App im Playstore
Pfeil rechts
40

Ich konnte im Forum mit den Worten Genetische Veranlagung keinen Thread finden, in dem ich weiterschreiben hätte können. Daher habe ich jetzt mal im Bereich Depressionen einen neuen eröffnet.

Ich hatte gestern mit meiner Mutter das Thema. Daher interessiert es mich.

Ich leide seit knapp zehn Jahren an Angststörungen (GA, Hypochondrie), aber auch Depressionen und leichten Zwangsstörungen. Mittlerweile habe ich alles schon viel besser im Griff, als noch vor einigen Jahren (besonders bei der Hypochondrie läuft es sehr gut).

In Gesprächen mit meinen insgesamt sieben Therapeuten wurde das Thema genetische Veranlagung auch teils angesprochen, aber leider nie besonders ausführlich. Vielleicht gab es aber dazu auch nicht viel zu sagen und es hat gereicht, dass festgestellt wurde, dass eine genetische Veranlagung für psychische Störungen sehr wahrscheinlich bei mir vorliegt aufgrund des Stammbaums seitens meiner Mutter.
Meine Mutter, meine Großmutter, meine Tante, mein Onkel und mein Cousin haben oder hatten alle mehr oder weniger mit psychischen Problemen zu kämpfen (nahmen/nehmen auch alle Medikamente).
Wie es ihnen direkt ging/geht, kann ich (bis auf meine Mutter) aber nicht gut einschätzen, weil sie alle im Ausland wohnen/gewohnt haben.

Trigger

Mein Onkel verheiratet, zwei Kinder hat sich im Alter von knapp 50 Jahren vom 15. Stock eines Hochhauses gestürzt, hat also Suizid begangen. Das war vor ca. 15 Jahren, als ich noch nicht selbst erkrankt war. Mit einer Therapeutin hatte ich damals den Fall besprochen, weil ich damals auch Angst hatte, dass ich selbst irgendwann soweit kommen könnte, Suizidgendanken zu bekommen Gott sei Dank war das nie der Fall und ich kann mir auch nicht vorstellen, jemals in diese Richtung zu denken.



Mich würde interessieren, bei wem auch sicher eine genetische Veranlagung zu psychischen Störungen (in erster Linie Depression) diagnostiziert und wie ausführlich darüber in Therapien gesprochen wurde. War es ein großes Thema oder hatte es kaum Einfluss auf die Therapie, weil es eben einfach so ist, also unabänderbar.

Ich habe damals in den Therapien nur gelernt, dass ich mir darüber nicht viele Gedanken machen sollte, weil sehr vieles im Leben eben Zufall/Pech/Glück ist, so wie es bei körperlichen Erkrankungen (Krebs etc) auch zu einem großen Teil Zufall/Pech/Glück ist, ob man eine Veranlagung dazu hat oder nicht.

Das einzige, was mich ein bisschen beunruhigt, wäre wohl, dass ich etwas Bedenken hätte, dass meine beiden Kinder auch diese Veranlagung haben könnten. Mein größerer Sohn neigt zumindest in Sachen Perfektionismus und Empathie (sehr sensibel, emotional etc) sehr in meine Richtung, aber das muss ja noch nichts heißen.

Danke erst einmal für Eure Antworten.

26.10.2023 06:52 • 27.10.2023 x 3 #1


21 Antworten ↓


In meinem Fall ist es so:
Meine Mutter hat eine wahnhafte Störung, paranoide Schizophrenie.
Die Diagnose meines Vaters ist mir nicht bekannt. Aber er war *Kriegsteilnehmer WK 2 * und nahm jahrelang Tranquilizer.
Er sagte mir mal....wenn er keine Tabletten mehr hatte, nahm er sich heimlich welche von seiner Mutter, also meiner Oma.
Die Tabletten hießen Frisium.
Ich weiß nicht, wie oft ich diese Frage in meiner Kindheit gehört habe: WO sind meine Frisium ?
Vermutlich hatte er keinen festen Platz für seine *Pillen* und sie mal dort oder dort hingelegt.

