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Die Verschwörung innerhalb der Theorie hat m. E. stets mehrere Seiten:

1. Jene Akteure, die sich vermeintlich gegen ihre Opfer verschwören.
2. Jene Opfer, die sich mittels der Theorie gegen ihre vermeintlichen Täter verschwören.
3. Jene Analysten und Erklärer, die sich ihre Deutungshoheit erarbeiteten - oder sie von geeigneter Stelle zugewiesen bekamen.
4. Jene Aufgeklärten, die sich anhand der detaillierten Analyse dieser Theorien selber für immun gegenüber VT betrachten.
5. Und insbesondere jene, die sich dazu berechtigt sehen zu bestimmen, was denn jeweils als VT zu framen ist.

Dass sich gegen Letztere ein gewisser Vorbehalt auch bei bislang linientreuen Charakteren vermehrt ausbildet, wird - ebenfalls von Letzteren - zunehmend als Teil der Theoriewirkung interpretiert und postuliert. So schließt sich der Kreis und die gesellschaftliche Spaltung etabliert und vertieft sich.

Aus meiner Sicht sollte man die Theorie der Verschwörungstheorie an sich kritisch prüfen und sich - zumindest arbeitshypothetisch - darauf einlassen, dass Wahrheiten und sogar Realitäten stets relativ sind.

Zitat von Azure:
weglassen und durch staatliche Informationspolitik,Regierungs- oder Ministerialsprecher oder ähnliches ersetzen,
könnte man glatt als Verschwörungstheoretiker durchgehen...

M.E. ist es auch hier anders.
Die Faktenchecker versuchen schon, nach bestem Wisse und Gewissen entlang von dem was man weiß und Fakten oder Tatsachen (mehr oder weniger dasselbe) aufzuklären.

Nur sind viele Prämissen eben auch einfach gesetzt - es kann auch nicht anders sein, Prämissen müssen einen bestimmten willkürlichen Gehalt haben - das ist den Faktencheckern aber manchmal nicht bewusst oder sie leugnen es.

Die simple Variante ist, die Arme zu verschränken und 'Glaub ich nicht, die lügen doch eh alle' zu brummeln, aber dass Tatsachen gemacht sind, ist durchaus als Tatsache zu betrachten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwik_Fl...n_Tatsache
Er gilt - neulich wiederentdeckt - als einer der Wegbereiter des bekannteren Thomas Kuhn, ein Wissenschaftstheoretiker, der den Mechanismus der Wissensverarbeitung in der wissenschaftlichen Gemeinschaft dargestellt hat. Sein Begriff vom 'Paradigmawechsel' ist einigermaßen bekannt, wenngleich ziemlich überstrapaziert.

A


Existenzielle Depression - Erfahrungen

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Zitat von moo:
Aus meiner Sicht sollte man die Theorie der Verschwörungstheorie an sich kritisch prüfen und sich - zumindest arbeitshypothetisch - darauf einlassen, dass Wahrheiten und sogar Realitäten stets relativ sind.

Eine Arbeitshypothese könnte demnach sein, es ist möglich zu glauben, was einem glaubhaft erscheint, so wie es möglich ist, absolut alles als unglaubwürdig zu erachten.

Dann bleibt es an einem selbst, sich irgendwie so kundig zu machen, dass man etwas nicht nur glauben kann oder muss, sondern es tatsächlich weiß. Welche Ressourcen, vor allem persönliche, man dazu hat, spielt allerdings auch eine Rolle.

Zitat von moo:
Die Verschwörung innerhalb der Theorie hat m. E. stets mehrere Seiten: 1. Jene Akteure, die sich vermeintlich gegen ihre Opfer verschwören. 2. Jene ...

