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Guten Morgen liebe Forumsmitglieder,

ich habe eine Frage zu etwas, das so einfach klingt und in Büchern so einfach beschrieben wird, aber mir wohl einfach nicht so gut gelingt.
Es heisst immer so schön:
Verdränge die schwierigen Emotionen nicht. Lasse sie fliessen, spüre sie, nimm sie an.
Das leuchtet mir ein.

Jedoch kann ich auf einen langen Weg der Heilung von einer Erschöpfungsdepression/Burnout zurückschauen, wo im Vordergrund die weggedrückten Emotionen standen.
Ich habe wirklich körperlich gespürt, wie sie in mir drin sassen, meinen Kopf zum Vibrieren. meine Muskeln zur Anspannung brachten und meine Lebensenergie verschlungen haben. Alles Denken hat es nur intensiviert.
Erst als ich mit meinem Kopf am Ende war, kam ein Moment der Verzweiflung, wo viel Anspannung aus mir wich und es mir danach deutlich besser ging. Das hat sich wiederholt, bis ich letztendlich meinen Frieden und meine Kraft wiedergefunden habe und mittlerweile wieder fit unterwegs bin.

Nun merke ich, dass das natürlich weiterhin ein Thema ist (und ein Lebenlang sein wird, klar - Emotionen sind Leben).
In den letzten zwei Wochen habe ich gemerkt, dass sich einige unangenehme Gefühle in mir breit machen. Zunächst habe ich (wie immer) in meinem Kopf nach Gründen gesucht, aber nicht wirklich welche gefunden - es hat sich im Aussen nichts geändert.
Erneut habe ich zwar ängstlich drauf geschaut, jedoch auch versucht, denen einfach Raum zu geben, sie einfach dasein zulassen. Mitterweile stürze ich mich nicht mehr in Arbeit oder Reisen, sondern versuche, diese Gefühle bewusst ihren Raum zu geben.
Dennoch intensivierten sich diese Gefühle bis zu einem sehr unangenehmen Grad - bis zum Moment, wo ich wieder ziemlich verzweifelt war, viel weinen musste - und danach sich wieder Frieden und Entspannung einstellte.

Meine Frage - kann ich diese Achterbahnfahrten irgendwie ausgleichen?
Anstelle von vielen Wochen an Aktivität, Spass und Huihui gefolgt von einen Minihölle an starken unangenehmen Gefühlen - etwas mehr Ausgeglichenheit zu leben.
Ich hoffe, ihr könnt damit was anfangen und aus euren Erfahrungen berichten.

Danke euch!

30.10.2024 08:39 • 21.11.2024 x 4 #1


22 Antworten ↓


Hallo Niko,

Zitat von NikoXP:
Emotionen sind Leben

besser kann man dies glaube ich, nicht sagen.
Natürlich kann sachliches, logisches Denken zu einem sehr zufriedenen Leben ganz, ganz viel dazutun.
Damit will ich sagen. Für mich sind beide, gefühlsbetontes Denken und logisches Denken die
Grundlage für ein angenehmes Leben.

Zitat von NikoXP:
bis ich letztendlich meinen Frieden und meine Kraft wiedergefunden habe

Was bezeichnest Du als Deinen Frieden? Kannst Du mir das beschreiben?

Zitat von NikoXP:
Meine Frage - kann ich diese Achterbahnfahrten irgendwie ausgleichen?

Natürlich kannst Du das ausgleichen. Wenn Du zu Deinen Emotionen und Deinen Gefühlen noch
einiges an sachlichem, logischen Denken hinzufügst, wird das Ganze sicher bald ausgeglichener.

Viele Grüße
Bernhard

A


Emotionen spüren - und die Achterbahn dadurch ausgleichen

x 3


Hallo @Hotin,

danke für Deine Antwort.
Zitat von Hotin:
gefühlsbetontes Denken und logisches Denken die
Grundlage für ein angenehmes Leben

Du hast Recht, dass eine Mischung aus beidem wichtig für ein ausgeglichenes Leben ist. Zum einen die Emotionen zu spüren und wahrzunehmen, einfach rauschen zu lassen, zum anderen aber auch mal den Kopf benutzen, um evtl. Erkenntnisse daraus zu gewinnen.