Meine Tochter ist mehr wie ihr Vater.
Mein Sohn mehr wie ich. Zumindest was die emotionale Schiene betrifft.
Meine Tochter sagte schon öfter : Mama...XYZ.... ist mehr wie du.

Meine Enkelin (2) ist wie ihr Vater. Also wie mein Schwiegersohn. Das kann man echt schon bisschen erkennen...
Bei dem Enkel (4)...weiß ich es noch nicht...aber ich denke, das ändert sich auch in Laufe des Lebens noch bei jedem
Die anderen Enkel sehe ich nicht oft genug...leider.

A


Genetische Veranlagung für psychische Störungen

x 3


Meine Mutter war manisch depressiv, meine Oma mütterlicherseits schwer depressiv, andere weiter entfernte Familienmitglieder ihrer Linie schizophren, depressiv, auch Suizid gab es.
Meine Oma väterlicherseits begann in einer Lebenskrise GsD erfolglos Suizid, mein Vater hatte eine Depression, meine Schwester und ein Bruder neigen zu Depression, ich auch. Und zu Angst/Panik.
Ja, da wird genetisch eine Veranlagung sein - oder auf Psychologisch: Vulnerabilität - aber was bedeutet das?
Doch nur, dass man unter gewissen Umständen zu Depression oder Angst neigt. Und diese Umstände sind ganz stark beeinflussbar. Z.B. müssen wir ganz besonders auf ein ausgeglichenes, zufriedenes, stressfreies, gesundes Leben achten.

Ich hatte 2,5 stärkere psychischen Krisen in meinem.Leben. Immer in Folge einer monate- bis jahrelangen sehr anstrengenden Lebensphase.
Nun, nach dem letzten Mal, habe ich endlich den Mechanismus begriffen. Ich weiß unter welchen Umständen es mir psychisch gut geht und diese Umstände pflege ich. Die schädigenden Umstände habe ich entweder ganz aus meinem Leben entfernt oder sie entschärft oder in Einzelfällen weiß ich, wie ich den schädigenden Einfluss ausgleichen kann, um psychisch gesund zu bleiben.

Ich lese bei dir Sorge bezüglich deiner Vulnerabilität heraus und ich möchte dir sagen: du kannst ganz viel dafür tun, psychisch gesund durchs Leben zu gehen. Lass dich durch deine Familiengeschichte nicht etikettieren, sondern gehe davon aus, dass du Schlimmes verhindern kannst.

So, wie auch viele Menschen eine Prädisposition zu Diabetes oder Krebs haben, aber diese Krankheiten durch einen gesunden Lebensstil verhindern können.

Du hast es selbst in der Hand und das Wissen um deine Prädisposition ist auch ein Segen, denn es zwingt dich, ein gutes Leben zu führen.

Zitat von Hicks:
Mich würde interessieren, bei wem auch sicher eine genetische Veranlagung zu psychischen Störungen (in erster Linie Depression) diagnostiziert und wie ausführlich darüber in Therapien gesprochen wurde.

Ja, Epigenetik durch Traumata meiner Mutter als Kind im Krieg - es gibt auch einen guten Bericht über z. B. das Kriegsenkel-Erbe, was wohl manche Menschen in sich tragen.
So richtig wurde das nicht diagnostiziert, aber das Thema wurde in der letzten Therapie angesprochen und auch bestätigt. Da es aber eine Verhaltenstherapie war, wurde nicht weiter darauf eingegangen.
Mein Psychiater schlug mir zwar eine Traumata-Therapie vor, aber ich will keine mehr, ich komme gut klar und weiß schon einiges, woher und warum das alles so gekommen ist.
Das habe ich für mich soweit so gut wie abgearbeitet und mir geht es gut.
Falls Interesse:


