Ich habe nur bis Seite 8 gelesen, aber wollte auch mal was dazu schreiben.
Ich habe keinen Hass auf Deutschland, ich lebe gerne hier. Aber ich kann teilweise verstehen, wie du dich fühlst.
Ich war schon immer etwas anders, als der gesellschaftskonforme Normalo. Ich war immer etwas moppelig, etwas ängstlich, vorsichtig, ernst, phantasievoll und nachdenklich. Ich mache meine Arbeit mit Bedacht und wenn ich es nicht tue, schleichen sich Fehler ein. Das will ich natürlich vermeiden. Also bin ich eher etwas langsam.
Ich habe ein großes Bedürfnis nach Gerechtigkeit und möchte fair behandelt werden. Außerdem denke und reflektiere ich viel über mich und meine Umwelt nach. All diese Umstände führen dazu, dass ich mich nicht wie der typisch Deutsche verhalten kann und will. Was mir aber gelegentlich wirklich sehr sauer aufstößt, weil ich mich dann wie ein Versager fühle. Wie jemand, der nicht dazu gehört, weil er anders ist. Unfähig, ein guter Deutscher zu sein.
Mal zwei Beispiele:
Ich kann nicht schnell und effizient arbeiten. Aber mit Bedacht und gut. Damit bin ich schon oft angeeckt im Berufsleben. Ich würde in Büros zitiert und mir wurde gesagt, dass ich so nicht weit käme im Berufsleben und bla bla bla. Ich müsse schnell und gut sein. Das dürfe ich mir nicht erlauben, so will mich doch keiner. Und so weiter.
Oder:
Ich konnte keine leiblichen Kinder bekommen, aber die Rolle der Frau als Mutter ist in Deutschland sehr groß geschrieben, nahezu glorifiziert. Also kann ich auch diese Rolle nicht bedienen. Wieder fühle ich mich, als könnte ich die für mich bestimmte Rolle nicht einnehmen, also wieder versagt.
Ich verstehe ein wenig, was du meinst, wenn du sagst, du hättest ein Problem mit Regeln und Vorschriften, weil diese Dinge einen auch in ein Korsett pressen können, das einem nicht passt. Ich fühle mich auch manchmal wie eine schlechte Deutsche. Aber im Grunde weiss ich, dass das Quatsch ist. Ich kann dieses Land nicht für mein Unglück verantwortlich machen. Ich muss selbst für mein Glück sorgen. Das ist leider im Leben so.
Ich habe keine Probleme, normale zwischenmenschliche Regeln einzuhalten oder die Straßenverkehrsordnung zu beachten u.s.w. Ich mag dieses Land und bin dankbar, das Privileg zu haben, hier geboren worden zu sein.
Aber ich kann wie gesagt durchaus verstehen, dass man sich aus tiefstem Herzen heraus dagegen wehren will, jemand zu sein, der man nicht ist. Dann wird man wütend und rebellisch und Frust und Hass werden immer größer.
Ich denke, du hasst eigentlich nicht Deutschland, sondern du bist durch irgendetwas in deiner Vergangenheit traumatisiert. Vielleicht passt auch die Mentalität der Deutschen einfach gar nicht zu dir und du kannst in einem anderem Land irgendwann glücklicher werden. Dann müsstest du vielleicht wo anders Abstriche machen.
Bis dahin würde ich dir zu einer Therapie raten, um deinen Gefühlen auf den Grund zu gehen und Strategien zu erlernen, besser zurecht zu kommen.
Alles Gute!