Du verkennst hier, dass die (praktisch) Theorie der Verschwörungstheorie als Begriff nicht willkürlich etabliert wurde, sondern eine analytische Notwendigkeit darstellt, welche es ermöglicht, spezifische Denk- und Erklärungsmuster in der Gesellschaft zu benennen, zu verstehen und zu hinterfragen. Der Begriff Verschwörungstheorie dient dabei nicht bloß der Abwertung oder politischen Kontrolle von Meinungen, sondern markiert hier ganz klar Narrative, welche sich durch bestimmte Strukturen auszeichnen - und dies wäre für mich vor allem die Annahme einer mehr oder minder geheimen, zielgerichteten Absprache einer mächtigen Gruppe zum Nachteil anderer. Dies impliziert klare strukturelle Merkmale, welche empirisch und analytisch nachvollziehbar sind und die Begriffsbildung als Kategorie zur Untersuchung eines sozialen Phänomens somit auch rechtfertigen.

Die von dir genannten Perspektiven - sprich, der Akteure, Opfer, Analysten, Aufgeklärten und selbsternannten „Deuter“ - mögen auf den ersten Blick differenziert und somit plausibel erscheinen, bedienen jedoch letztlich eine Form der Relativierung, welche die Unterscheidungskraft von Begriffen auflöst und damit kein analytisches Verständnis fördert, sondern gar in die Beliebigkeit abdriftet. Insbesondere die zugrunde liegende Behauptung, Wahrheiten oder Realitäten seien stets relativ, verkennt die Notwendigkeit, von überprüfbaren Fakten und rationalen Methoden zur Unterscheidung zwischen nun mal plausiblen und unbegründeten Erklärungen auszugehen. Die Relativierung aller Wahrheiten führt paradoxerweise nämlich dazu, dass sich gerade jenes Machtvakuum öffnet, welches Verschwörungstheorien fruchtbaren Boden bereitet. Heißt, wenn jede Behauptung gleichermaßen gültig ist, verlieren wir die Fähigkeit, die Welt kohärent zu ordnen oder legitim Fiktion von Fakt abzugrenzen.

Die Zuordnung bestimmter Narrative als „Verschwörungstheorie“ erfolgt also nicht auf der Grundlage einer vermeintlichen Deutungshoheit „geeigneter Stellen“, sondern auf Basis nachvollziehbarer Kriterien. Eine These wird schließlich dort problematisch, wo sie auf fragwürdige Kausalitätsannahmen oder nicht falsifizierbare Behauptungen stützt, statt evidenzbasiert argumentiert zu sein. Der Begriff „Verschwörungstheorie“ reflektiert auch kein moralisches Urteil, sondern beschreibt schlicht eine epistemische Kategorie, welche erkenntnistheoretisch notwendig ist, um zwischen plausiblen und spekulativen oder gar irrationalen Behauptungen zu unterscheiden.

Indem für mich hier ein Stück weit suggeriert wird, der Begriff diene nur zur autoritären Kontrolle oder Immunisierung der „Aufgeklärten“, übersiehst du, dass gerade diese analytische Kategorie einen wertvollen Beitrag zur demokratischen und kritischen Selbstreflexion leistet. Denn sie fordert ja auch dazu auf, die eigene Annahme von Wahrheit immer wieder zu prüfen und zwischen Skepsis und Redlichkeit zu balancieren. Sie ist alsonmit anderen Worten Werkzeug und Gegenpart zugleich - und damit meine ich, dass der kritische Diskurs über sogenannte Verschwörungstheorien wie ein Prüfstein unserer Fähigkeit ist, Wissen als kollektiv überprüfbare Grundlage gesellschaftlicher Ordnung zu verteidigen bzw. überhaupt verteidigen zu können, ohne dabei natürlich unterschiedliche Perspektiven oder berechtigte Skepsis zu unterdrücken.

Zitat von Ja02:
existenzielle Depression

Ich erkenne mich in gewisser Art und Weise in dir wieder, wenn auch nicht so extrem.

Die Frage nach dem Sinn, das Wozu!

Hat sicher wer geschrieben, ich habe nicht alles gelesen, Abhilfe schafft, wenn man mal in den Flow kommt, eine gewisse Form der Kreativität, auch Gartenarbeit oder Putzen. Wobei das mit dem Putzen schon schwierig wird, weil am Ende immer die Entropie gewinnt (und gegen die Entropie hilft lokal nur der Einsatz von Energie). Die Frage ist also, ist der Wille, der Geist stark genug, um die (bei mir noch(!?) schwache) Existenzdepression zu überwinden?

