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Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich hier mal wieder so viel jammere. Ich frage mich selbst oft, warum ich in bestimmten Denkstrukturen so unbeirrt feststecke, obwohl mir durchaus bewusst ist, dass sie weder zielführend noch konstruktiv sind und letztlich ins Leere laufen.

Zitat von Ja02:
Ich möchte mich dafür entschuldigen

Es ist dein Thread..

.. Leute die dich hier besuchen können in Teilen nachvollziehen, was du innerlich mitmachst. Und falls es schlimmer ist, als das was ich kenne, dann ist gelegentliches Jammern auch mal drin.

A


Existenzielle Depression - Erfahrungen

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Zitat von Azure:
Du tust gut daran, dass du es verbalisierst und mit andern teilst. So kannst du die Metagedanken schnell verarbeiten ohne sie ins Unterbewusstsein zu verdrängen, schaffst aber dennoch Platz für das, was dich eigentlich interessiert.

Möglicherweise hilft mir dieser Austausch, und eure Antworten in dem Thread empfinde ich oft als äußerst wertvoll - dafür bin ich sehr dankbar. Dennoch beschleicht mich das Gefühl, hier über Probleme zu philosophieren, die für viele kaum nachvollziehbar wirken und möglicherweise sogar einen gewissen Luxuscharakter besitzen. Selbst mein Bruder zeigt nur begrenztes Verständnis dafür, warum ich allein durch die Last meiner eigenen Gedanken manchmal so stark zu leiden scheine.

Dann belass es bei deinem Bruder auf der Ebene, die er nachvollziehen kann.
Ich habe mir angewöhnt, meine Sorgen auf möglichst viele Leute abzuwälzen.
Schont den Einzelnen und im Gegenzug kann ich mir seiner Hilfe sicherer sein, weil er nur ein kleines Päckchen trägt.

Meine Geschwister und ich wissen gegenseitig von unseren Problemen, aber wir thematisieren sie selten. Ab und zu eine Mail, oft auch wir unterhalten uns dann mal beim B. darüber und dann wird es beim B. kurz angesprochen und dann ist gut..

Weshalb spamme ich meine Threads mit immer dem selben Gejammer voll?
Weil ich hier einen Platz habe, wo ich sie ablegen kann und andere Leute aus irgendeinem Grund eine Motivation haben, mir nachts um halb 2 ein Like dafür zu geben...

Und keine Sorge: Ich lese mir nicht jeden deiner Posts durch

Zitat von Azure:
Und keine Sorge: Ich lese mir nicht jeden deiner Posts durch

Das würde ich auch nicht empfehlen. Ich mag hier ja keinen insgesamt spleenigen Eindruck von mir hinterlassen.

Ich wollte noch schreiben, dass sich auch so ein ganz gutes Bild abzeichnet, war aber zu faul zum tippen

Zitat von Ja02:
Das würde ich auch nicht empfehlen. Ich mag hier ja keinen insgesamt spleenigen Eindruck von mir hinterlassen.

welchen Eindruck möchtest du denn hinterlassen?

Zitat von Azure:
Ich wollte noch schreiben, dass sich auch so ein ganz gutes Bild abzeichnet, war aber zu faul zum tippen

Da bin ich nun aber beruhigt.


Zitat von Recondi:
welchen Eindruck möchtest du denn hinterlassen?

Einen ganz gewöhnlichen und halbwegs sympathischen Eindruck.

Zitat von Ja02:
Da bin ich nun aber beruhigt. Einen ganz gewöhnlichen und halbwegs sympathischen Eindruck.

Klappt.

Zitat von Ja02:
Mitunter drängt sich mir der Eindruck auf, dass mein Verstand in gewisser Weise bewusst Schwierigkeiten in Form negativer Gedankenkonstrukte erzeugt, als ob er mich auf eine innere Prüfung stellen wollte, nur um mir letztlich vorzuhalten: „Glaub bloß nicht, dass das Leben so einfach ist.“

Das ergibt für mich keinen Sinn und klingt eher ungesund. Und woher das auch immer kommt.

Und ob das Leben einfach ist oder nicht, liegt auch viel an unserer Einstellung. Nicht nur, aber viel.

Zitat von Ja02:
Allein dadurch, dass ich hier meine Gedanken äußere, wird deutlich, wie stark mein Fokus auf mich selbst und die Dynamik meines Denkens ausgerichtet ist.

