Ein Tagesablauf. Das ich wird zum sie. Der Abstand braucht es nun.
Sie schlägt die Augen auf. Der Wecker dringt schrill in die Ohren. Zu laut. Das erste Gefühl-
Beklemmung. Der erste Gedanke-Nein, nicht schon wieder alles von vorne.
Sie liegt noch da und weiss, sie muss jetzt sich selbst einredend du musst dich dem Tag
stellen aufstehen. Wie gewohnt zuerst ein Kaffe und eine Zig.. Aber auch das kann sie
gerade nicht geniessen. Sie tut es einfach, weil sie es immer tut. Die Gedanken nun so laut
wie der Wecker vorhin. Ich will nicht, ich habe keine Kraft, es ist alles nur mühsam, ich mag
nicht.
Sie weiss, sie muss die Gedanken einfach ignorieren.
Sie fühlt sich eingeengt in sich selbst. Gefangen. Schwere in ihr. Sie sieht dem Arbeitsalltag,
der Normalität in die Augen, die sie bedrohlich anstarren. Es gibt kein Entkommen. Sie darf
sich nicht in den eigenen Sumpf fallen lassen. Sie muss glänzen.
Raus, mit dem Zug zur Arbeit. In ihr alles unruhig, hält nicht zusammen, alles ohne Halt in
ihr.
Nun steht sie wirklich vor der Eingangstür des Ausbildungsbetriebes. Rein da, einfach
überwinden. Ein Schritt über die Türschwelle und siehe da der Funktionsmodus schaltet sich
ein. Sie befindet sich mitten im Alltag. Begrüsst die Arbetskollegen . Lächelt und widmet sich
der Arbeit. Die Leute reden schon wieder miteinander, lachen voller Leben. Sie spürt schon
wieder den Knoten in der Brust, der sich enger schnürt. Das Unwohl fühlen, das aufkommt,
weil sie spürt, es wird wieder ein Tag an dem sie nicht anders kann, als schweigend neben
allen anderen zu existieren. Sich erbärmlich, elend und dumm vorkommt. Sie könnte
weinen, schreien, nur nicht normal sein, wie die anderen. Niemand ahnt davon. Der nächste
Tag, die nächsten Wochen, Monate lasten in ihr im Jetzt Die Furcht vor dem Abend ist
auch schon wieder da, weil da nichts ist. Einfach ein elend klaffendes Nichts. Sie versucht
den Gedanken alles ist sinnlos zu verbannen. Sie möchte sich gerne mit anderen
unterhalten. Aber es gelingt ihr schon über Wochen nicht mehr so richtig. Dieses Gefühl den
Anschluss zu verpassen, zu sehen, wie gut ihre Arbeitskolleginnen miteinander harmonieren,
wie sie wie gute Freunde miteinander umgehen. Es ist schön in solch einem Team sein zu
dürfen, in dem der Umgang sehr freundschaftlich ist, wo es auch Raum hat für private
Themen. Ja, sie würde es wunderbar finden, befände sie sich selbst nicht gerade in einer
Parallelwelt, in der sie sich einsam und unverstanden fühlt. Sich nicht dazugehörig fühlt und so grosse Angst hat, die anderen beginnen sich ab ihr zu nerven so wie sie sich selbst ab sich nervt. Angst, dass ihre eigenen Gefühle sich beginnen im Verhalten der anderen ihr gegenüber zu spiegeln. Es wäre leichter zu ertragen,
wären alle einfach still. Je lauter die anderen, desto stiller wird es in ihr. Desto mehr greifen
die inneren dunklen Mächte an.
So vergeht der Tag Froh endlich Feierabend. Einfach nur weg. Flüchten von der heilen
Welt. Sie möchte nur noch diesen Tag entsorgen. Und der Abend soll noch schlimmer
werden. Sie kann sich nur schwer zur Wehr setzen gegen das verdunkeln ihres seins. Durch den Tag hindurch war sie gezwungen, aus ihrem Sumpf hervorzutreten. Sich gefühlt *beep* vor andere Leute hinzustellen, Kunden bedienen und das in ihr vergrabene Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen soweit hervorzuziehen, dass sie vor den anderen Leuten nicht so wirkt, als könnte sie auf der Stelle einfach zusammenbrechen und schreien. Ein Kraftakt. Sie gibt sich wahrhaftig Mühe sich kurz in ein Gespräch einzubringen, oder kurz ab einem Witz mit zulachen. Nicht von Herzen, einfach nur um verzweifelt ihren Standpunkt zu vertreten Ich bin auch noch irgendwie da. Am Abend ist sie befreit vom sich zusammenreissen müssen und doch macht ihr dies genauso grosse Angst. Manche würden wohl denken, dass sie sich bewusst entscheidet. Dass es eine eigene Entscheidung ist, das Negative zuzulassen. Vielleicht. Sagt sie sich verzweifelt. Sie denkt an ihre zwei besten Freunde. Wären sie doch nur hier bei mirDoch sie können nicht immer da sein. Sie weiss, dass sie auch auf ihre Freunde achten muss, sie nicht zu sehr belasten, gerade weil sie sie so lieb hat und sie weiss, dass sie bis jetzt alles immer irgendwie alleine durchgestanden hat. Also wird es auch dieses Mal so sein.