Wenn ich über mein Leben reflektiere (bin 57), bin ich zufrieden mit dem geschaffenen. Ich habe keine großen Ziele und Träume und könnte jeden Tag ohne Groll und Hader abtreten. Was verschafft mir einen gewissen inneren Frieden.

Andererseits habe ich schon noch reichlich Pläne für ein zweites Leben, aber da steht nicht nur die existenzielle Depression entgegen, sondern familiäre Verpflichtungen (Pflege). Ich weiß jedoch nicht, ob ich diese Pläne umsetzten würde, wenn die Pflege wegfallen würde. Aber das liegt vermutlich weit in der Zukunft. Aber andererseits kann sich das Leben von einer Sekunde auf die nächste auch komplett ändern, wie wir alle wissen. Sowohl bei mir als auch bei der gepflegten Person.

So, das ist jetzt off-topic, ich stelle das mal in ein neues Thema!

Zitat von Ja02:
Die von dir genannten Perspektiven - sprich, der Akteure, Opfer, Analysten, Aufgeklärten und selbsternannten „Deuter“ - mögen auf den ersten Blick differenziert und somit plausibel erscheinen, bedienen jedoch letztlich eine Form der Relativierung, welche die Unterscheidungskraft von Begriffen auflöst und damit kein analytisches Verständnis fördert, sondern gar in die Beliebigkeit abdriftet. Insbesondere die zugrunde liegende Behauptung, Wahrheiten oder Realitäten seien stets relativ, verkennt die Notwendigkeit, von überprüfbaren Fakten und rationalen Methoden zur Unterscheidung zwischen nun mal plausiblen und unbegründeten Erklärungen auszugehen.

Ich glaube, es stimmt beides.

Man kann sich immer, mindestens oft, auf einen spezifischen Deutungsrahmen einigen.
Der Rahmen Quantenmechanik ist ein anderer, als Literaturtheorie, Bruttoinlandsprodukt, Religionsgeschichte oder Paarbeziehungen. Den einen Rahmen an sich, der alle anderen enthält, gibt es nicht.
Dem objektivem 'Blick von Nirgendwo' (Thomas Nagel) fehlt das göttliche Subjekt, wir können diese Rolle nicht einnehmen, wir beschreiben, was wir beschreiben, immer aus irgendeiner Perspektive.
Auch die Persepektive aller Perspektiven wurde noch nicht gefunden, ohne den Kollateralschaden, Einzelfälle und Individuen einzuebnen und so die Sicht erheblich zu verzerren.

Hat man sich auf einen Kontext geeinigt, dann gelten dort (bis auch begründeten Widerruf) die Bedingungen der jeweiligen Disziplin, die man dann eben auch beherrschen muss, will man als kompetenter Akteur gelten.
Da gibt es oft grausame Kategorienfehler, etwa, wenn die Neurowissenschaft meint herausgefunden zu haben, dass Gott im Schläfenlappen sitzt. Ganz gleich wie die Messungen sind, ist das philosophischer Unfug, der oft aber gar nicht als solcher auffällt, sondern gefeiert wird.

Da wird es dann kompliziert, denn wenn man nun wirklich mal wissen will, was Bewusstsein ist, wen fragt man? Neurowissenschaftler, die Philosophie des Geistes, Psychoanalytikerinnen, Evolutionsbiologen, Meditationsmeister, Kognitions- oder Affektforscher ... usw.?
Wem kommt die Deutungshoheit zu und warum genau?

@User_0815_4711

Hallo, darin erkenne ich mich nun wieder, da wir auch ein annähernd gleiches Alter haben.
Nur das große Wozu, den Sinnverlust kenne ich nicht, nicht allumfassend und als dauerhaften Zustand.
Sinn ist in der Welt, sofern ein Wesen etwas als sinnvoll erachtet.

