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Hallo zusammen

Ich leide seit letztem Jahr an einer generalisierten Angststörung mit daraus resultierender Depression. Durch meinen Therapeuten habe ich schon einiges verändern können, jedoch traf er mich beim letzten Gespräch an einem wunden Punkt.
Er meinte, ich solle mir klar machen, was ich in meinem Leben erreichen möchte. Was MIR Spaß macht, worin ich mich weiterentwickeln möchte. Wums. Das hat mich richtig auf den Boden der Tatsachen gebracht.
Das Problem: ich habe einfach keine Hobbys, mein Beruf macht mir rückblickend keinen Spaß und nun stelle ich natürlich ALLES in Frage.
Das löst in mir eine derartige Überforderung bzw. Ohnmachtsgefühle aus. Ich weiß einfach nicht, wo ich anfangen soll, wo ich hinmöchte in meinem Leben, möchte alles auf einmal schaffen, habe Angst dass nicht gebacken zu bekommen, bin zeitweise panisch deshalb.

Bin ich nun tief in der Depression drin oder kann man das der GAS zuschreiben?

Vielleicht erkennt sich ja jemand oder es hat einer Tipps, wie ich mein Leben ordnen könnte bzw. den Anfang schaffen kann. Medikamente nehme ich bereits (Sertralin 150mg - insgesamt seit 3 Wochen)

02.06.2022 20:09 • 03.06.2022 x 2 #1


12 Antworten ↓


Hi.

Ist u.a. auch Thema bei mir. Wenn du magst, guck in den Thread inneres Kind von mir rein. Ich würde sagen die letzten 10 - 12 Seiten, da geht das Thema los und vielleicht erkennst du dich/dein Thema wieder.

A


Orientierungslosigkeit mit Überforderung

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@Grace_99 vielen Dank für den Input ich hab mich bereits mit dem "allein in ein Café setzen" sehr wiedererkannt. Das meinte mein Therapeut auch zu mir
Ich werd mir alles mal genauer durchlesen

Zitat von MS07:
@Grace_99 vielen Dank für den Input ich hab mich bereits mit dem allein in ein Café setzen sehr wiedererkannt. Das meinte mein ...

Ich hab mich in deinen Worten auch sofort wieder erkannt.

Zitat von MS07:
Er meinte, ich solle mir klar machen, was ich in meinem Leben erreichen möchte. Was MIR Spaß macht, worin ich mich weiterentwickeln möchte.

So ähnlich hat mir das meine Therapeutin auch gesagt, ich persönlich halte davon nichts. Ich bin fast 3 mal so alt wie du und bin 50 Jahre lang prima ziellos durchs Leben gesegelt. Eine Ausnahme: Mit 30 habe ich mir das Ziel gesetzt (oder etwa von meinen Eltern setzten lassen?!) eine Familie zu gründen und das ist dann auch prompt schief gelaufen. Danach wieder ziellos aber glücklich weiter gewurstelt.... Vielleicht bin ich daher ein bisschen allergisch auf das Ziele setzen.
Das herausfinden was Spaß macht ging bisher immer durch ausprobieren, nicht durch Pläne.
Zugegeben, das ist momentan auch mein Problem, etwas zu finden was Spaß macht.

Zitat von MS07:
Er meinte, ich solle mir klar machen, was ich in meinem Leben erreichen möchte. Was MIR Spaß macht, worin ich mich weiterentwickeln möchte. Wums. Das hat mich richtig auf den Boden der Tatsachen gebracht.


Ist es nicht bemerkenswert, dass eine solche Frage in unserer angeblich ach so durchplanten Gesellschaft für viele ein Schockthema darstellt? Ich möchte hier @JniL beipflichten. Rückblickend würde ich sagen, dass alles, absolut alles ohne Ausnahme in meinem Leben einen Sinn ergab.

Was bei mir allerdings parallel, also quasi per Überschrift bzw. Fußnote schon immer mitlief, war die Frage nach Sinnhaftigkeit - die Suche nach dem Warum, Woher, Wohin. Vielleicht (!) hat Dein Thera sowas damit gemeint?

Zitat von MS07:
Das Problem: ich habe einfach keine Hobbys, mein Beruf macht mir rückblickend keinen Spaß und nun stelle ich natürlich ALLES in Frage.

Wer hat heute schon noch Hobbys von den jungen Leutz? Nee, im Ernst - ich hatte sie immer, ging gar nicht ohne. Heute würde ich übrigens mein Leben als Hobby bezeichnen - sofern Hobby für etwas allumfassend Wichtiges steht, dass meinen ganzen Einsatz fordert und zugleich (für mich) Sinn stiftet.

Zitat von MS07:
Bin ich nun tief in der Depression drin oder kann man das der GAS zuschreiben?