Wie sollte es anders sein.
Alles muss durch unser Ich und das präsentiert uns die Gesamtrechnung.
Unabhängig davon, ob wir glauben, dass es durch die Welt konstituiert wird, oder die Welt eine Illuison ist, das vom Ich gemacht wird, es ist die nicht zu unterdrückende Instanz, das Subjekt.
Das passt nicht gut zu unserem Objektivismus, den wir uns angewöhnt haben, aber den darf man ja durchaus kritisch sehen, ohne als Schwärmer zu gelten.

Zitat von Ja02:
Mitunter drängt sich mir der Eindruck auf, dass mein Verstand in gewisser Weise bewusst Schwierigkeiten in Form negativer Gedankenkonstrukte erzeugt, als ob er mich auf eine innere Prüfung stellen wollte, nur um mir letztlich vorzuhalten: „Glaub bloß nicht, dass das Leben so einfach ist.“

So sind, glaube ich, sehr viele Leben gelaufen, die attische Tragödie ist ein Vorbild dafür aus unserem Kulturkreis. Dort eingebunden in Geschlechterfolgen, legt man los, krempelt sich die Ärmel hoch und denkt, dass man das besser macht, als alle zuvor - völlig okay, im Strum und Drang - stößt sich die Hörner ab und verheddert sich, so dass man nicht mehr weiter weiß.

So gesehen, sehr gesund, es fühlt sich nur nicht gut an.

Zitat von Ja02:
Wie bist du mit der Situation umgegangen?

Ich wollte, wie Du auch, die Hintergründe verstehen, habe ja unter einer starken Angststörung gelitten, war nun ans Haus gefesselt und habe mich aus der Not - für die ich rückblickend dankbar bin - dem Inneren zugewandt. Psychologie, Philosophie, Esoterik (ich hatte Glück, weil es damals auch hochwertige gab) und nach und nach kann man die inneren Linien erkennen, die roten Fäden und Zusammenhänge.

Das macht einen in gewisser Weise freier, aber die Koventionaltät ist, wie sie ist und verlangt auch ihr Recht, damit musste ich lange ringen.

Ich kann schlecht glauben, also muss ich von dem, an dem ich mich ausrichte stets sehr überzeugt sein, da ich schnell erkannt habe, dass es nichts bringt, sich selbst zu betuppen, habe ich immer nach den besten Antworten gesucht.
Irgendwann übernimmt, so würde ich es formulieren, das Leben die Führung und man kriegt, was man zur weiteren Erkenntnis braucht.
Kann ich später gerne noch etwas ausführen, muss nur weg.
Frohes neues Jahr!

Zitat von User_0815_4711:
Das ergibt für mich keinen Sinn und klingt eher ungesund. Und woher das auch immer kommt. Und ob das Leben einfach ist oder nicht, liegt auch viel ...

Ich bin mir der Absurdität dieses Gedankens bewusst. Es erschien mir einfach alles immer so leicht - bis ich mich selbst eines Besseren belehrt habe. Aus meiner Perspektive wirkte es, als hätte mich die Depression plötzlich und ohne größere Vorwarnung übermannt. Damit kamen dann auch die tiefgreifenden Selbstzweifel, welche vorher allenfalls latent vorhanden waren und nach außen überhaupt nicht sichtbar.

Zitat von Ja02:
Es erschien mir einfach alles immer so leicht - bis ich mich selbst eines Besseren belehrt habe.

Guck doch mal, ob und wo Du ggf. den Gedanken, dass das Leben nicht einfach ist (oder zu sein hat) aufgeschnappt hast. Wer sagt so was, in Deiner Gegenwart, möglicherweise immer wieder?
Psychologisch sind das sogenannte Glaubenssätze, die durch ewige Wiederholungen verinnerlicht werden, ohne dass man sie hinterfragt.

Die Hinterfragung wäre, ob das Leben denn nicht bei dem einen oder der anderen tatsächlich leicht sein kann oder darf? Warum nicht?`Es gelten keine Regeln, die für alle gleich sind.

Zitat von Ja02:
Dennoch beschleicht mich das Gefühl, hier über Probleme zu philosophieren, die für viele kaum nachvollziehbar wirken und möglicherweise sogar einen gewissen Luxuscharakter besitzen.

Es gibt recht gute Theorien über psychische Entwicklung, die in Sprüngen, Organisationsebenen, Entwicklungsrehprunkten oder wie immer man es nennen wil, verläuft.

Der Sprung in eine neue Organisationsebene, die mit einem neuen Weltbild und Ich-Konzept zusammenhängt, ist wie der Sprung in eine andere Welt. Man teilt noch immer grundlegende Notwendigkeiten, aber es kommt Neues dazu, etwas, was als Interessensbereich bei anderen schlicht nicht existiert.