Die Rede davon es gäbe etwas an sich (z.B. Steine und Atome) und anderes nicht (Sinn und Gerechtigkeit) privilegiert unbegründet eine bestimmte Sichtweise/Perspektive und spricht ihr eine Vorrangstellung zu (hier dem Materialismus).
Dieser ist aber auch nur eine, aus unseren Wahrnehmungen, kombiniert mit logischen Schlüssen, abgeleitete Theorie, wie Wilfried Sellars treffend herausarbeitete.

Oft kriegen wir das aber nicht eingefangen, und denken Rot sei irgendwie unwirklich, elektromagnetische Wellen einer bestimmten Länge hingegen real. Weil man das eine messen kann und das andere scheinbar nicht. Dabei ist Sehen nichts anderes als ein Messvorgang, bzw., die Messung der Wellenlängen eine erweiterte Wahrnehmung, die anschließend gedeutet werden muss.
Wahrnehmung plus Deutung ist Theorie, in beiden Fällen.

Zitat von Cbrastreifen:
@User_0815_4711 Hallo, darin erkenne ich mich nun wieder, da wir auch ein annähernd gleiches Alter haben. Nur das große Wozu, den Sinnverlust kenne ich nicht, nicht allumfassend und als dauerhaften Zustand. Sinn ist in der Welt, sofern ein Wesen etwas als sinnvoll erachtet.

Danke, dass du auf mich eingegangen bin, auch wenn ich das meiste davon nicht verstehe, da ich einfach gestrickt bin.

Aber das verstehe ich: Sofern ein Wesen etwas als sinnvoll erachtet. Das ist ja auch das Problem!

Wie nannte Victor Frankl eines seiner Bücher: Das leiden am sinnlosen Leben. Ein Luxusproblem, wenn man alles hat, in der Tat.

Zitat von User_0815_4711:
Aber das verstehe ich: Sofern ein Wesen etwas als sinnvoll erachtet. Das ist ja auch das Problem!

Wie nannte Victor Frankl eines seiner Bücher: Das leiden am sinnlosen Leben. Ein Luxusproblem, wenn man alles hat, in der Tat.

Ich glaube nicht, dass Sinn die Kirsche auf der Sahne ist, sondern etwas sehr Elementares.
Wenn depressiven Menschen der Sinn fehlt, hilft es auch nichts, ihnen zu erklären, dass das Haus doch warm und der Kühlschrank voll ist und der Fernseher 78 Programme hat. Das wissen sie, es hilft aber nicht.

Zitat von Cbrastreifen:
Ich glaube nicht, dass Sinn die Kirsche auf der Sahne ist, sondern etwas sehr Elementares.
Wenn depressiven Menschen der Sinn fehlt, hilft es auch nichts, ihnen zu erklären, dass das Haus doch warm und der Kühlschrank voll ist und der Fernseher 78 Programme hat. Das wissen sie, es hilft aber nicht.

Der Sinn verschiebt sich, je höher man in der Bedürfnispyramide kommt?
Hat man kein Essen, ist Essen beschaffen sinn-voll. Und so weiter.
Ist dann die untere Ebene erfüllt, gehts weiter.
Die, die noch weiter unten sind in der Pyramide, betrachten die, die weiter oben in der Pyramide sind, als undankbar, weil sie alles haben. Aus ihrer Sicht komplett verständlich. Doch ist das Leiden der höher in der Pyramide sich befindlichen weniger leidhaft?

Zitat von User_0815_4711:
Die, die noch weiter unten sind in der Pyramide, betrachten die, die weiter oben in der Pyramide sind, als undankbar, weil sie alles haben. Aus ihrer Sicht komplett verständlich. Doch ist das Leiden der höher in der Pyramide sich befindlichen weniger leidhaft?

Ein sehr wichtiger Punkt!
Und die Antwort steckt ja von Deiner Seite schon fast mit drin.
Nein, das Leiden ist anders, aber nicht geringer. Wir meinen, dass wir aus dem Gröbsten raus sind und mit jeder neuen Stufe, die wor erklimmen, entsteht auch neues Leid, das vorher schlicht noch nicht da war.

Darum ist die (buddhistische) Formel, dass Leben Leid bedeutet, ziemlich genial.
Unabhängig von unserer Entwicklung, da die Fortschritte eben auch immer neue, komplexere Schatten bergen.

