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Hallo an alle,
dies ist mein erster Beitrag in diesem Forum. Ich habe mich erst vor wenigen Tagen angemeldet. Dies wird ein langer Text und jeder liest ihn auf eigene Gefahr. Ich schreibe hier meine Gedanken nieder. Ich wäre froh wenn dies jemand von euch lesen und auch beantworten würde, aber ich will niemanden triggern.

Ich bin 43 Jahre alt. Bei mir wurden im Jahr 2007 mittelschwere Depressionen festgestellt. Im Jahre 2010 lautete die Diagnose dann schwere Depressionen. Ich war schon in zwei Kliniken, 2007 und 2013. Die Klinikaufenthalte waren schön, doch im Grunde waren sie nur Urlaub von meinen Problemen. Mir hat die Zeit dort gut getan, aber das Problem ist und bleibt der Alltag. Die Klinikaufenthalte waren eine Auszeit vom Alltag. Und auch wenn ich dort viele Angebote wahrgenommen habe und gesehen und erlebt habe was man alles machen kann, habe ich nichts davon in meinen Alltag mitgenommen. Ich schaffe es nicht all die Dinge in meinem Alltag zu platzieren. Entweder fehlt mir die Zeit, die Kraft oder die Motivation oder was ein Hauptgrund ist: Der Sinn dahinter.
Mein bester Freund hatte bei meiner Hochzeit im Jahre 2002 gesagt, das ich ein Suchender bin und das er den Eindruck hat das ich angekommen bin. Das dachte ich auch, doch es war ein Irrtum. Ende 2009 habe ich mich von meiner Frau getrennt und seit 2011 bin ich nun offiziell geschieden. Ich suche immer noch. Doch ich weiß nicht wonach ich suche. Ich denke in erster Linie suche ich nach dem Sinn. Den Sinn für das alles hier. Ich frage mich manchmal ernsthaft warum und für was soll ich all das machen? Ich habe keine konkreten Suizidgedanken, aber ich frage mich warum ich jetzt noch 20, 30 oder 40 Jahre weitermachen soll.
Wenn ich mir die Welt anschaue, dann gefällt mir nicht was ich da sehe. Es gibt sicherlich viele schöne Dinge, aber die schlechten und negativen Dinge werden immer größer und immer mehr. Ich habe immer öfter den Eindruck das ich nicht hierher gehöre. Ich versuche schon zu filtern, ich schaue so gut wie keine Nachrichten mehr, habe mich bei den meisten Gruppen auf Facebook abgemeldet und die meisten Kanäle auf Youtube aus meinen Favoriten rausgeschmissen. Ich war auch mehr als vier Jahre auf einer Ratgeberseite aktiv und habe dort Fragen beantwortet. Ich habe ja nun einiges an Lebenserfahrung und es hat mir Spaß gemacht anderen Leuten zu helfen und Ratschläge zu geben. Doch vor ein paar Tagen wurde es mir zu viel und ich habe mich abgemeldet. Ich konnte die ganzen Fragen nicht mehr lesen und wollte sie auch nicht mehr beantworten. Mir ist auch klar geworden, das es nach 10 Jahren Depressionen doch endlich mal für mich weitergehen muss. Doch so gut meine Ratschläge für andere waren, für mich selbst finde ich kein Rezept.
Ich sehne mich nach früheren Zeiten und wenn ich 20 oder 30 Jahre zurück denke, dann fühle ich mich gut. Ich lebe immer öfter in der Vergangenheit, an meine Großeltern die damals noch gelebt haben und an glückliche Momente. Sicher war damals auch nicht alles super, aber ich denke das sehr vieles besser war als heute. Die moderne Gesellschaft widert mich irgendwie an. Das ist krass, aber ich finde keine anderen Ausdruck um das Gefühl zu beschreiben. Ich war schon immer irgendwie ein Eigenbrötler und Einzelgänger, aber in den letzten Jahren ist es durch die Depression noch schlimmer geworden. Dabei habe ich schon Interesse an politischen und gesellschaftlichen Dingen. Dann fange ich doch wieder an Nachrichten zu schauen und Berichte zu lesen. Doch dann kommt der Punkt wo mich das alles runter zieht und ich gebe es wieder auf.