Das ist kein unbedingt elitärer Gedanke, weil es ganz gute Hinweise darauf gibt, dass psychische Entwicklung nicht stereotyp und linear in jeder Hinsicht verläuft. Höher ist nicht unbedingt in jeder Hinsicht besser und die existentielle Stufe, auf der die Sinnfrage äußerst relevant wird, ist sehr kontraintuitiv eine, die zwar ungeheuer anspruchsvoll ist und auf der man sehr viel versteht, aber tendenziell wird man auf dieser Stufe auch sehr unglücklich.

Das ist die schlechte Nachricht, die gute ist, dass es Auswege gibt, auf der existentiellen Stufe selbst ist es am ehesten Camus, der sagte, man könne und solle der Absurdität der Daseins, die man dort empfindet, ins Auge blicken - und dass wir uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen müssen - andere sagen, dass die existentielle Stufe nicht das Ende der Fahnenstange ist, sondern es danach weiter geht.

So negativ der Buddhismus und auch Hinduismus und Spielarten zunächst erscheinen, so sehr haben sie mitunter doch auch eine Variante, bei der das Glück im Zentrum steht, wenn es gelingt, vom Ich loszulassen.
Eine Konstante meines Weges ist, dass alle meine Vorbilder darin einig waren, dass es dazu keiner Weltflucht bedarf. Kein Rückug, kein Kloster, kein Verlassen von Familie und Beziehungen, auch keine Selbstquälerei.
Grob gesagt reicht es, die Bewusstheit immer mehr zu steigern, das konventionelle Spiel und seine Rollen durchaus mitzuspielen, ohne sie gleichzeitig sonderlich ernst zu nehmen.

Schwer das auszubalancieren, vor allem mitten im Leben. Es schickt ständig neue Angebote, sich zu verwickeln, immer tiefer einzulassen, spirituelle Wege sagen: Lass das. Es wird immer wieder passieren, mach braucht sich dafür nicht zu verdammen, man ist nun mal Ich/Ego und niemand anderes als ein solches kann losmarschieren und die Richtung ändern. Und genau das gilt es zu tun.
Losgehen und sich immer wieder bewusst werden, dass man ist. Mehr nicht. Das Ich, seine Selbst- und Fremdzuschreibungen und Rollen kann man dabei vergessen. Einfach gewahrwerden, dass man ist. Immer und immer wieder. Ich weiß nicht, inwieweit es darzum geht, in den berühmt-berüchtigten Moment zu kommen oder gar in einen Flow. Alles was kommt, geht auch wieder und das ist der Modus der Leid erzeugt.
Plötzliches Einssein verschwindet auch wieder, dass Du bist nicht.

Hier ist ein komplizierter Punkt, weil wir alle naturalistisch geoprägt sind und dann glauben, dass wir uns zwar jetzt bewusst sein können, dies aber abhängig vom Hirn sei und also, wenn Körper Ende, dann Bewusstsein Ende. Du bist klug genug um die Schwachstellen des Naturalismus zu finden, es gibt profunde alternative Ansätze, stell sie Dir selbst zusammen, Du wirst sie zur richtigen Zeit finden und erkennen.

Die Technik sich immer wieder des 'Ich bin' bewusst zu werden, soll die direkteste sein. Alles andere, was Dich nach innen führt, ist aber ebenfalls gut, Reflexion, Meditation, Du wirst auf Hinweise treffen.

Was Du erlebst ist nach meinem Dafürhalten nicht unegsund, es sind eher Wachstumsschmerzen.
Dieses Wachstum führt Dich auch nicht von anderen Weg, sondern mitten in die Welt hinein.

Zitat von Cbrastreifen:
Grob gesagt reicht es, die Bewusstheit immer mehr zu steigern, das konventionelle Spiel und seine Rollen durchaus mitzuspielen, ohne sie gleichzeitig sonderlich ernst zu nehmen.

Weisere Worte selten geschrieben wurden!

Zitat von User_0815_4711:
Weisere Worte selten geschrieben wurden!

Sind aber geklaut, bzw. zusammengefasst.
Was einerlei ist, da es an jedem von uns liegt, sie umzusetzen.
Dir ebenfalls ein frohes neues Jahr!
Sponsor-Mitgliedschaft

Zitat von Cbrastreifen:
Sind aber geklaut, bzw. zusammengefasst.

