STeil 4
Das Ego und die Rollenspiele
Zu Beginn berichtet Oprah über die bisherigen Reaktionen der Webcast-Teilnehmer*innen auf der ganzen Welt. Da taucht immer wieder als ein Kernthema die Frage auf, wie diese mit den Menschen umgehen sollen, die sich (noch) nicht auf den Weg gemacht haben oder es gar nicht wollen. Menschen aus dem nahen Umfeld, die nicht auf dem Weg des Erwachens sind oder gehen wollen. Die klare Antwort darauf: Der Shift (hm... Veränderung im Deutschen ist mir fast zu wenig)... vielleicht der Ruck, mit dem die Transformation beginnt... kann nur in uns selbst, in unserem Inneren stattfinden. Wir können andere nicht dazu bringen, weil es nur funktoniert, wenn wir selbst es (vor)leben, nicht jedoch denselben Wandel von anderen einfordern.
Es gilt, sich immer wieder daran zu erinnern, dass wir uns auf das Verhalten eines Menschen beziehen, nicht die Person selbst, die im Kern ebenso wie wir unantastbar ist (als Repräsentant*in des Lebens/Gottes oder wie es jeder für sich nennen mag).
Nun ist es schade, dass wir im Deutschen das Wort Mensch haben, mit dem sich nicht so gut das Spannungsfeld zeigen lässt wie mit dem englischen human being. Human Menschlich Being Sein. Mensch = menschliches Sein. Menschlich ist alles, was der Form Mensch so geschieht im Leben. Sie altert und vergeht. Sie bekommt in vielen Fällen Nachwuchs und wird Vater/Mutter etc. Partner. Übt einen Beruf aus. All das sind Rollen, die zum Menschsein gehören (können). Das Sein im Wort human being deutet wieder auf die Quelle allen Lebendigseins. Das ist wieder das Formlose, Unendlichwährende...
Im Original heißt es: Human alone is never enough, no matter how hard you try and what you achieve... Der menschliche Aspekt bleibt zu sehr an der Oberfläche. Egal, wie sehr wir uns engagieren und gleichgültig, was wir an Irdischem (Besitz, Titeln etc.) erwerben, in die Tiefe - in die Ebenen von wahrer Freude, Leidenschaft, Sinnhaftigkeit - kommen wir nur über das Sein. Als Menschen meinen wir, dass ein hohes Energieniveau, wie viele von uns es haben, ein Zeichen von Kraft und Power ist. Doch diese Energien sind oft sehr stresshaltig und auf längere Sicht eher kräftezehrend. Wir verbrennen eher (Burnout) statt dauerhaft und von innen heraus zu leuchten.
Eine Übung, um mit stressigen Situationen und Herausforderungen umzugehen, ist: Stell dir vor, du wärst durchlässig. Vollkommen transparent. Die Quelle des Stresses - beispielsweise Presslufthammer-Lärm - geht durch dich hindurch. Dein konditionierter Verstand bekommt gar nicht erst die Gelegenheit, sich den Lärm zu krallen und daraus ein Riesenfass aufzumachen, dass er nicht sein darf, dass es dies ist und jenes jada jada bla bla. Tolle vergleicht uns Menschen auch mit einem See. An der Oberfläche des Sees spielen sich alle Dinge des Lebensalltags ab. Doch ganz in der Tiefe bleibt der See vollkommen unberührt und unbeeindruckt von allem, was sich oben abspielt... Mit Training können auch wir lernen, uns von den Herausforderungen/Störungen/Irritationen nicht so hinwegfegen zu lassen, sondern an unsere Ruhe im innersten Kern zu denken und uns mit ihr verbinden lernen. Das braucht natürlich Zeit.
Ein Anrufer aus Russland schildert, dass die Meditationspraxis bei ihm sehr gut klappt, wenn er zu Hause ist. Doch sobald er seinen Fuß ins Büro setzt, geht der Stress los und er schafft es nicht, dem etwas entgegenzusetzen. Darauf rät ET ihm, beispielsweise eine Pflanze ins Büro zu stellen und täglich mehrmals immer wieder für kurze Momente die Pflanze zu betrachten, ruhig zu atmen und sich mit dem gegenwärtigen Moment zu verbinden. Oder: Wenn das Telefon klingelt, es zweimal länger klingeln zu lassen, als er es normalerweise machen würde und in diesen zwei Klingel-Intervallen ruhig zu atmen, sich mit dem Moment zu verbinden und j e t z t das Klingeln bewusst zu hören und dann ganz bewusst abzunehmen.
Überidentifikation - Ego - mit der Rolle Arbeitnehmer führt in Japan beispielsweise nicht selten zu Suiziden, wenn Menschen gekündigt werden oder ins Rentenalter kommen. Die Rolle wird zum Selbst (egobasiert) und mit Verlust der Rolle, geht alles verloren. Überidentifikation mit der Elternrolle führt zu unangemessenem Verhalten gegenüber erwachsenen Kindern (Reinreden, Kontrolle etc.). Überidentifikation mit äußerlicher Attraktivtät führt ebenfalls zu großem Leiden und tiefer Entwurzelung, wenn die körperliche Form Mensch sich altersgemäß wie bei allen Menschen verändert.