Ich persönlich denke, dass man deswegen weder generalängstlich noch deprimiert sein muss . Die ganz normale, menschliche Plan- und Orientierungslosigkeit.
Auch wenn die meisten unserer Mitmenschen in Beruf und Freundeskreis etwas anders behaupten mögen, bin ich mir sicher, dass fast alle im Blindflug unterwegs sind oder zumindest lediglich auf Sicht fahren.
Natürlich läuft man dann Gefahr, dass falsche Leben zu leben, wie es die moderne Psychotherapie so gerne postuliert. Fakt ist: wer anhält erfährt Reibung, Disput, mitunter Ausgrenzung. Ich ging in meinem Leben oft voraus und hielt oft an, war also selten massenkompatibel. Immer, wenn sich letzteres jedoch einschleifte, ging es mir so arg, dass ich umsteuern musste. Zuletzt war das 2015 der Fall, als mein Körper mittels Burnout die Regie übernahm, wofür ich ihm heute mehr als dankbar bin.

@moo tatsächlich dachte ich auch, dass alles in meinem Leben "Sinn" ergab. Rückblickend stelle ich aber fest, dass ich immer mit der Masse geschwommen bin und mich angepasst habe. Deshalb sitzt der Schmerz nun tief zu erkennen, dass ich überhaupt nicht weiß was ich möchte.
Eventuell interpretier ich in die ganze Sache auch zu viel hinein, ich weiß es nicht. Möglicherweise möchte ich zwanghaft einen Grund dafür finden, weshalb sich Angststörungen und Depressionen in mein Leben gefestigt haben.

Das Leben als Hobby zu sehen ist eine schöne Vorstellung, vielleicht sollte ich erstmal daran anknüpfen es überfordert mich jedoch eher, als dass ich mich gerne Hobbymäßig damit beschäftigen möchte - was natürlich außer Frage nun praktiziert werden muss.

Vielleicht ist es die ganz "normale" Planlosigkeit des Lebens, die sich jeder mal stellt. Weshalb schmerzt es aber so sehr, dass ich solch einen Tunnelblick entwickelt habe und mir tagtäglich Ohnmachtsgefühle den Tag verderben?
Ich möchte nicht anhalten, weiß jedoch nicht wohin mit mir.
Wir haben am 28.06. einen Notartermin, um ein Haus zu kaufen. Eigentlich sollte ich darin meine Lebensaufgabe sehen, jedoch bin ich wie blockiert.

Nicht so einfach mit mir, ich weiß

Zitat von MS07:
Eventuell interpretier ich in die ganze Sache auch zu viel hinein, ich weiß es nicht. Möglicherweise möchte ich zwanghaft einen Grund dafür finden, weshalb sich Angststörungen und Depressionen in mein Leben gefestigt haben.


Nun ja, ich finde Deine Überlegungen schon angebracht und hoffe, Du fasst meine o. g. Antwort nicht als Kritik am Untersuchen dieser Frage auf. Dass Dich diese Einsicht (ich weiß eigentlich nicht, was ich will) so schockt, ist schon ein Hinweis darauf, dass der Thera einen wesentlichen Punkt getroffen hat.
Ich würde nun allerdings gar nicht so weitreichende Perspektiven durchdenken, sondern mir lediglich jeden Tag mehrmals die Frage stellen: Was wünsche ich mir?
Es sollte niemals heißen: Was sollte oder müsste ich mir wünschen? Bemerkst Du den Unterschied? Der Thera will auf Selbstbestimmung hinaus, das ist eigentlich alles.
Und dass die Antwort nicht aus der Pistole geschossen kommt, ist doch absolut logisch! Wenn Du sie nämlich sofort parat hättest, würdest Du ein anderes Leben er-leben... Doch an Deiner Situatiuon ist nichts irgendwie falsch - fass´ das nicht als ein Versagen oder Versäumen auf!

Viele Menschen, die nie in eine Krise geraten oder einen Thera aufsuchen, fragen sich diese Fragen nämlich NIE bewusst. Denn sie ahnen im Unterbewusstsein, dass es sehr anstrengend sein könnte, auf sie einzugehen...

Beim o. g. Wünschen darfst Du ganz kreativ sein. Wünschen ist (D)ein Potenzial. Wie jedes Potenzial muss man es nicht (sofort) vollständig ausschöpfen oder nach seiner vollumfänglichen Erfüllung streben, aber es kennenlernen an sich ist schon mal äußerst lehrreich und kann Dich in vielerlei Hinsicht mit Dir (hier: Deinem Unterbewussten) versöhnen.


Zitat von MS07:
Das Leben als Hobby zu sehen ist eine schöne Vorstellung, vielleicht sollte ich erstmal daran anknüpfen...es überfordert mich jedoch eher, als dass ich mich gerne hobbymäßig damit beschäftigen möchte - was natürlich außer Frage nun praktiziert werden muss.


Ein wunderbarer Satz... Kleiner Tipp: Hobbys erfordern oft viel Kraft, Ausdauer und Leidenschaft. Versuche, diese Adjektive als wertvoll anzunehmen. Wenn Dir das gelingt, bist Du bereits mittendrin im Hobby MS07 .


Zitat von MS07:
Vielleicht ist es die ganz normale Planlosigkeit des Lebens, der sich jeder mal stellt. Weshalb schmerzt es aber so sehr, dass ich solch einen Tunnelblick entwickelt habe und mir tagtäglich Ohnmachtsgefühle den Tag verderben?

