Liebes @Reenchen ,
vielen Dank für deine klaren und umsichtigen Worte.
Ich glaube ich schreibe jetzt einfach mal meine ganze Geschichte - hab lange überlegt, ob ich das wirklich tun soll, denn es ist schon nicht ohne und kostet mich Überwindung.
Also: Ich bin mit einer sehr seltenen Anomalie um Bauch-Beckenbereich geboren. Es gibt diese Anomalie in drei Ausprägungsformen. Ich habe die ausgeprägteste Form, die ganz ganz extrem selten vorkommt.
Als Baby hatte ich mehrere OPs, und ohne Eingriff am 2. Lebenstag hätte ich nicht überlebt. Als ich 6 Jahre alt war, hatte ich eine große OP, in der alles abschließend korrigiert und so plaziert wurde, wie es bis heute ist. Dazu habe ich eine leichte Sehbehinderung, mit der ich aber ganz gut zurecht komme.
Als Kind ging es mir trotz allem recht gut, habe sehr schöne und glückliche Erinnerungen an diese Zeit. Die Probleme fingen mit Beginn der Pubertät an. Aufgrund des Krankheitsbildes, das auch nach außen hin sichtbar ist, waren erste Beziehungen zu Jungs für mich nicht zu machen. Meine erste wirkliche Beziehung hatte ich erst mit 21. Das war aber nicht so schlimm. Viel schlimmer war, dass ich mich ausgeschlossen und minderwertig fühlte und begann, die ganze Problematik zu verdrängen. Selbstwertgefühl hatte ich überhaupt keins. Das wurde durch Mobbing in der Schule - ich war ja irgendwie anders und das spürte die Drecksbande - endgültig zerstört. Ich konnte nicht darüber reden, habe alles in mich hineingefressen, und das hat mir nicht gut getan. Durch einen Schulwechsel wurde es besser. Aber ich war traumatisiert, und das Traume konnte ich nicht wirklich verarbeiten und mein Selbstwert erholte sich nicht. Mit Mitte 20 hatte ich einen regelrechten seelischen Zusammenbruch. Schwere Depression, es ging gar nichts mehr. Hab Medikamente bekommen und eine Psychoanalyse gemacht. Die Therapeutin war ein Segen für mich, sie hat mich wieder auf die Füße gestellt und mir Selbstwertgefühl gezeigt. In der Therapie habe ich vor allem die schlimme Phase in der Schule bearbeitet. Das war sehr schwer, aber ich konnte es überwinden. Außerdem habe ich die düsteren Erinnerungen an Klinikerfahrungen als Kind aufgearbeitet. Sie hat mir beigebracht, mich selbst zu reflektieren, und das tue ich bis heute. Ich verdanke ihr sehr viel und werde ihr immer dankbar sein.
Seit dieser schweren Depression bin ich anfällig für depressive Verstimmungen, die sich immer wieder zu echten Depressionen auswachsen. 2012 und 2014 ging es mir wieder sehr schlecht, und so ging ich ab Herbst 2014 wieder in Therapie und nahm wieder Medikamente (hatte ich vorher auch genommen, allerdings mit Unterbrechungen). Dieses Mal Verhaltenstherapie. War auch gut, und ich habe auch hier einiges rausholen können. Im März 17 ging die Therapie zu Ende. Mir ging es gut, ich war stabil.
Seit ca. 1,5 Jahren habe ich immer wieder Probleme mit trockenen Augen. Die Augenärztin vermutete, wie schon geschrieben, die ADs als Verursacher. Der Psychiater stimmte zu, sie abzusetzen, da ich nur eine ganz geringe Dosis nahm. Tja, und jetzt kommt alles wieder - seit ein paar Wochen merke ich Verschlechterung, seit ein paar Tagen wird es massiv schlechter, ich bin richtig depressiv. Niedergschlagen, kann mich nicht freuen, keinen Appetit, hin und wieder Herzrasen, oft leichte Magenschmerzen, bin null leistungsfähig, bin gereizt und ungeduldig und schaffe den Alltag kaum, alles ist waaaahnsinnig anstrengend. Sport schaffe ich nicht, gestern lag ich nur auf dem Sofa. Mir gehts völlig ätzend. Mein Herz ist manchmal gestresst. Das einzige was ich nicht habe und auch früher nie hatte, nur ab und zu einzelne Nächte und nur in der Anfangsphase der Depression, sind Schlafstörungen.
