vom Findelkind zum Schlossermeister und Schiffskapitän.
Ich wurde als Junge am 02.11.1950 geboren, war aber nicht gewollt, offenbar ein „Unfall“. Jemand legte mich in einen Karton, deckte mich warm zu und legte mich vor der Feuerwache einer hessischen Großstadt ab. Mir wurde ein Zettel bei gelegt auf dem folgendes stand: Geburtstag am 2.11. 1950, 04:30 Uhr. Bitte gebt mir einen Namen, was zu Essen und eine saubere Windel. Vielleicht hast du, der du mich gefunden hast, lieb und möchtest mich behalten und mir vielleicht eine Familie geben.
Mehr stand nicht auf dem Zettel den mir meine „Findeleltern“ gaben als ich alt genug war und es begreifen konnte wieso und warum.
Ich hatte es gut getroffen, hatte liebevolle „Eltern“ gefunden. Der Mann, der mich fand war
Feuerwehr Hauptmann, er und seine Ehefrau durften mich nach Prüfung des Jugendamtes behalten, und gaben mir seinen Vornamen. Ab jetzt hieß ich Hans.
Meine Eltern freuten sich sehr da sie selbst keine eigenen Kinder hatten.
Ich wuchs gut behütet in meiner Familie auf, mir fehlte es an nichts. Nach sechs Jahren zu Hause, kam endlich die Einschulung und ich durfte was lernen. Nach acht Jahren pauken
die so schnell vorbei waren, kam der Tag der Entlassung.
Damals war die Schulpflicht nach acht Jahren beendet und man suchte sich eine Lehrstelle oder einen Job. Man schrieb mittlerweile das Jahr 1967. Ein sogenanntes Praktikum wie heute gab es nicht, entweder es machte einem Spaß in seinem Job bzw. Lehre oder nicht. Dann hieß es, Zähne zusammenbeißen und durch. Das Lehrlingsgehalt damals belief sich auf 50 DM monatlich. Wer einen Job annehmen musste, vormals auf dem Bau, war der Lohn wesentlich höher.
Ich entschied mich für eine Lehrstelle als Schlosser, und bekam einen Lehrvertrag in einem großen Chemiewerk in Frankfurt. Es gab eine prima Zugverbindung bis ins Werk. Mein Vater war, neben seinem Hauptberuf bei der Feuerwehr, auch Schlosser und Schmied mit eigener kleiner Werkstatt. So kam ich zu diesem Handwerk, es machte mir Freude handwerklich etwas herzustellen oder zu schmieden. Es faszinierte mich schon als ich noch klein war und mit in die Werkstatt durfte. Der Funkenflug beim Schleifen oder beim Schmieden, der Geruch nach Öl, Schmiedekohle für die Esse und das klingen der Hammerschläge auf dem Amboss.
Nach Abschluss meiner Lehre von dreieinhalb Jahren, man schrieb inzwischen das Jahr 1971, kam der Tag der Gesellenprüfung die ich mit 2 / 2 bestand.
Nun verdiente ich gutes Geld. Ich meldete mich in einer Fahrschule an um den Führerschein der Klassen 1 und 3 (damals Motorrad ohne Begrenzung) und Auto zu erwerben den ich dann bei Erreichen des 18. Lebensjahr und nach bestandener Prüfung ausgehändigt bekam. Theoretische und Praktische Prüfung war an einem Tag, also morgens Theorie, nachmittags Praktisch. Ich bestand mit Null Fehler.
Jetzt kam der Gedanke an ein Auto aber dafür musste ich noch etwas sparen, deshalb musste es ein Motorrad sein. Ich kam so zu einer BMW R 25/2, Bj.1950, 12 PS, 45000 km zu einem Preis von 100 DM. Ein zuverlässiges Motorrädchen das mich von einem Ort zum anderen brachte, ohne Probleme.
Nun bereitete ich mich auf die Meisterprüfung vor. Die Meisterschule war 28 km weiter entfernt, aber das war dank meines Motorrädchen kein Problem. Ich bestand die Prüfung und war mit 24 Jahren der jüngste Schlossermeister meines Jahrgangs. Der Verdienst konnte sich auch sehen lassen und so kam auch der Gedanke an ein Auto wieder das ja auch beträchtlichen Komfort besonders im Winter zu bieten hat. Warm und trocken, evtl. Musik, das war doch etwas seinerzeit.
Ich lernte ein Mädchen kennen, wir verliebten uns und nach einigen Jahren heirateten wir. Aus dieser Ehe gingen 2 Kinder im Abstand von 2 Jahren hervor, ein Junge und ein Mädchen.
Nach ein paar Jahren liesen wir uns leider wieder scheiden, es passte halt doch nicht für ein Leben lang. Ich war nun 30 Jahre alt und dachte über mein Leben nach.
Ob der Job noch die Erfüllung ist? Gedanken kommen und gehen. Ja, ich habe etwas geleistet, wenn man bedenkt wo ich herkomme.
Ich bekam ein Angebot vom dem Chemiewerk, ob ich nicht für sie fahren möchte. Ich fragte wie oder was ist dass das sie mir anbieten?
Nun war die Antwort sehr überraschend gewesen. Man bot mir an einen Sattelschlepper LKW zu kaufen, einen Auflieger würde ich gestellt bekommen und sollte Lachgas nach Spanien zu einer Abladestelle bringen. Der Verdienst war für mich utopisch. Also setzte ich mich hin und begann zu rechnen.