Aus dem Zug, rein ins Einkaufszentrum. Hastig einkaufen. In die eigenen vier Wände flüchten. Denn so vieles kommt wieder hoch. Die verhasste Einsamkeit. Bilder im Kopf von Vergangenem, das sie gerade sehr beschäftigt. Sorgen um einen Menschen, den sie doch lieb hat. Das Thema Tod begleitet sie.
Die grossen Fragen sind auch schon wieder da. Der Kopf spricht: Was tust du hier? Das ist doch alles erbärmlich, was du tust. Du fühlst dich schlecht, weil du nicht das Leben lebst, wie du es dir gerade vorstellst! Du bist falsch hier. Reiss dich endlich zusammen! Du bist so gottlos erbärmlich.Das Herz meldet sich: Ich möchte da raus aus dieser Dunkelheit, bitte tue was dagegen. Bleibe stark, du kannst es. Es ist nicht alles sinnlos! Es ist zu viel. Ja, aber achte mehr Auf dich. Du müsstest gerade jetzt, wo sovieles wütet in dir, dich durchschüttelt, gerade jetzt müsstest DU auf DICH besser achten, wie viele Jahre möchtest du dich noch so quälen? Schon so viele Jahre hinter dir, keine Phase in der du ohne irgend ein selbstverletzendes Verhalten lebst. Bald 10 JahreSie spricht: ich würde gerne und ich weiss, ich müsste einfach nur handeln. Doch ich bin zu schwach. Gönnt mir doch alle diese kurze Ruhe, ich möchte JETZT einfach vergessen. Alle eingekauften Sünden verschlingen, als wäre es Lebenskraft. Als würde es die Leere in mir füllen.
Schneller läuft sie endlich der Haustür ihrer Wohnung entgegen, ihre Hände zittern. Sie will nur endlich drin sein. Tür auf, rein, Türe zu. Hastig Schuhe aus, Jacke weg Der Druck in ihr wird gross. Sie spürt die Tränen. Die Verzweiflung, das nicht mehr Aushalten können Hastig die Einkäufe auspacken, Packungen aufreissen. Erleichterung Mit jedem Bissen wird sie ruhigerVolle Konzentration aufs widerliche Verschlingen.Hauptsache kurz das Gefühl im klaren mit sich zu sein, die Leere kurz Einbildlich zu füllen. Hauptsache kur das Gedächtnis verlieren, alles stumm schalten Dann alles wieder aus dem Körper würgen. Kurz und knapp formuliert: Die LEERE füllen und das ZUVIEL rauskotzen. Danach steht sie wieder da in ihren vier Wänden und ja was und? Beschissen. Müde,unter Tränen, die fliessen sagt sie zu sich selbst: Nein, heute kein Alk. wie so oft in den vergangenen zwei Monaten, es tut dir nicht gut! Doch es zieht sie schon zum Schrank Der Alk. fährt ein, alles löst sich langsam auf. Musik in den Ohren und das Gefühl der Erschöpfung, das endlich kommt So kann sie einschlafen. Abgefüllt und leer Ein durchschnittstag in den vergangenen zwei Monaten.
Sie hätte so vieles zu geben. Sie möchte aus diesem Loch wieder raus. Weg von sich selbst. Sich auf andere konzentrieren können. Anderen Menschen einfach wahrnehmen. Nicht nur sich selbst Sie möchte das Leben lockerer nehmen können. Sie wäre eine neugierige Person, entdeckungsfreudig. Sie könnte anders sein. Die Menschen um sie herum nehmen etwas anderes von ihr wahr. Sie weiss, was sie alles schon erreicht hat. Sie weiss, dass sie positiver denken kann. Sie weiss auch wie es sich anfühlt sich gut zu fühlen, wie es sich anfühlt von ganzem Herzen Lachen zu können. Wie es sich anfühlt, wenn die Dunkelheit wieder heller ist. Wie es sich anfühlt sich zu zeigen und zu sagen hier bin ich. Nur nicht Jetzt. Jetzt ist sie eine 27 jährige Frau, die sich alles andere als wie eine junge Selbstbewusste Frau fühlt. Fremd hier. Gefangen in sich selbst. Gefangen vielleicht für immer Vergessen wer sie ist. Am hinterfragen, am zweifeln, am kämpfen, am leiden.Streng mit sich selbst. Auf der Suche . Am versuchen ungeschönt die eigene Wahrheit zu entdecken. Voller Furcht im Moment. Doch sie hört nicht auf weiterzugehn. Sie ist eine Kämpferin.
24.03.2019 08:17 •
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