Ich denke mein Rückzug in die Vergangenheit kommt auch daher, weil es in meinem Hier und Jetzt keine positiven Erlebnisse und Ereignisse mehr gibt. Wenn mein persönliches Erleben im Hier und Jetzt positiver wäre, dann würden mich wahrscheinlich auch die äußeren Bedingungen nicht mehr so runterziehen. Ich hoffe irgendwie das es besser wird, aber ich glaube es nicht. Ich vermisse die Zeit als ich noch frei und unbeschwert war und die persönlichen und weltlichen Probleme mich nicht nieder drückten. Ich habe mit Sicherheit auch ein Problem mit dem Älter werden. In den letzten Jahren sind so viele bekannte Menschen gestorben. Menschen die man aus Kinder- und Jugendtagen kannte und die in gewisser Weise Wegbegleiter waren. Bud Spencer zum Beispiel. Oder Götz George. Wenn ich ihre Filme sehe, dann wird mir bewusst das diese schon 30 oder 40 Jahre alt sind. Und das sie jetzt tot sind. Immer öfter sehe ich Filme in denen ein Teil der Darsteller schon tot ist und da wird mir bewusst das ich selbst auch schon 43 Jahre alt bin. Damit bin ich nicht uralt und wenn Gott oder das Schicksal es so wollen, habe ich noch mein halbes Leben vor mir. Aber viele Dinge die mich bisher begleitet haben verschwinden aus meinen Leben. Meine Großeltern sind schon seit Jahren tot. Mein Vater ist 75 und meine Mutter ist 71 Jahre alt. Wenn sie beide sterben bin ich allein und ich habe niemanden mehr. Davor habe ich irgendwie Angst. Und ich habe auch irgendwie Angst mit 60, 70 oder 80 irgendwo einsam und allein zu sterben.
Es ist irgendwie so als ob ich bis vor 10, 15 Jahren ein Gerüst um mich hatte, ein Gerüst das mich stützte und begleitete. Und dieses Gerüst ist in den letzten Jahren nach und nach weg gebrochen. Geliebte Menschen sind gestorben, geliebte Tiere sind gestorben, geliebte Schauspieler und Musiker sind gestorben. Die Welt hat sich verändert, in meinen Augen nicht zum Besten. Wenn heute alles so toll ist, warum schütten sich immer mehr Menschen mit Alk. und Dro. zu? Da stimmt doch was nicht.
Ich habe ein kurzes Interview mit dem Hirnforscher Gerald Hüther gesehen. Darin ging es um die Frage Was ist dein Lebenssinn? Das frage ich mich ständig. Darin sagt er das man versuchen soll seinem Dasein einen Sinn zu geben, das man für etwas lebt. Und das man sich fragen sollte wer man sein will. Doch wie man das erreicht und heraus bekommt, das weiß ich bis heute noch nicht. Ich bin komplett ahnungslos. Bei der Frage Wer man sein will stört mich irgendwie das selbst wenn man eine Antwort auf die Frage findet, das man da zwar dann versuchen kann so zu werden, aber in den allerwenigsten Fällen wird das gelingen. Weil es Umstände gibt, die man nicht beeinflussen kann und verhindern das man zu 100 Prozent so wird wie man will. Und meistens ist es doch so das wir fast immer etwas sein wollen was wir nicht sein können. Und bei vielen ist es auch der Grund weshalb wir krank geworden sind. Weil wir den eigenen Ansprüchen nicht genügten. Da bleibt dann noch die Frage nach dem Sinn. Wie gebe ich meinem Leben einen Sinn? Wie und wofür lebe ich überhaupt? Ich weiß es nicht. Und ich habe manchmal den Eindruck und das Gefühl das ich die Antwort nie finden werde.
Meine Mutter hat mir mal gesagt, das sie sich schon ihr ganzes Leben lang langweilt. Sie hat immer etwas gesucht was sie erfüllt. Meine Mutter hat viel ausprobiert, doch nichts gefunden was sie auf Dauer erfüllt. Die Sachen waren mal für eine gewisse Zeit ok, aber dann war es wieder vorbei. Ich glaube das ich das von meiner Mutter in gewisser Weise geerbt habe. Das macht mich traurig und irgendwie ist es entmutigend. Ich bewundere Menschen die einen Plan haben, die etwas haben für was sie brennen, für das sie leben, etwas wofür sie sich einsetzen, etwas das sie glücklich macht, etwas wo sie wissen Genau das ist mein Ding. Ich habe so etwas nicht und ich wüsste auch nicht wo ich anfangen sollte mir der Suche.