Anruferin Jenny aus Los Angeles bringt das Thema Schuldgefühle auf, das ja für viele Frauen auf der ganzen Welt engstens mit der Mutterrolle verbunden ist:
Mütter fühlen sich schuldig, weil sie arbeiten und eine andere Person ihr*e Kind*er betreut.
Mutter fühlen sich schuldig, weil sie zu Hause bleiben und sich mit dieser Rolle alleine nicht ausgefüllt oder als gleichwertiges Mitglied der Gesellschaft fühlen.
Mütter fühlen sich schuldig, wenn ihr Kind krank zur Welt kam (Jenny hat einen autistischen Sohn).
ET geht darauf ein und erinnert sie daran, dass die Ego-Struktur im menschlichen Denken nur das kann: anklagen, verurteilen, Schuldgefühle einreden... Diese Form des Denkens kann nichts anderes. Crazy talk in your head = verrücktes Gerede im Kopf... mehr ist es nicht. Doch es vermittelt uns den Eindruck, dass es eine ernstzunehmende Instanz sei . Es geht darum durch achtsames Beobachten, was da wieder im Kopp los ist , den konditionierten Strukturprozess des Ego zu erkennen. Gefahr erkannt, Gefahr (fast) gebannt, so in der Art.
Hier noch am Rande erwähnt: Ich habe kürzlich eine Reihe von Anthologie-Kurzfilmen gesehen. Eine hieß: Die Frau, die Bissspuren an sich selbst fand. Das war so megainteressant umgesetzt: das Thema Mutter mit Karriere und wie ihr schlechtes Gewissen gegenüber ihrer kleinen Tochter sie buchstäblich auffrisst. Redensarten also wortwörtlich genommen. Was für eine Idee...
Zurück zum Webcast: Es geht auch darum, in welchen Schritten die Veränderungen stattfinden. Natürlich sind viele Menschen da sehr ungeduldig mit sich selbst. Erleuchtung JETZT UND SOFORT GEFÄLLIGST! Ha ha. Die gute Nachricht: Einmal damit begonnen, geht es nie mehr wieder zurück in die Unbewusstheit. Wer einmal sein Ego erwischt hat, kann es nicht mehr unsichtbar machen. Wie beim Meister Eder und seinem Kobold Pumuckl. Einmal sichtbar, weiß der Eder, dass der Pumuckl existiert, ob er ihn gerade sieht oder hört, ist egal. Das hat natürlich keiner im Webcast gesagt Die Lücke zwischen Reiz und konditionierter (EGO-)Reaktion wird mit der Zeit größer. Irgendwann merken wir, bevor wir losschlagen, dass hier mal wieder das Ego unser Schiff auf Autopilot übernehmen will... und dann schaffen wir es, ihm zuvorzukommen.
Eine wichtige Frage, die sich in herausfordernden Situationen stellt, ist: Kann ich der Raum sein für...? Und dann folgt das, was uns stresst/irritiert/nervös macht usw. Jede schlimme Situation kann für uns zum Erinnerungsmoment werden:
J e t z t bin ich bewusst mit dieser Situation xy und bin der Raum dafür... Wenn mich einer anpampt, bleibe ich freundlich/ruhig, Wenn ich in einer langen Schlange an der Kasse stehe, nutze ich die Zeit, um meine Füße auf dem Boden zu spüren, zu atmen, mich mit dem gegenwärtigen Moment zu verbinden. Ich bin dann ein Raum für langes Warten ohne mich vom Ego ins Genervtsein ziehen oder locken zu lassen. Und wenn ich nach einer Weile ruhigen Atmens um das Öffnen einer weiteren Kasse bitte, geschieht dies aus einer anderen Kraft/Präsenz als der genervt-gestresst-getriggerten des Ego. Wenn wir vollkommen präsent sind, entsteht in den Schwierigkeiten und Problemen des Alltags eine Art Heiligkeit.
Das Geheimnis des Glücklichseins ist die Verbundenheit mit dem Leben, die Verbundenheit mit dem gegenwärtigen Moment. Das Leben ist der Tänzer, du bist der Tanz. Das Leben tanzt mit uns den Tanz der Form (Mensch, Pflanze, Tier, Gegenstände). Wir reden ja oft von unserem Leben, als ob es etwas außerhalb unserer selbst ist. Oder wir fürchten uns davor, das Leben zu verlieren... In der Sicht ETs sind wir Leben. Es gibt keine Trennung.
Das war für mich einer dieser Flash-Momente 2012, als ich zum ersten Mal den Kurs gemacht habe. Er hat seine tiefe Wahrheit für mich behalten. Life is the dancer, you are the dance... In meiner Wahrnehmung wunderschön... und auch mit einer wohltuenden Demut versehen...
Wer bis hierher gelesen hat: Danke für die Aufmerksamkeit und das Interesse.
Einen wunder-vollen Samstag und für alle Moms natürlich Muttertag morgen (ja ja, ich weiß, wer den erfunden hat, trotzdem werde ich mich feiern mit meinem Nachwux, weil ich etwas aus der Rolle gemacht habe und noch mache, das ich zu deren Beginn nicht einmal zu träumen gewagt hätte...
07.05.2022 08:46 •
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