Zitat von Hotin:
Wenn Du zu Deinen Emotionen und Deinen Gefühlen noch
einiges an sachlichem, logischen Denken hinzufügst

Aber genau hier stimme ich Dir aus meiner Perspektive nicht zu. Ich bin ein ziemlich intelligenter Mensch mit einem hohen Mass an analytischem, sachlichen und fokussiertem Denken. Aber das ist grade mein Problem. Intelligent klingt so toll, aber mein Problem ist, dass ich alle meine Gefühle in den Kopf leite, durchanalysiere - und dabei bleiben sie hängen, kreieren Spannung, rauben mir meine Energie.
Mein Therapeut ist fast mal ausgerastet und meinte: Sie müssen aufhören zu denken und anfangen zu fühlen.

Und wie das geht - das ist meine Frage, so simpel sie klingt - aber ich finds schwieirig.

Zitat von Hotin:
Was bezeichnest Du als Deinen Frieden? Kannst Du mir das beschreiben?

Ich setze mir nicht als Ziel, immer happy und glücklich zu sein. Vielmehr möchte ich, dass ich bei egal welchen Emotionen (Trauer, Angst, Wut, Freude, Glück etc) ich damit im Frieden bin, also ein übergeordnetes Gefühl der Annahme und Wohlwollens. Da ich mich aber gegen schwierige Emotionen mit dem Kopf wehre, bleiben diese im Körper und rauben mir den Frieden, indem sie mich unruhig, gestresst und angespannt machen.

Zitat von NikoXP:
Da ich mich aber gegen schwierige Emotionen mit dem Kopf wehre, bleiben diese im Körper und rauben mir den Frieden, indem sie mich unruhig, gestresst und angespannt machen.


Niko, ich denke, ich weiß wovon Du sprichst.

Zitat von NikoXP:
mein Problem ist, dass ich alle meine Gefühle in den Kopf leite, durchanalysiere - und dabei bleiben sie hängen, kreieren Spannung, rauben mir meine Energie.


Wenn Du Dir diese beiden Aussagen von Dir immer wieder anschaust, kannst Du hoffentlich erkennen,
dass Du Dir hier völlig wiedersprichst.

Zitat von NikoXP:
Aber genau hier stimme ich Dir aus meiner Perspektive nicht zu. Ich bin ein ziemlich intelligenter Mensch mit einem hohen Mass an analytischem, sachlichen und fokussiertem Denken.


Das hört sich erst einmal sehr gut an. Aber!

Zitat von NikoXP:
Aber das ist grade mein Problem. Intelligent klingt so toll,

Zitat von NikoXP:
mein Problem ist, dass ich alle meine Gefühle in den Kopf leite, durchanalysiere - und dabei bleiben sie hängen,


Ich hoffe, ich liege richtig, mit dem, was ich jetzt hier beschreibe.

Menschen leiden vermutlich überwiegend unter folgenen psychischen Störungen.
Wir haben zwei Bereiche im Gehirn, mit denen wir Denken. Dies sind einmal unser
unterbewustes Denken. Und zum andern unser bewusstes Denken.

Die häufigste psychische Störung scheint für mich zu sein.
Menschen glauben, ihre unterbewussten Gedanken, das wäre das richtige Denken.

Die deutlich kleinere Gruppe, zu denen gehörst Du eventuell, versucht die unterbewusst entstehenden
Gefühle ins Bewusstsein rüberzuholen und sie dann zu versachlichen.
Das kann aber schlecht funktionieren. Denn wie Du schrebst, bleiben diese Gefühle dann in Deinem
bewussten Denken hängen.

Beides kann schlecht funktionieren.
Gedanken sind Gedanken ( bewusstes Denken)
Und Gefühle sind Gefühle (unterbewusstes Denken)

Versuche nicht aus einer Katze einen Wachhund zu machen.
Und einen Schäferhund solltest Du nicht versuchen zu einer Katze umzufunktionieren.