Ein guter Freund, der mal in einer ähnlichen Situation war, sagte: Mir wurde kotzübel, als ich erkannte, dass ich fast mein ganzes Leben versaubeutelt habe!. Dieser Wendepunkt in seinem Leben war jedoch absolut notwendig. Du kannst das auch Wendeschmerz nennen - Du siehst Dein bisheriges Ich mit anderen Augen. Du bist somit bereits eine (etwas) Andere - kapiert?

Bitte beachte: Deine Einsicht, dass Du im Tunnel gelebt hast, nimmt Dir die Ohnmacht und gibt Dir Verantwortung. Zum Begriff Verantwortung habe ich mal was geschrieben - damit könnte sich für Dich der Kreis ein wenig schließen: stammkneipe-zum-lichtblick-f119/alternatives-glossar-t112848.html#p2454230

Zitat von MS07:
Ich möchte nicht anhalten, weiß jedoch nicht wohin mit mir.

Letztendlich ist überall hier und jederzeit jetzt. Anhalten, mitschwimmen und vorauseilen sind letztlich Illusionen des Egos. Aber ich denke, das führt hier etwas zu weit...

Zitat von MS07:
Wir haben am 28.06. einen Notartermin, um ein Haus zu kaufen. Eigentlich sollte ich darin meine Lebensaufgabe sehen, jedoch bin ich wie blockiert.

Du kannst das über- oder unterbewerten. Natürlich fixiert so ein Haus, doch man kann es auch wieder verkaufen. Wichtig ist ein guter Vertrag, indem keiner von Euch irgendwie benachteiligt ist.

Eine Lebensaufgabe kann man übrigens zwiegespalten verstehen: Man hat eine Aufgabe im Leben oder man gibt sein Leben auf...

Zitat von MS07:
Nicht so einfach mit mir, ich weiß.

Die Einfachen sitzen draussen im Café und labern über´s Wetter. Sie altern nach Rinderart: kommen auf die Welt, nehmen an Gewicht zu und sterben irgendwann...

Da fällt mir ein - Zeit für meinen 2. Espresso!

Ich bin kein Philosoph wie @moo daher meine Antwort in Kürze: Warum sollte man denn überhaupt wissen was man will? Hat das einen Mehrwert? Wenn ja, ist die Antwort darauf wichtig, wenn nein, müßig

Die Frage nach dem was man will, wurde auch mir in jeder Therapie irgendwann gestellt. Selbst wenn mir nichts einfallen wollte, so hat sie eines bewirkt. Ich denke jetzt darüber nach, ob ich etwas wirklich will, oder denke, dass andere meinen das ich das wollen sollte. Abgesehen davon, dass das was ich will, ja nicht auch so kommen muss und ich ohnehin auch frei bin, irgendwann das genaue Gegenteil zu wollen.
Ich glaube etwas zu wollen setzt eine gewisse Ehrlichkeit mit sich selbst voraus. Und ich denke, darum geht es bei dieser Frage, wenn ein Therapeut sie stellt.

Zitat von MS07:
Er meinte, ich solle mir klar machen, was ich in meinem Leben erreichen möchte


Siehste, Therapie ist spannend. Was kann man da doch alles in eine Antwort reinpacken. Ich z.B. denke da null ans aussen, sondern mir reicht ein zufriedenes Leben, und nun könnte ich loslegen, was ICH darunter verstehe und zeitweise darum kämpfe, auch nur annähernd diesen Zustand zu erreichen.

Ich hab eigentlich nie irgendwas gewollt außer Frieden in mir und mit mir selbst. Den hatte ich lange Jahre nicht aus verschiedenen Gründen, deshalb gab es Depressionen, Angst- und Panikstörungen, Burn out.
Ich denke da auch wie @Icefalki nicht ans Aussen.
Ich denke, wenn man seinen inneren Frieden gefunden hat, ergeben sich viele Antworten auf Fragen von ganz allein.
Ich kann sagen nach der Arbeit mit mir selbst, dass ich oft ein Aha-Erlebnis hatte und daraus viel mitnehmen konnte und auch über mich selbst einiges gelernt hatte/habe und noch dabei bin. Wie heißt es so schön, man lernt nie aus und das bis ans Lebensende. Ist man irgendwo angekommen bei dem, was man sich gewünscht hat, darf man sich entscheiden für Stillstand (wunschlos zufrieden) oder weitere neue (Lebens-) Wege.
Das ist mein Gedanke dazu.

Vielen Dank an alle für die sehr informativen Antworten ich denke auch, dass ich meinen Frieden erst in mir suchen muss, bevor ich mich ins Außen stürze. Bin heute nochmal in mich gegangen und habe selbst bemerkt, wie ich alles überstürze und mich erstmal erden sollte.

Den Aspekt "was wünsche ich mir" und "meine Meinung frei äußern" nehme ich dankend an, ohne Druck und versuche erstmal mir eine gute Freundin zu sein.

A


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Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl
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