es versucht hat wie eine verrückte (ja ich weiß, blödes Wortspiel, aber so drücke ich die Intensität ihrer Anstrengungen wohl am besten aus). Ich selbst habe einen therapieplatz, der mir bis heute auch sehr sehr viel geholfen hat.
Aufgrund der mangelnden professionellen Unterstützung versank sie tiefer und tiefer in ihrer Krankheit. Sie hatte eine ausbildung in unserem wohnort begonnen, die sie nach drei oder vier tagen wieder abbrach, weil sie es einfach nicht fertigbrachte weiter hinzugehen. Ich selbst versuchte alles, um ihr dort hinaus zu helfen und schoss dabei auch oft genug übers Ziel hinaus (Ratschläge, Verständnis, helfende Worte und gesten). Wir zogen sogar noch einmal gemeinsam um, um in einer neuen Umgebung nochmal anzufangen. Doch all meine Liebe und Fürsorge und auch unsere gemeinsam überlegten Strategien halfen nichts. Sie entschloss sich,eine tagesklinik zu besuchen, die ihr auch nicht helfen konnte.
Während dieser Zeit ging es auch mir zusehends schlechter. Ich machte mir Vorwürfe, ihr nicht helfen zu können und so traten meine alten angstmuster wieder zutage. Ich hatte Angst davor, sie zu verlieren, weil ich sie nicht retten konnte.
Irgendwann konnte ich mich selbst wieder von aussen betrachten und stellte mir die Frage, ob diese Beziehung eine Kopie der vorherigen sein könnte. Ich setzte mich über ungefähr eine Woche hin und dachte darüber nach, ob ich mich erneut selbst belog. Ich sprach auch mit meinem Therapeuten darüber. Ich kam zu dem Ergebnis, dass Bine die Frau meines Lebens ist. Dass wir ohne unsere Krankheiten, bzw die Symptome ein traumhaftes duo bilden, das vor nichts Angst haben müsste. Dass wir einander unser Leben anvertrauen würden, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich glaube, dass dieses Gefühl einmalig ist und mit nichts aufzuwiegen.
Inzwischen sind wir seit fast einem Jahr zusammen und Bine ist seit ungefähr 4 Wochen in stationärer Behandlung. Sie lernt dort sehr viel und meinte auch, dass sie zum ersten mal seit Jahren das Gefühl hat, dass die Therapie, bzw das gelernte sie voranbringt. Natürlich hat sie Höhen und Tiefen, das gehört dazu. Aber grundsätzlich sehe auch ich ihre Fortschritte und ich bin verdammt stolz auf meine süße:-)
Nun kommt allerdings der Knackpunkt, mein Problem, wegen dem ich mich hier angemeldet habe.
Wie bereits beschrieben, hatte ich große trennungsängste. Diese habe ich mittlerweile ganz gut im Griff und wenn es mich doch überkommt, habe ich Werkzeuge die ich nutzen kann, um diese Ängste zu besiegen. Ich vertraue meiner Bine und ich weiß dass sie mich liebt, vielleicht sogar noch mehr als ich das hier bisher beschrieben habe oder je begreifen werde. Ich habe keine Angst mehr, sie zu verlieren weil ich zu schlecht bin.
Allerdings denkt sie momentan darüber nach, wieder in das haus ihrer Eltern zu ziehen, welches von unserem jetzigen Wohnort ungefähr 200 km entfernt ist. Sie überlegt sich das, weil sie ein geschütztes Umfeld braucht, in dem sie ohne druck an ihrer psychischen Gesundheit arbeiten kann. Sie hat dort ihre alten freunde, ihre eltern und ein gefühl der vertrautheit, dass ihr hier zuhause fehlt. Aufgrund ihrer Depressionen hat sie es nie geschafft, sich in mein bereits bestehendes Umfeld einzufügen, obwohl alle meine Freunde und meine Familie sie sehr mögen. Weiterhin müsste sie sich nicht mit um einen haushalt kümmern, was sie wohl ebenfalls sehr belastet. Auch ihren/unseren hund mussten wir zu ihren eltern bringen, weil sie sich krankheitsbedingt und ich mich aufgrund meiner blöden Arbeitszeiten nicht ausreichend kümmern können. Ich bin der Meinung, dass das eine sehr gute Idee ist, dass sie dieses umfeld braucht, um wirklich gesund werden zu können. Die krux daran bin ich.