Zitat von Cbrastreifen:
Darum ist die (buddhistische) Formel, dass Leben Leid bedeutet, ziemlich genial.

Kommt laut Buddhismus Leiden nicht vom anhaften?

Zitat von User_0815_4711:
Hat sicher wer geschrieben, ich habe nicht alles gelesen, Abhilfe schafft, wenn man mal in den Flow kommt, eine gewisse Form der Kreativität, auch Gartenarbeit oder Putzen. Wobei das mit dem Putzen schon schwierig wird, weil am Ende immer die Entropie gewinnt (und gegen die Entropie hilft lokal nur der Einsatz von Energie). Die Frage ist also, ist der Wille, der Geist stark genug, um die (bei mir noch(!?) schwache) Existenzdepression zu überwinden?

Im Laufe der Zeit habe ich durchaus gezielte Strategien entwickelt, welche es mir ermöglichen, mich nicht nur effektiv abzulenken, sondern auch den oftmals irrationalen oder übersteigerten Charakter meiner eigenen Gedankenmuster zu durchschauen und kritisch zu hinterfragen.

Dennoch überfallen mich solche existenziellen Gedanken noch immer - meistens in Momenten, in denen ich sie am wenigsten einkalkuliere, wie zuletzt bei der Durchführung meiner Bewerbungen.

Zitat von Ja02:
Dennoch überfallen mich solche existenziellen Gedanken noch immer - meistens in Momenten, in denen ich sie am wenigsten einkalkuliere, wie zuletzt bei der Durchführung meiner Bewerbungen.

Humor ist perfekt!

Objektiv betrachtet läuft derzeit alles nahezu ideal für mich. Ich befinde mich im Aufbau einer Beziehung oder zumindest etwas Ähnlichem, habe heute eine durchaus vielversprechende Nachricht von der University of York erhalten und bin kurz davor, meine Masterarbeit abzuschließen. Den heutigen Tag habe ich, nach einer halbwegs erholsamen Nacht, eigentlich entspannt begonnen - ich war tatsächlich alleine in einem Café Kaffee trinken, doch währenddessen überkam mich plötzlich die Erkenntnis, dass sich ja trotz aller äußeren Erfolge immer noch nicht alles vollständig richtig anfühlt. Es ist, als würde ich, je besser sich mein Leben objektiv gestaltet, das Ganze umso mehr hinterfragen.

Diese Gedanken führen mich schließlich zu der Frage: War es das nun? Bin ich dabei, alles zu erreichen, was ich mir früher als erstrebenswert vorgestellt habe (nicht falsch verstehen, es ist mir unglaublich wichtig, forschen zu können), nur um dann festzustellen, dass sich hinter diesen Zielen möglicherweise nichts Substantielles verbirgt? Je tiefer ich mich in diese Überlegungen hineinsteigere, desto stärker drängen sich Sinnfragen auf, welche bei mir ja einen fast schon obsessiven Charakter annehmen. Es ist, als würde ich mich plötzlich fragen, warum bestimmte Dinge - vor allem immaterielle, wie akademische oder berufliche Anerkennung - so wichtig erscheinen, obwohl sie physisch keinen Bestand haben.

Natürlich, Qualifikationen führen zu besserem Einkommen und ermöglichen Zugang zu Annehmlichkeiten, welche das Belohnungssystem im Gehirn stimulieren. Doch in letzter Konsequenz bleibt der Nutzen dieser Anreize doch eigentlich flüchtig. Der Gedanke drängt sich auf, dass diese Ziele und die damit verbundenen Errungenschaften nur eine kulturell konstruierte Währung sind, welche uns eine Bedeutung und Richtung vorgaukelt, während das zugrunde liegende Bedürfnis nach Sinn und Zweck unverändert bleibt. Vielleicht liegt das Problem also nicht in dem, was ich erreicht habe, sondern in der Annahme, dass äußere Meilensteine den inneren Hunger nach Sinn stillen könnten, falls ihr versteht, was ich meine. Es scheint halt, als müsse ich mich fragen, ob das Streben nach Zielen, die kulturell als erstrebenswert gelten, tatsächlich eine Antwort auf die fundamentale Frage des „Warum“ liefern kann, oder ob ich schlicht die Lücken, welche mir bewusst werden, mit kurzfristigen Dopaminauslösern zu füllen versuche - ohne dass dadurch eine nachhaltige Erfüllung entsteht.