Einer meiner größten Probleme ist wahrscheinlich das ich als Kind und Jugendlicher zum Teil nie ermutigt wurde etwas zu tun. Meine Mutter hat zwar schon versucht mich für verschiedene Dinge zu motivieren, aber meine Großmutter hat es irgendwie geschafft mich negativ zu beeinflussen. Vielleicht liegt es auch in meinen Genen. Vor einigen Jahren habe ich erfahren, das sich mein Großvater mütterlicherseits in den 1920er-Jahren aufgehängt hat. Er war depressiv. Mein Großmutter hat bei vielen Dingen gesagt Ach was willst du damit?, Das ist doch nichts?, Das machst du eine Zeit lang und dann gibst du es wieder auf, Das machst du eh nicht lange. Das sitzt irgendwie so tief drin in mir, das ich nicht weiß, wie ich es wieder raus bekomme. Teilweise denke ich selbst so.
Ich hatte jetzt Urlaub und ich wollte mal wieder etwas Sport machen. Doch im Urlaub bekomme ich oft den Ar. nicht hoch. Die erste Woche vom Urlaub geht gar nichts. Erst in der zweiten Woche werde ich etwas aktiv und ärgere mich das schon eine Woche rum ist. Und dann denke ich an die Zeit nach dem Urlaub. Ich stehe morgens um 04.15 Uhr auf und gehe um 05.15 Uhr aus dem Haus zur Arbeit. Nachmittags komme ich zwischen 17.15 und 17.30 Uhr nach Hause. Wenn ich noch einkaufen muss, wird es 18.00 Uhr. Da ich morgens so früh aufstehen muss, gehe ich dann meistens zwischen 20.30 und 21.00 Uhr schlafen. Sicher könnte ich dann noch Sport machen, aber oft fehlt mir einfach die Kraft, Energie und ehrlich gesagt auch die Lust und Motivation dazu. Aus diesem Grund habe ich dann in der zweiten Woche auch keinen Sport gemacht und jetzt ist Wochenende, der Urlaub ist vorbei. Und so geht es mit allem, alles bleibt wie es ist, nichts ändert sich. Dabei weiß ich ganz genau das sich was ändern muss, wenn es besser werden soll. Aber ich finde keine Lösung, keinen Ansatz. Und mir fehlt auch die Kraft un Energie die Dinge konsequent durchzuziehen und ich habe es auch nie richtig gelernt.
Doch es gab mal eine Zeit in der ich es geschafft habe. Vor 20 Jahren bin ich 2, 3 Jahre lang regelmäßig 3 mal die Woche ins Sportstudio gegangen. Ich war fit und hatte kein Übergewicht so wie heute. Wenn ich jedoch auf diese Zeit zurück schaue, dann kommt es mir manchmal vor wie ein anderes Leben. Auch bei anderen Situationen in meinem Leben ist das so. Ich frage mich dann wie ich das seinerzeit geschafft habe. Und ich frage mich was passiert ist, das ich es jetzt nicht mehr schaffe und wie ich es erreiche, damit ich wieder dahin komme.
Wenn mich heute einer fragen würde Was würdest du gerne machen? Ich wüsste keine Antwort. Ich komme mir vor wie ein Schüler der keine Ahnung hat und in der Schule vor eine leeren Schultafel steht. Wenn die Aufgabe lauten würde Schreibe all die Dinge auf die dich interessieren, die dir Spaß machen, dann würde mir nichts einfallen. Ich habe durch viele Umstände mein Leben zurückgeschraubt und auf ein Minimum reduziert. Im Grunde ist es nur noch ein existieren und kein Leben mehr.
Die Klinikaufenthalte konnten mir da auch nicht weiterhelfen. Sicher fühlte ich mich in den Kliniken wohl und lebte dort auf. Bei meinem ersten Klinikaufenthalt habe ich so viel gelacht wie in den vorangegangenen 10 Jahren nicht. Das hat gut getan, auch bei meinem zweiten Klinikaufenthalt. Doch ich wußte das es daheim nicht mehr so sein wird. Denn da warteten all die unbeantworteten Fragen und ungelösten Probleme.