Ich hätte überhaupt kein Problem damit, mit ihr zusammen in die Nähe ihrer Eltern zu ziehen, damit sie einen sicheren rückzugsort hat, an den sie flüchten kann wenn wieder einmal alles zu viel zu werden droht. Das habe ich ihr auch gesagt, um ihr den Druck der Entscheidung zwischen mir (am aktuellen Wohnort bleiben, um den Mann ihres Lebens nicht zu verlieren)und ihrer eigenen Gesundheit (bessere heilungschancen zuhause) zu nehmen.
Was ich allerdings konsequent ausschliesse, ist eine Fernbeziehung. Diese würde mindestens die Dauer ihrer Ausbildung zur tierarzthelferin (3 jahre) haben. Wir würden beide im schichtdienst arbeiten (ich bin 100% altenpflegefachkraft) und ich bin auf den Zug angewiesen, was für mich eine Fahrzeit von mindestens 2,5h für einen Weg bedeutet. Unter diesen Bedingungen sind zwei Treffen im Monat schon viel. Und das mit Glück und sehr viel Stress und planung. Weiterhin glaube ich, dass wir uns in dieser situation stück für stück voneinander weg entwickeln würden, weil wir unser leben nicht mehr teilen, sondern unser jeweils eigenes führen, ohne partner. Ich glaube, dass ich persönlich das nicht verkraften könnte und habe die Entscheidung getroffen, diese Möglichkeit für mich auszuschließen.
Sie selbst sagt, dass sie mich auf keinen Fall verlieren möchte und sich nun durch meine Einstellung zur Fernbeziehung unter Druck gesetzt fühlt. Sie glaubt, dass sie nun nicht mehr frei entscheiden kann, weil ich weder eine Fernbeziehung führen möchte, noch mit dann 29 Jahren im Haus ihrer Eltern wohnen kann und will.
Das alles macht mir wirklich sehr große Sorgen. Ich liebe diese Frau, wahrscheinlich ist es sogar die erste Frau, die ich wirklich und wahrhaftig aus ganzem Herzen Liebe, ohne mich selbst zu belügen. Ich habe mich tatsächlich dazu entschieden, mit Bine mein Leben teilen zu wollen.
Ich will auf gar keinen Fall, dass sie sich mir zuliebe gegen ein zuträgliches Umfeld entscheidet. Ihre Gesundheit geht vor und das weiß ich. Ich will sie aber auch auf keinen Fall verlieren.
Während sie in der stationären Therapie ist, kommt sie am Wochenende per belastungsprobe nach Hause. Und dann ist auch alles gut. Wir tun uns gut und zeigen uns unsere Liebe. Unter der Woche haben wir eine kontaktsperre ausgemacht. Diese einzuhalten, fällt mir sehr schwer, auch wenn ich weiß, wozu sie gut ist. Meine alten Ängste sind aber noch da und versuchen mir einzureden, dass sie sich sowieso dazu entscheidet, allein bei ihren Eltern wohnen zu wollen. In den wirklich dunklen Stunden kommt auch noch die Angst dazu, dass sie sich eventuell ganz von mir trennen könnte, um sich die anstrengung einer Beziehung zu entledigen (was ihrer Genesung ja auch zuträglich wäre), völlig unabhängig davon, dass sie mich ja auch liebt.
Sollte es so kommen, habe ich keine Ahnung, was ich tun soll. Einerseits möchte ich für sie nur das beste und das wäre der Einzug bei den Eltern. Andererseits möchte ich aber auch meine Entscheidung gegen eine Fernbeziehung nicht wieder aufheben, weil mich das sehr unglücklich machen würde (sowohl die selbstverleugnung(bekannt von früher) als auch die Fernbeziehung aus genannten gründen). Und am aller aller wenigsten möchte ich sie verlieren, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass ich eine solche Frau so schnell nicht wieder treffen werde.
Ich hoffe nun einfach, dass jemand, der in dieser Sparte Erfahrung hat, es schafft sich diesen langen Text bis hierher durchzulesen und mir einen Rat geben kann.
Ich bin inzwischen wirklich ratlos und gefangen in meiner Angst, dass obwohl wir uns so sehr lieben (ich möchte noch einmal unterstreichen, dass ich auf jeden Fall sagen kann dass das auf Gegenseitigkeit beruht), eine Trennung das beste ist.
Viele Grüße,
Philipp
14.02.2018 03:27 • • 21.02.2018 #1