@Grace_99
Liebe Grace,
ich habe jetzt seit gestern überlegt, ob ich Dir antworten soll oder nicht. Ich hab mich für antworten entschieden, auch wenn viele das, was ich jetzt schreibe, als esoterischen Quatsch abtun werden. Das ist dann so.
Ich kann Dich so gut verstehen, denn mir geht es gerade ähnlich. Nachdem ich dachte, auf einem guten Weg zu sein, sind meine Ängste ja Ende Oktober explodiert, ohne erkennbaren Grund. Ich konnte selbst Dinge nicht mehr, die bisher immer noch gut geklappt hatten – in ein Restaurant essen gehen zum Beispiel. Meine Welt wurde erheblich kleiner und selbst zu Hause, wo ich mich bisher immer einigermaßen wohl gefühlt hatte, hatte ich jetzt Angst und körperliche Symptome.
Bei mir zeichnet sich in den letzten zwei Jahren Therapie (Körperpsychotherapie) ein Muster ab: immer, wenn wir etwas Neues machen (ein neues Thema bearbeiten, eine neue Atemübung einführen etc.) geht es mir besser. Ich schöpfe Hoffnung, dass es jetzt mal endlich was wird. Und ein paar Tage später dann wieder die Rolle rückwärts und mir geht es wieder schlecht. Das bringt mich wirklich zur Verzweiflung. Ich mache und tue, lese Bücher, probiere Dinge aus – und nichts scheint zu helfen. Es ist, als ob jemand anderes eine Fernbedienung für mich hat und immer lustig und munter neue Programme einschaltet. Es ist nie gleich bei mir, ich kann nie sagen: „Jetzt mache ich A und B und dann geht es mir besser“. Mal hilft A, mal B, mal auch wieder nicht. Es gibt kein Muster, keine Regel an der ich mich festhalten könnte. Das macht mich komplett fertig. Es scheint, dass ich einen riesen Saboteur im Kopf habe, der nicht erlaubt, dass es mir gut geht.
Mein Therapeut hat das in zwei Jahren geduldig mit mir durchgestanden und mit mir kognitiv und therapeutisch alles bearbeitet was ging. Und hat mich in der Zeit nebenher auf den Weg vorbereitet, von dem er glaubt, dass er bei mir helfen wird und den wir jetzt angehen.
Ich habe nach der letzten Verschlechterung nochmal medizinisch alles angeleiert, was geht, um noch einmal alles medizinische ausschließen zu können. Die Hausärztin hat Blutwert genommen, ohne Ergebnis. Die Frauenärztin hat nach den Hormonen geschaut, die substituiere ich jetzt (was auf jeden Fall ein Stück Erleichterung gebracht hat und mit Sicherheit auch ein Bruchteil des Puzzles ist). Ich hatte diese Woche ein Kopf-MRT um da auch alles ausschließen zu können. Dann mache ich jetzt nochmal einen Termin bei einer Ärztin für Naturheilkunde und lasse da als Selbstzahler nochmal alles an Vitaminen und Nährstoffen bestimmen. Ich glaube auch, dass das mit reinspielt – daher hier noch eine Stimme, da mal näher hinzuschauen. Das Buch „Nährstofftherapie“ von Dr. Helena Orfanos-Böckel wurde hier ja schon erwähnt. Google doch mal nach Ihrer Praxis – vielleicht wohnst Du ja zufällig in Ihrer Nähe.
Wenn ich das alles abhaken kann, versuche ich mich auf einen neuen Weg zu machen. Ich glaube, das Problem ist der Saboteur im Kopf. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, die auf Logik und Verstand aufgebaut ist. Der Körper und die Seele haben keinen Stellenwert, wir lernen es auch nicht, auf sie zu hören. Ich bin z.B. ein körperlich sehr sensibler Mensch, mein Körper reagiert sehr fein. Ich wurde aber dazu erzogen, nicht darauf zu hören. Ich lebe auch nur mit Kopf-Menschen zusammen (Mann und Sohn). Das konnte nur funktionieren, in dem mein Verstand die Regie übernimmt und alles andere unterdrückt. Bis der Körper irgendwann die Faxen dicke hat und somatisiert. Die beiden liegen jetzt bei mir im Stellungskrieg und ich bin das Opfer. Immer, wenn ein neuer Ansatz kommt, schreit der Körper „Ja, super!“ und mir geht es besser. Dann kommt der Verstand und bügelt alles wieder über. Und los geht die nächste Runde.