Und die Therapien haben mir auch nicht weiter geholfen. Die erste Therapeutin hat meistens nur zugehört und nur wenig gesagt. Da konnte ich zwar erzählen, aber eine Lösung habe ich dort auch nicht gefunden. Der zweite Therapeut, bei ihm hatte ich nur 10-15 Sitzungen, meinte immer ich sollte aktiv werden. Ich sollte rausgehen, mich ins Cafe hocken, spazieren gehen usw. Das war gut gemeint und schon gut, aber auch das brachte mich nicht weiter.
Das Problem ist auch das ich nicht der Typ bin, der sich alleine in ein Cafe hockt. Ich kann solche Aktivitäten auch alleine nicht genießen. Ich würde es dort nicht lange aushalten. Und einen Ausflug machen, sich etwas anschauen, etwas besichtigen, kann ich auch nicht allein genießen. Mir fehlt dann einfach jemand mit dem ich das teilen kann, jemand mit dem ich das gemeinsam genießen kann. Aber ich habe niemanden, ich bin alleine. Ich hätte schon gerne eine Partnerin, aber ich fühle mich nicht liebenswert. Ich fühle mich nicht fähig eine Partnerschaft zu führen. Ich hätte Angst das meine Erkrankung meine Beziehung belastet und das die Beziehung für mich eine Belastung wäre.
Ich bin bei einigen Partnerbörsen angemeldet. Aber wenn ich die ganzen Profile der Frauen sehe, dann verlässt mich der Mut. Teilweise haben die Frauen große Ansprüche, genau wie die Männer. Und: Wer will schon einen kranken Mann? Eine Partnerin würde mir mit Sicherheit gut tun, doch ich bezweifle das ich eine finden werde. Zumindestens nicht solange sich bei mir nichts ändert.
Ich denke auch manchmal das ich erst Mal dafür sorgen sollte das ich auf die Spur komme und ich mein Leben in den Griff bekomme. Erst wenn ich das geschafft habe, kann und sollte ich an eine Beziehung denken. Doch wie schaffe ich das, wie soll ich das schaffen? Ich weiß es nicht!
Hinzu kommt auch, das mich meine letzte Beziehung schwer mitgenommen hat, in vielerlei Hinsicht. Dank dieser letzten Beziehung wurden meine Depressionen schlimmer und dank dieser Beziehung bin ich auch in der Privatinsolvenz gelandet. Das heißt ich habe auch im Moment keinen finanziellen Spielraum. Das macht mir sehr zu schaffen und das lastet auf mir wie ein Betonklotz der mich nieder drückt. Zum Glück endet die Privatinsolvenz im August 2018. Ich habe also nur noch weniger als ein Jahr wo ich durchhalten muss. Aber diese Zeit wird noch sehr anstrengend. Und ich befürchte das wenn ich bis dahin kein Konzept, keine Lösung, keine Antworten auf meine Fragen gefunden habe, sich dann nicht viel ändern wird. Dann habe ich zwar mehr Geld, aber es geht weiter wie bisher.
Ich habe jetzt viel geschrieben und ich fühle mich leer. Danke an alle die das hier lesen. Ich würde mich über eine Antwort freuen.

21.10.2017 02:56 • 21.10.2017 #1


4 Antworten ↓


Hallo Riese, willkommen hier im Forum.

Nun, aus dir spricht die Depression. Nimmst du Medis?

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Leere und keine Antworten auf all die Fragen!

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Nein, ich nehme seit 2 Jahren keine Medikamente mehr. Habe sie jahrelang genommen, hoch dosiert. Dann hatte ich im Februar/März wieder so ein starkes Tief das ich sie abgesetzt habe. Ich dachte nur Wenn die Medikamente mich nicht vor so großen Tiefs bewahren, dann brauche ich sie auch nicht weiter nehmen,

Gut, ich bin kein Kenner der verschiedenen Wirkstoffgruppen.

Meiner Erfahrung nach sind echte Depressionen per se ein beschissener Zutand, der es beinahe unmöglich macht, vernünftige, positive Erfahrungen speichern zu können.

Was nützt es also, von Umstrukturierung der eigenen Wahrnehmung zu reden, wenn das ganze System eh nicht aufnahmefähig ist?

Das stimmt, aber wie wird es aufnahmefähig?





Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl
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