Zugleich empfinde ich es als äußerst unangenehm, mit derart trivialen Anliegen und Luxusproblemen hier aufzuwarten. Eigentlich sollte ich mich über mein Leben nicht beklagen.

(Was ist nur mein Problem?!?)

Zitat von Ja02:
Vielleicht liegt das Problem also nicht in dem, was ich erreicht habe, sondern in der Annahme, dass äußere Meilensteine den inneren Hunger nach Sinn stillen könnten, falls ihr versteht, was ich meine. Es scheint halt, als müsse ich mich fragen, ob das Streben nach Zielen, die kulturell als erstrebenswert gelten, tatsächlich eine Antwort auf die fundamentale Frage des „Warum“ liefern kann, oder ob ich schlicht die Lücken, welche mir bewusst werden, mit kurzfristigen Dopaminauslösern zu füllen versuche - ohne dass dadurch eine nachhaltige Erfüllung entsteht.

Ich empfinde dich als die 10x intelligentere und auch 10fach zugespitzte Version von mir selber. Beachte auch den Altersunterschied von 25 Jahren! Ich könnte locker dein Vater sein.

Den obigen Absatz kann ich nur vollinhaltlich bejahen und ihm zustimmen. Ja, ich verstehe Dich. Die äußeren Meilensteine sind nichts anderes als eine kurzfristige Befriedigung so wie shopping; sie lösen keine Warum- oder Sinn-Fragen. Und je höher die intellektuelle Hürde gewesen ist, desto größer der Dopaminausstoß. Aber wie du völlig treffend analysierst, der ist nicht von Dauer und macht nicht dauerhaft zufrieden oder gibt dir Sinn oder Antwort auf das Warum.

Du bist noch seeeeehr jung, kannst dir also noch viel Dopamin in der Physik holen. Irgendwann wirst du aber wahrscheinlich müde davon werden. Oder aber du steigst schon bald komplett aus diesem Rad aus und machst ganz was anderes. Aber erzwinge nichts. Türen werden sich öffnen, bald oder auch erst in einiger Zeit. Türen einrennen bringt nichts. Das Leben wird dich führen.

Ich persönlich bin im Alter von 32 Jahren aus dem Rad ausgestiegen. Es war eine plötzliche mentale Umschaltung im Hirn durch ein Fachbuch(!). Mein Leben hat sich dadurch nicht plötzlich verändert, ich habe den Arbeitsvertrag gegen gutes Geld fertiggearbeitet und wurde anschließend sogar in dem Gebiet selbstständig. Jetzt mache ich für Geld seit vielen Jahren aber schon wieder komplett was anderes. Das, wo ich damals ausgestiegen bin, mache ich aber immer noch hobbymäßig in wechselnder Intensität. Es ist ja doch eine Leidenschaft von mir, auch wenn ich mit dem professionellen Umfeld, seit ich 32 bin, nichts mehr anfangen kann.

Zitat von Ja02:
ich war tatsächlich alleine in einem Café Kaffee trinken, doch währenddessen überkam mich plötzlich die Erkenntnis, dass sich ja trotz aller äußeren Erfolge immer noch nicht alles vollständig richtig anfühlt.

Vollständig richtig ist auch etwas sehr perfektionistisches, denke ich.
Also warum sich nicht eine Belohnung oder einen schönen Moment gönnen?

Auch wenn es in die hedonistische Richtung geht und dieses große Warum zweifelsfrei und vollständig
vielleicht nie beantwortet werden kann.
Damit würde man die eigene Messlatte auch sehr hoch hängen, um ständig im Zweifel zu bleiben.
Zitat von Ja02:
Doch in letzter Konsequenz bleibt der Nutzen dieser Anreize doch eigentlich flüchtig. Der Gedanke drängt sich auf, dass diese Ziele und die damit verbundenen Errungenschaften nur eine kulturell konstruierte Währung sind, welche uns eine Bedeutung und Richtung vorgaukelt, während das zugrunde liegende Bedürfnis nach Sinn und Zweck unverändert bleibt.