Mit all den Untersuchungsergebnissen im Rücken habe ich daher beschlossen, den Kampf im außen sein zu lassen – keine Untersuchungen mehr, keine Medikamente, kein googeln und lesen mehr – ich habe ein schriftliches Versprechen gegenüber meiner Seele und meinem Herz verfasst, in dem ich ihnen verspreche, auf sie zu vertrauen und damit einen Gegenpol zum überstarken Verstand zu setzen. Ich kann den Verstand nicht abschalten, aber ich kann ihn leiser drehen.
Mein Therapeut setzt dafür auf zwei Säulen:
Im Chi Gong arbeitet man ja mit dem Chi – der Lebensenergie. Diese Energie ist in jedem, man kann sie auch fühlen – z.B. als Energieball zwischen den Händen. Das Problem ist, das der Verstand uns das Fühlen verweigert und es als Quatsch abtut. Hat man es einmal geschafft und weiß, wie es sich anfühlt, kann man damit üben. Am Anfang braucht es eine relativ lange Zeit, bis man umschalten kann. Diese Zeit wird durch das Üben immer kürzer, bis man das irgendwann auch im Alltag auf Kommando kann. Man gibt dem Verstand dadurch eine neue Aufgabe, nämlich sich auf das Fühlen dieser Energie zu konzentrieren. Ist er damit beschäftigt, kann er keine anderen Gedanken (Angst) produzieren. Es ist mittlerweile wissenschaftlich erwiesen, dass sich dann der Blutdruck senkt, die Atmung wird ruhig und durchgängig, Stressreaktionen im Körper lassen nach und der Körper nutzt die Erholungsphase um Stoffwechsel- und Hormonprozesse anzuschieben, die sonst hinten rüber fallen, weil der Körper mit der permanenten Stressreaktion beschäftigt ist. Das ist das Kernelement der Meditation – den Geist zur Ruhe zu bringen, und das in wacher, klarer Bewusstheit. Wenn man es lange genug übt, kann man auch im Alltag jederzeit darauf umschalten und Stressreaktionen des Körpers sofort unterbrechen.
Die zweite Säule ist bei mir die körperliche Energiearbeit durch meinen Therapeuten. Jeder, der sich dieser Energie bewusst ist, kann sie auch an andere weitergeben. Mein Therapeut ist darin ausgebildet und wir machen das jede Stunde mind. 30 Minuten lang. Das ist auch eine Form der Kommunikation, nur auf anderer Ebene. Er leitet meinen Körper an, den Energiefluss im Körper wieder herzustellen – vom Gehirn bis runter zu den Füßen. Die Verstärkung von außen hilft mir, mich dieser Energiebahnen bewusst zu werden und sie wahrzunehmen. Damit erlerne ich die Fähigkeit, ein zu viel an Erregung (Angstgedanken), die der Körper bei mir sonst durch Durchfall ableitet (weil er nicht weiß wohin mit dieser Energie) nach unten zu schieben und durch die Füße abzuleiten.
Ich weiß, dass sich das bescheuert anhört. Hätte ich vor einigen Monaten auch noch gesagt. Aber ich habe inzwischen Dinge erlebt, die mich echt sprachlos gemacht haben. Ich habe ziemlich dämlich geschaut, als ich mal wieder im Auto saß, die Angst aufsteigen spürte, schon mit dem Schlimmsten rechnete (Durchfall) und plötzlich meine Fußsohlen anfingen, wie verrückt zu summen und zu vibrieren, und ich spüren konnte, wie die Angst abfloss. Unglaublich.
Es ist noch ein weiter Weg. Und ich weiß auch nicht, ob der mich jetzt um Ziel führt. Entscheidend ist, dass ich mich dafür entschieden habe und damit den Kampf in mir beenden kann. Ich mache das jetzt so. Punkt. Egal wer was dazu sagt. Egal wie bescheuert es sich anhört. Und für mich hört es sich so an, als tobe in Dir auch so ein Kampf...
So, Roman beendet Vielleicht helfen Dir ein paar Gedanken davon.
21.01.2023 13:38 •
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