Ausgaben:
Da war als erstes den LKW-Führerschein Klasse 2 zu machen. Businessplan erstellen
Kredit von der Bank, Kreditkosten, ein Gewerbe anmelden
Der Kauf eines gut gebrauchten Sattelschleppers mit Fernverkehr Fahrerkabine.
Krankenversicherung, evtl. Krankenzusatzversicherung, Rentenversicherung,
Berufsgenossenschaft, IHK-Beiträge, Private Unfall Versicherung, Transportversicherung
LKW-Unterhalt. Kraftstoff, damals weit unter dem Preis von Heute, Rücklagen für Reifen bzw Reparaturen usw, Maut gab es keine und der Festpreis den ich angeboten bekam, war einfach Prima und so wurde ich selbständiger Unternehmer mit eigenem LKW.
Die Touren machten mir großen Spaß, ich lernte spanisch sprechen lesen und schreiben.
Zehn Jahre lang fuhr ich im Fernverkehr und transportierte die verschiedensten Waren im In und Ausland. Dann kam eine Zeit wo alles teurer wurde, die Kraftstoffpreise stiegen hoch, die Frachtraten fielen. Es rentierte sich nicht mehr als Unternehmer mit nur einem LKW zu fahren, wenn die Unkosten die Einnahmen übersteigen. So löste ich meinen Betrieb auf, verkaufte den LKW und überlegte wie es weitergehen kann.
Die Idee kam zögernd, ich war jetzt 41 Jahre alt, was sollte ich tun. Arbeitslosengeld kam nicht in Frage. Und jemandem auf der Tasche liegen auch nicht. Also verkaufte ich meinen Ein Personen Haushalt und fuhr Arbeitssuchend nach Hamburg. Ein möbliertes Zimmer war schnell gefunden und so hatte ich Zeit für die neue Jobsuche.
Dann las ich das eine bekannte große Reederei einen Schlossermeister für die Instandhaltung der Maschine und etwaige sonstige Reparaturen auf einem großen Containerschiff sucht.
Ich bewarb mich sofort, bekam nach einigen Tagen ein Termin zu einem Vorstellungsgespräch.
Der Personalchef war sehr nett, er erklärte mir alles und beantwortete alle meine Fragen.
Ich erfuhr das dieses Schiff mit mehreren tausend Seecontainern beladen ist und die Route nach Fernost geht. Also von Hamburg nach Singapur, Shanghai, Dubai usw. Mit Be und Entladen dauerte die Tour 46 Tage hin und auch wieder zurück, je nach Wetterlage.
Die Reederei meldete mich in der Seemannsschule in Hamburg Finkenwerder an wo ich
einen Seemännischen Lehrgang von 4 Wochen absolvierte, ein Muss für jeden Quereinsteiger. Man lernt die „Seemanns Sprache“ und was oben, unten, links, rechts
hinten und vorne ist
Nun endlich ging die Reise los, ich war sehr aufgeregt, verständlich.
Die Kajüte teilte ich mit noch einem Kameraden, er war Kanadier, sprach englisch, deutsch, französisch und übernahm die Einweisung für mich. Er zeigte mir alles was auf mich zukam, was ich zu tun und zu lassen habe. Die Schicht war12 Stunden lang, einmal Tag und einmal Nachtschicht von 6:00 bis 18:00 Uhr und von 18:00 bis 6:00 Uhr dann ein freier Tag.
Wir verstanden uns prächtig, die Arbeit gefiel mir sehr, ich sah viel von der Welt und bekam auch noch Lohn (Heuer) dafür.
Insgesamt bestand die Crew aus 35 Mann, das Brückenpersonal nicht mitgerechnet.
Nach einigen Lehrgängen und eine Ausbildung zum Schiffsmechaniker wollte ich mehr aus mir machen.
Also eine nautische Ausbildung, die 3 Jahre dauerte, und die ich an Bord absolvierte.
Es gab sehr viel zu lernen in Theorie sowie auch im praktischen Teil
Dann nach weiteren Jahren machte ich das Kapitänspatent A6 für große Fahrt.
Jetzt war ich der Chef und hatte Verantwortung für meine gesamte Crew, das Schiff sowie auch die Ladung die aus 10000 Seecontainer bestand, mal mehr, mal weniger.
Jetzt nach 24 Jahren auf See durfte ich mit 65 Jahren in Rente gehen. Durch laufende Einzahlungen der Reederei in die Seemanns Kasse die auch die Renten auszahlt, bekam ich eine schöne Rente, davon kann ich gut leben.
Nun sitze ich seit einigen Jahren im Rollstuhl und habe mit Depressionen zu kämpfen.
Alleine zu sein und grübeln ist auch nicht die Erfüllung. Einen sogenannten Rentner Stammtisch gibt es hier leider nicht, und einen zu gründen konnte mangels Interesse auch nicht umgesetzt werden. Man hätte sich unterhalten können und Geschichten aus dem Leben erzählen. Und andere Rollstuhlfahrer: innen sind ja körperlich noch ärmer dran als ich. Hat also nichts gebracht, schade.
Ahoi
20.08.2024 12:30 • • 07.09.2024 x 8 #1