Das erste halte ich für eher normal. (flüchtig).
Das zweite für möglich. Aber Schritte zu tun, ist auch eben das, was man konkret tun kann.

Sinn und Zweck zu finden, das kann auch eine lebenslange Aufgabe bleiben.
Aber warum sich zwischendurch das Aufatmen, auch mal auf sich stolz sein u ä. verbieten?
Zitat von Ja02:
Es scheint halt, als müsse ich mich fragen, ob das Streben nach Zielen, die kulturell als erstrebenswert gelten, tatsächlich eine Antwort auf die fundamentale Frage des „Warum“ liefern kann, oder ob ich schlicht die Lücken, welche mir bewusst werden, mit kurzfristigen Dopaminauslösern zu füllen versuche - ohne dass dadurch eine nachhaltige Erfüllung entsteht.

Ich befürchte, das ist ein Konflikt, den die Menschheit schon sehr lange beschäftigt.
Für manche ist die Antwort 42, für die andere eine Religion mit komplizierten Regeln, und für wieder andere der Durchbruch zu einem möglichst dauerhaften Glück/Dopaminfeuer oder aber auch das Gründen einer Familie und so etwas wie die Seinen zu haben. Und wer weiß, was sonst noch...
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Zitat von User_0815_4711:
Du bist noch seeeeehr jung, kannst dir also noch viel Dopmin in der Physik holen. Irgendwann wirst du aber wahrscheinlich müde davon werden. Oder aber du steigst schon bald komplett aus diesem Rad aus und machst ganz was anderes. Aber erzwinge nichts. Türen werden sich öffnen, bald oder auch erst in einiger Zeit. Türen einrennen bringt nichts. Das Leben wird dich führen.

Meine Hoffnung gründet sich ja darauf, immer weiter und unermüdlich in die Tiefen meines Fachgebietes vorzudringen, fortwährend neue Erkenntnisse zu gewinnen, aber dabei niemals einen Punkt zu erreichen, an dem diese Entwicklung abgeschlossen ist. Es ist genau diese endlose, quasi asymptotische Suche nach Wissen und Verständnis, welche mich intellektuell reizt und zugleich antreibt, überhaupt noch fortzufahren. Es scheint mir momentan der einzige Weg zu sein, der die Leere eines abgeschlossenen Ziels durch den unerschöpflichen Prozess des Erkenntnisgewinns ersetzt.

Zitat von User_0815_4711:
Ich empfinde dich als die 10x intelligentere und auch 10fach zugespitzte Version von mir selber.

Das klingt irgendwie auch lustig (für mich). Es ist nicht ein auslachen, sondern eine gewisse Art
von Zuspitzung und Komik, also nicht falsch verstehen.

Also was ich so mitbekommen habe, ist Intelligenz Fluch und Segen!
Man kann sehr komplexe Dinge durchschauen,ggf auch sehr komplexe Aufgaben lösen, ggf. auch sehr sehr weit
schauen.

Ein Supervisor bei mir auf meiner zweiten Arbeitsstelle meinte, intelligente Menschen blicken min. 10 Jahre voraus und machen sich dann auch darum Sorgen.

Das genießen und etwas hinnehmen könnte mit weniger Intelligenz etwas leichter gelingen.

Da könnte der Sinn des Lebens vielleicht auch eine Art von Ärgernis sein, wenn man das nicht so ganz durchschauen kann und nicht ein Ende/Lösung sieht, vielleicht auch in 10 Jahren nicht.

@Ja02 Ich verstehe dich gut. Kenne einige Leute, da war äußerlich betrachtet alles top und dennoch innere Leere da.
Das sind zwei verschiedene Bereiche.
Manchmal hilft eine kleine Auszeit für eine Bestandsaufnahme, um in sich reinzuhören, was man wirklich will.

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Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl
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