Da fällt mir noch das dazu ein:
Dafür gibt es einen wissenschaftlichen Begriff: epigenetische Vererbung. Das Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München forscht seit Jahren dazu, welchen Einfluss die Erfahrungen der Eltern auf die Gene ihrer Kinder haben und welche Rolle sie bei deren Entwicklung spielen. Als eine Art Bindeglied zwischen Umwelteinflüssen und Genen bestimmt die Epigenetik mit, unter welchen Umständen welches Gen angeschaltet wird und wann es wieder stumm wird. Dabei spielen auch Traumata und Ängste eine Rolle.
Der Hamburger Kindertraumatherapeut Andreas Krüger kennt aus seiner Praxis verschiedene Formen, wie belastende Erfahrungen und Ängste von einer Generation auf die nächste übergehen:

Quelle:
https://www.mdr.de/wissen/vererbte-traumata-100.html

Zitat von UlliOnline:
@-IchBins-

Hast du das Buch gelesen?
Ich habe mir den Bericht, den ich zuvor gepostet hatte, angesehen.
Aber es ist schon heftig, was die Generation der Eltern bzw. Großeltern erlebt haben und auf die 3. Generation übertragen können, nicht müssen.
Hätte ich auch nie gedacht. bis vor ein paar Jahren war mir das noch nicht klar.

Zitat von Pauline333:
Doch nur, dass man unter gewissen Umständen zu Depression oder Angst neigt. Und diese Umstände sind ganz stark beeinflussbar. Z.B. müssen wir ganz besonders auf ein ausgeglichenes, zufriedenes, stressfreies, gesundes Leben achten.

Danke. Finde, dass das wichtige Worte sind!
So sehe ich es auch.
Es dürfte wirklich (wie du auch geschrieben hast) ähnlich sein wie bei körperlichen Erkrankungen.
Die Chance, aufgrund Genetik, an ... zu erkranken, ist bei einigen eben höher als bei anderen.
Das muss aber nicht heißen, dass man automatisch (früh oder schwer) erkrankt. Man hat natürlich auch Einfluss darauf.

Vielleicht könnte man es so formulieren:
Was das Rauchen in Sachen Einfluss bei Krebs ist, ist Stress in Sachen Einfluss bei psychischen Erkrankungen.

Ich danke dir ausdrücklich für deine restlichen Worte!
Das tut mir gut!

@-IchBins- ja habe ich gelesen, meine Schwester auch - und für hilfreich empfunden
Meine Mutter ist Bj. 1934, mein Vater 1926

Lt Inet:

Verwandte Depressiver (Eltern oder Geschwister)haben ein bis zu drei- bis fünffach erhöhtes Erkrankungsrisiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung, je nach Studie.

Letztendlich wird man ja je nach Erkrankung nach der Familienvorgeschichte befragt. Und natürlich spielt das eine Rolle.

Nützt nur nix, wenn man den Mist an der Backe hat und drauf ausruhen kann man sich auch nicht. Medi, Therapie und mit umgehen lernen.

Selbstverständlich ist eine Menge an psychischer Grundlage vererbt, Positives wie Negatives. Man merkt und sieht es in der Familie und an sich selbst. Aber am wichtigsten ist nach der Hirnforschung die erfolgreiche Mutter-Kind-Bindung direkt nach der Geburt, damit sich ein Grundvertrauen für das Leben etabliert. Geht sie schief, hat man den Salat und daran kann nichts geändert werden. Man kann dann nur noch damit klarkommen.

Ich habe quasi auch den Jackpot geknackt. Meine Mutter bipolar seit ihrer Jugend, mehrere Psychiatrie Aufenthalte. Mein Vater seit über 30 Jahren Ängste und Hypochonder, Benzo abhängig.

Es ist definitiv vererbbar.

Zitat von Reconquista:
die erfolgreiche Mutter-Kind-Bindung direkt nach der Geburt, damit sich ein Grundvertrauen für das Leben etabliert. Geht sie schief, hat man den Salat und daran kann nichts geändert werden.

Ich bin das lebende Beispiel. Meine Mutter wurde wenige Tage nach meiner Geburt in die Psychiatrie eingewiesen. Auch im Nachhinein war sie mit mir überfordert. Ich bin die ersten Jahre quasi bei meinen Großeltern aufgewachsen. Wir wohnten zwar im selben Haus, aber dennoch hatte ich bis fast zur Pubertät zu meiner Mutter gar keine Bindung.