Macht nichts, weise sind sie trotzdem. Und welche Gedanken wurden nicht schon mal gedacht und niedergeschrieben? Originalität ist eine sehr hohe Latte geworden.
Danke, ebenfalls ein gutes Neues! (Achso, hatte ich im Vorjahr schon allgemein geschrieben.)

Zitat von Ja02:
Es erschien mir einfach alles immer so leicht - bis ich mich selbst eines Besseren belehrt habe.

Vielleicht reiße ich das jetzt aus einem Kontext, der diese Aussage anders bewerten ließe, aber das Risiko gehe ich mal ein.

Das Du überzeugt bist, Dich eines Besseren belehrt zu haben, mag so sein. Doch was ist denn dieses Bessere? Sind es Erfahrungen, die Du gemacht hast, bezüglich Deines Verhaltens in Situationen, die Dir leicht erschienen? Hast Du es als leicht empfunden weil es einfach Leicht war? Ich bin sicher, es gab auch immer Schweres, mit dem es umzugehen galt. Aber klar, wenn es leichter ist, den Fokus darauf zu richten, was man alles Leichtes bewältigen konnte, fällt vielleicht das Schwere, was aber auch bewältigt wurde, hinten runter.
Da könnte man ansetzen und mal anerkennen, dass man auch schweres geschafft hat.

Vielleicht war sogar Schweres irgendwann leicht, nur ist es relativ leicht, dies auszublenden und somit nichts, was man würdigen könnte. Es jammert auch niemand, wenn Etwas leicht war, jedenfalls kenne ich niemanden, der traurig war, weil es leicht war mit etwas umgegangen zu sein. Und wenn man sogar sagt, Es war leicht, besteht ein Risiko darin, dies gegenüber Anderen ausdrücklich zu betonen. Zum Einen könnte man als überheblich gesehen werden. Zum Anderen sogar Missgunst ernten, weil Andere einem diesen Verdienst nicht gönnen. Das man vielleicht einfach nur ein Talent hat, finden weniger talentierte meist beeindruckend oder ungerecht, weil der Mensch überwiegend so gestrickt ist und Facetten oder Graustufen gerne mal ausblendet.

Vielleicht bist Du auch in diesem Entweder / Oder Modus. Wenn man Gut und Schlecht als einziges Kriterium hervorhebt, kann das Bessere gerne auch der Feind des Guten werden. Und manchmal ist nicht alles schlecht, nur weil mal etwas nicht gut ist.

Die Depression lässt sich nicht dadurch behandeln, verinnerlicht zu haben, dass es entweder Gut ist und damit war es das dann, oder immer nur Schlecht ist und somit ja nie Gut werden kann, indem es sich nur manchmal leicht bessert. Ein Auf und Ab ist eher das Normale im Leben und Allem womit es einhergeht, auch wenn es längere und kürzere Phasen gibt. Aber leider muss man mit allen Phasen einen Umgang finden und das ist mal leicht, mal schwer.

Zitat von Cbrastreifen:
Guck doch mal, ob und wo Du ggf. den Gedanken, dass das Leben nicht einfach ist (oder zu sein hat) aufgeschnappt hast. Wer sagt so was, in Deiner ...

Es gibt Momente, in denen ich mich frage, ob alles in meinem Leben kausal betrachtet nicht genau so hat kommen müssen, wie es letztlich gekommen ist. Als ob bestimmte Dinge von Anfang an unausweichlich waren - sprich, eine Art stiller Mechanismus, welcher potentiell im Hintergrund gewirkt hat. Vielleicht liegt meinen psychischen Problemen eine hereditäre Ursache zugrunde, oder die latente Hyperthyreose, welche meine Ängste und Unruhezustände zweifelsohne verstärkt. Vielleicht ist es auch der Perfektionismus, der mich immer wieder antreibt, manchmal zu sehr, und mich doch nie vollkommen hat aufbrauchen müssen. Früher erschien mir vieles so mühelos, so glatt und gradlinig - fast, als sei Erfolg etwas, das von selbst kommt. Doch in ruhigeren Momenten frage ich mich immerzu, ob diese Leichtigkeit nicht selbst eine Art Illusion war, welche nur verdeckt, wie unausweichlich sich all das, was mich ausmacht, in mein Leben eingeschrieben hat. Diese Gedanken bringen mich nicht selten ins Wanken, weil sie mich mit der Frage zurücklassen: Hätte es je anders sein können? Oder war ich immer schon in einer Richtung unterwegs, die ich erst jetzt richtig wahrnehme?

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Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl
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