Ich kenne die Telefonseelsorge auch aus eigener Erfahrung und zwar als Seelsorger am andere Ende der *beep*. Ich habe dort während und nach meinem Studium ehrenamtlich gearbeitet, über 7 Jahre hinweg.
Deshalb mal ein paar Antworten auf die in den Postings versteckten Fragen:
Die Telefonseelsorge ist tatsächlich regionalisiert. Man wird mit einem Seelsorger in seiner Anrufregion verbunden. Das ist deshalb sinnvoll, weil man zum einen die Menschen der Region kennt und z.B. auch weiß, was in den Regionen gerade an Themen aktuell ist (Fußballverein abgestiegen, Massenentlassungen bei ner Firma etc.), weil man Anlaufstellen in der Region kennt, wo man gegebenfalls konkrete Hilfe erfahren kann, aber auch weil man die Sprache der Menschen spricht - das Beherrschen des regionalen Dialekts kann eine Brücke sein. Hauptgrund ist aber, dass die jeweiligen Landeskirchen/Bistümer die Verantwortung dafür tragen und die Stellen auch personell ausstatten und ausbilden.
In der Telefonseelsorge sind nur wenige Hauptamtliche beschäftigt, der größte Teil der Dienste wird von Ehrenamtlichen geleistet. Auch wenn viele PfarrerInnen neben ihrem regulären Dienst mitarbeiten, sind die meisten doch theologische und psychologische Laien aus allen möglichen Berufen. Sie bringen hauptsächlich ihre natürlichen empathischen Fähigkeiten/ihre Nächstenliebe ein und haben in Hospitation, Wochenendkursen und durch regelmäßige Supervision (zumindest im Idealfall) gelernt, mit den unterschiedlichsten Gesprächssituationen umzugehen und klar zu kommen.
Was ich damit unterstreichen möchte ist: TelefonseelsorgerInnen sind auch nur Menschen, wie du und ich. Sie erbringen keine professionelle Dienstleistung, wie ich sie von einer Hotline verlangen kann, sondern sie erbringen freiwillig und unbezahlt einen Liebesdienst am Mitmenschen. Deshalb ärgert es mich, wenn man hier von einer der Telefonseelsorgerin als Hexe spricht. Ich finde das unfair.
Es ist sicher so, dass manchmal das Bedürfnis des Anrufers nicht gestillt werden kann. Hier gehen zwei Menschen miteinander um und da menschelt es halt, da fließen ganz viele Dinge ein, Dinge, die ich steuern kann und Dinge, die außerhalb meiner Handlungsgewalt liegen, z.B. ob ich Mann oder Frau an der *beep* habe und die unterbewusst ablaufen, z.B. ob mir die Stimme, die Sprache des anderen sympathisch ist oder nicht.
Dazu kommt, auch einE TelefonseelsorgerIn ist nur ein Mensch, hat mal einen schlechten Tag, ist von ner anstrengenden Woche müde, spürt eine Grippe aufziehen, hatte Streit mit dem Partner. So gerne man das auch raushielte und so sehr man sich darum bemüht, unterbewusst spielt das ne Rolle und ein sensibles Gegenüber nimmt diese negativen Vibes wahrscheinlich wahr. Mir ist es selbst einmal passiert, dass mir ein Gesprächspartner sagte: Na, Ihnen gehts heute aber auch nicht gut! Ich war geschockt! Sowas sollte nicht passieren, aber dummerweise kommt es vor. Der Idealfall wäre, dass man sich, wenn es einem schlecht geht ablösen lassen könnte, aber leider ist das mit den Dienstplänen so ne Sache. Wie überall.
Dann gibt es Tage, wo mehrere anstrengende Situationen nacheinander kommen. Wenn gerade ein Vater von 5 Kindern angerufen hat, dem bei nem Hausbrand die Frau ums Leben kam und durch den Brand die Existenz vernichtet wurde, der davon redet, dass er und seine Kinder besser auch sterben würden und danach kommt ein Scherzanrufer und danach dann jemand, der sagt: Ich bin so einsam! Und sich dann so passiv verhält, dass ich den Animateur gebe muss und ihm die sprichwörtlichen Rosinen aus der Nase ziehen muss.
Leute, ich sage euch, das ist ein Kraftakt, da weiterhin verständnisvoll zu bleiben!
Da muss man sich schon sehr zusammennehmen, um mit der Situation angemessen umzugehen, und sich zu sagen, das eine waren die Probleme des einen Anrufers, der hat nun aufgelegt und das sind nun die Probleme dieses Anrufers und es ist nicht deine Sache, denen eine Gewichtung zu verleihen, beide sind unglücklich und brauchen jemanden zum reden und du kannst da keine Skala führen. Man weiß ja wirklich nicht, ob da jemand aus Langeweile anruft oder ob jemand wirklich ernsthafte psychische Probleme hat oder wenn jemand von Einsameit spricht, ob er vielleicht deshalb einsam ist, weil er gerade umgezogen ist und noch niemanden kennt (solche Anrufe kommen z.B. zu Semesterbeginn sehr häufig vor) oder ob er ne Sozialphobie hat und es ihm unmöglich ist, Kontakt zu anderen Menschen zu suchen. Supervision und Erfahrung helfen einem dabei, ein Gespür dafür zu entwickeln, aber manchmal liegt man in seiner Einschätzung auch voll daneben.
Ich finde es schon schwierig mit dem Zweifel, hab ich die Situation erfasst, das Richtige und vor allem genug getan, umzugehen.
Die Tatsache, dass ich jetzt als Betroffene in diesem Forum unterwegs bin, geht unter anderem auch auf meine Erfahrungen als Telefon- und Notfallseelsorgerin zurück. Ich bin da zu oft über meine Kräfte gegangen.
Das Schweigen am Telefon und so Floskeln wie hmm, okay, ach ja müssen keineswegs ein Zeichen von Desinteresse sein, sind es auch in der Regel nicht. Zum einen gibt es in der Seelsorge nämlich auch die unterschiedlichen Schulen oder besser therapeutischen Methoden der Psychologie, auch hier gibt es personenzentrierte, lösungsorientierte und sonstige seelsorgerische Ansätze und es hängt immer etwas davon ab, bei wem der Seelsorger seine Ausbildung gemacht hat und wohin er tendiert.
Zum anderen haben auch Telefonseelsorger eine Vorprägung in Sachen Kommunikation. Die einen lieben das Frage-Antwort-Spiel, andere lassen den Anrufer lieber erzählen, wieder andere beherrschen die große Kunst der Interventionen und können ein Gespräch für alle Beteiligten voran bringen.
Ich hoffe, das hat ein wenig zum Verständnis der anderen Seite beigetragen. Vielleicht denkt ihr dran: auf beiden Seiten der Schnur sitzen Menschen!
Und damit ist denke ich auch die an anderer Stelle geäußerte Frage nach meinem beruflichen Hintergrund beantwortet
16.02.2013 13:25 •
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