Nun frage ich mich: Warum kommt das immer wieder?
a) stecken vielleicht doch körperliche Ursachen dahinter? Ich ernähre mich eigentlich nurmal, gesund, und mache Sport. Ein Vitamin D-Mangel glaube ich nicht, denn die Depressionen sind unabhängig vn Jahreszeiten.
b) inzwischen glaube ich, dass meine Krankengschichte einfach emotionaler Dauerstress für mich bedeutet und so den Hirnstoffwechsel negativ beeinflusst. Das ursprüngliche Krankheitsbild hat Folgen. Vor allem merke ich, seit ich Mitte, Ende 20 bin, orthopädische Folgen, und ich muss Sport machen, mein Leben lang, um Arthrose und frühzeitigem Verschleiß vorzubeugen. Ich habe jahre, jahrelang dafür gebraucht, um das zu akzeptieren und regelmäßig machen zu können. Der Gedanke, dass mein Körper immer Hilfe braucht, um zu funktionieren und einigermaßen gesund zu bleiben, war unerträglich für mich. Inzwischen geht es ganz gut.
Mein Problem sind ständige Ängste und Sorgen. Krankheitsängste. Bei jedem bisschen sehe ich das Schlimmste, und ich habe Zukunftsangst. Bin ja nicht gefeit vor den normalen Alterserscheinungen. Ich bin seelisch sehr stark und hab verdammt viel Kraft, das weiß ich. Aber trotzdem hab ich Angst, dass ich, wenn da noch mehr dazu kommt, das alles irgendwann nicht mehr tragen kann. Die Last ist zu groß.
Diese Ängste sind immer da. Die ADs halten sie in Schach; nehme ich sie baer eine Zeitlang nicht, drängen die Ängste wieder massiv in den Vordergrund und beherrschen mich. Bsp.: Als das jetzt mit der Augentrockenheit aufkam, erwähnte die Augenärztin das Sjögren-Syndrom. Ich war völlig panisch, dass ich das habe. Durch den Sport, besonders ein Gerät, tut mir in letzter Zeit manchmal die rechte Hand weh. Ich hatte Panik und war sicher in den letzten Tagen, dass das Arthrose ist.
Diese Krankheitsängste machen mich fertig. Die Therapeutin sagt, es ist keine Hypochondrie im eigentlichen Sinne, sondern die Ängste resulteren allein aus meiner körperlichen Situation.
Dazu kommen andere Ängste. Ich kann nicht mit Post umgehen, hab Angst, sie zu öffnen. Diese Angst ist extrem, schon jahrelang, und ich komme damit überhaupt nicht klar. In der Therapie kam das leider zu kurz, obwohl es wichtig gewesen wäre. Es gab so vieles zu bereden. Letztendlich habe ich immer Angst, beschädigt zu werden: Ob durch den Brief, der mich fertig macht, weil etwas Schlimmes drin steht, oder ob durch irgendeine Krankheit, Degenererierung etc. Ich spreche mit meinem Körper, höre sehr auf ihn - und trotzdem habe ich kein Vertrauen zu ihm. Nicht wirklich.
Das alles stresst mich wahnsinnig. Und wahrscheinlich ist die ganze Geschichte der Grund, warum die Depris immer wieder kommen und mein Leben lang ein Teil von mir sein werden. In den letzten Wochen habe ich mir viele Gedanken gemacht, wie ich damit umgehen soll. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich meinen Körper nicht mein Leben lang oder immer wieder über längere Zeit mit Chemie vollpumpen will. Deshalb bin ich auf der Suche nach pflanzlichen Alternativen.
Auch habe ich Angst, meine Escitalopram wieder einzunehmen. Also klar muss damit wieder zum Doc, logo. Ich glaube inzwischen, dass die trockenen Augen eine andere Ursache haben, vielleicht eine hormonelle. Ich habe oft einen trockenen Mund und manchmal Rachen, es schwankt, mal mehr mal weniger. Im November hab ich einen Termin bei der Gyn, um den Östrogenspiegel testen zu lassen.
Alles was dazu kommt, macht mir schreckliche Angst. Wie geht es mir in 10 Jahren? In 20? Ich weiß, ich sollte jetzt leben, aber die Ängste sind zu stark.
So, jetzt kennt ihr meine Geschichte, und ich hoffe, dass ihr mich ein bisschen versteht.
14.10.2017 23:57 •
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