Zitat von Cathy79:
Ich habe quasi auch den Jackpot geknackt. Meine Mutter bipolar seit ihrer Jugend, mehrere Psychiatrie Aufenthalte. Mein Vater seit über 30 Jahren Ängste und Hypochonder, Benzo abhängig. Es ist definitiv vererbbar.

Und kommst Du einigermaßen klar?

Zitat von Cathy79:
Es ist definitiv vererbbar.


Aber lediglich im Sinne einer Prädisposition, ob und wenn ja wie stark oder oft sich eine Depression oder Angststörung entwickelt kann man oft zu großen Teilen beeinflussen.

Auch kann man eine schlechte Kindheit überwinden und lange oder sogar für immer psychisch stabil durchs Leben gehen.

Resilienz ist erlernbar. Man ist seinen Genen nicht hilflos ausgeliefert.

@Reconquista ich hab halt die Panikstörung und auch leichte hypochondrische Züge. Mit Medis klappt es einigermaßen. Aber ganz weg war es nie und wird es auch nie gehen.

Väterlicherseits haben meine Tanten fast alle mit Ängsten und Depressionen zu kämpfen, auch einige Cousins nehmen Antidepressiva...ja, die genetische Disposition spielt schon eine Rolle, ich leide auch an Ängsten und Depressionen und das schon ziemlich lange...
Sponsor-Mitgliedschaft

Zitat von Cathy79:
und wird es auch nie gehen.


Kleiner Tipp: Vorsicht mit negativen Glaubenssätzen

Servus Hicks, interessantes Thema von Dir, mal wieder und danke dafür.

So hilfreich Statistiken für manche Interessensgruppen sein mögen, so zweischneidig halte ich sie im vorliegenden Fall für konkret Betroffene. Einerseits können sie entmutigen, andererseits rechtzeitig auf die Notwendigkeit der Vorbeugung hinweisen. In der Praxis denke ich aber, dass man von solchen Vererbbarkeiten erst so richtig Notiz nimmt, wenn man selber bereits ein Problem hat. Und in solch einem Ausnahmezustand verstärkt das leicht die Opferhaltung.

Ich kenne wie Pauline333 ähnliche Zahlen was die statistische Neigung angeht, habe aber für mich festgestellt, dass sie mir auf meinem Heilungsweg nur wenig bringen. Außerdem bin ich der Ansicht, dass sich eine depressive Mutter sowieso auch zeitlebens zumindest passiv aber oft auch aktiv auf ihren Nachwuchs auswirkt.

Zudem denke ich, dass die Geburt kein definitives Würfelspiel, also Glückssache ist. Ich meine doch, dass man schon in gewisser Weise von seinen Eltern geburtlich angezogen wird. Natürlich fällt das rein schulwissenschaftlich weitgehend in den Bereich der Spekulation, dessen bin ich mir bewusst. Ich sehe die Eltern z. B. als zeitlich und entwicklungsmäßig vorgelagertes Erlebensspektrum an. Wenn man von einem Ich/Selbst ausgeht, ist dies also ein früherer Teil von mir. Ich hingegen habe - zumindest eine Weile lang - meinerseits die Möglichkeit, auf die weitere Entwicklung meiner Eltern einzuwirken. Und so weiter...

Auf Deine Überlegung hinsichtlich der therapeutischen Relevanz möchte ich beisteuern, dass meine eben geschilderte Sichtweise dieser Wechselwirkung durchaus die Möglichkeit einer generellen Perspektivenerweiterung bietet. Und somit auch einen breiter gefächerten Werkzeugkasten für den Heilungsprozess. Denn jegliche psychische Erkrankung sehe ich als family affair an...

Zitat von moo:
Servus Hicks, interessantes Thema von Dir, mal wieder und danke dafür.

...und ich gebe den Dank zurück für deine (wie immer) sehr hilfreichen und weisen Zeilen.

A


x 4


Pfeil rechts




Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl
App im Playstore