Zitat von NikoXP:
Mein Therapeut ist fast mal ausgerastet und meinte: Sie müssen aufhören zu denken und anfangen zu fühlen.


Ich sehe es etwa ähnlich wie Dein Therapeut. Nur, ich vermute er beschreibt es falsch.
Höre nicht auf zu denken sondern denke weiter wie bisher!
Aber beginne immer besser zu
fühlen! Aber mit dem Teil Deines Kopfes, der für das Fühlen
zuständig ist.
Lass die beiden Teile erfolgreich zusammenarbeiten.


Nun stellt sich zuerst einmal die Frage.
Kannst Du verstehen. was ich hier versuche zu beschreiben?

Viele Grüße
Bernhard

Hey @Hotin,

vielen lieben Dank für deine Nachricht.
Ich merke, dass dort etwas drinsteckt, was für mich sehr hilfreich sein könnte, aber ich verstehe deinen Schreibstil nicht ganz.

Du schreibst, dass sich meine Aussagen widersprechen - in beiden von dir zitierten Aussagen beschreibe ich das Phänomen, dass ich bei Gefühlen in meinen Kopf gehe, dadurch Angst kreire, indem ich Gefühle versuche zu denken, anstelle zu fühlen, was nicht geht. Für mich sind diese Aussagen äquivalent, ich sehe da keinen Widerspruch, aber du kannst ihn mir gerne zeigen.

Dann schreibst Du:
Zitat von Hotin:
Menschen leiden vermutlich überwiegend unter folgenen psychischen Störungen.

Aber danach folgt keine psychische Störung, sondern Du schreibst etwas von Gehirnbereichen.

Erneut schreibst Du:
Zitat von Hotin:
Die häufigste psychische Störung scheint für mich zu sein.

Aber es folgt weiterhin keine psychische Störung, sondern Du schreibst etwas vom Unterbewusst sein.

Das scheint mir etwas kryptisch - was genau meinst Du mit Störung und deiner Beschreibung unseres Denkens?

Zitat von Hotin:
Die deutlich kleinere Gruppe, zu denen gehörst Du eventuell, versucht die unterbewusst entstehenden
Gefühle ins Bewusstsein rüberzuholen und sie dann zu versachlichen.

Ich würde behaupten, dass das 90% der Menschen in meinem Bekanntenkreis machen.
Gefühle zu zerdenken, zu grübeln etc. ist weit verbreitet und keine kleine Gruppe.


Das hier ist der Teil, der mir am wichtigsten erscheint:

Zitat von Hotin:
Höre nicht auf zu denken sondern denke weiter wie bisher!
Aber beginne immer besser zu
fühlen! Aber mit dem Teil Deines Kopfes, der für das Fühlen
zuständig ist.


Das ich nicht ständig auf meinem Denken rumhacke, ist sicherlich ein guter Ansatzpunkt.
Und dann sind wir mit deinem Statement wieder bei meiner Anfangsfrage gelandet:

Wie beginne ich besser zu fühlen?
Wie nutze ich den Teil meines Kopfes, der für das Fühlen zuständig ist?

Danke Dir, Bernhard, und einen schönen Tag!

Hallo Niko,

vielen Dank für Deine Antwort.

Zitat von Hotin:
Menschen leiden vermutlich überwiegend unter folgenen psychischen Störungen.
Wir haben zwei Bereiche im Gehirn, mit denen wir Denken. Dies sind einmal unser
unterbewustes Denken. Und zum andern unser bewusstes Denken.

Die häufigste psychische Störung scheint für mich zu sein.
Menschen glauben, ihre unterbewussten Gedanken, das wäre das richtige Denken.

Zitat von NikoXP:
Aber es folgt weiterhin keine psychische Störung, sondern Du schreibst etwas vom Unterbewusst sein.


Eine psychische Störung entsteht meiner Ansicht nach oft dann, wenn jemand die beiden Gehirnbereiche,
bewusstes und unterbewusstes Denken nicht so benutzt, wie es hilfreich ist.
Das sehe ich jedoch weniger als krank an.

Ich füge Dir hier mal einen Link zu einem meiner Beiträge ein. Ich hoffe, dies erklärt ungefähr,
wovon ich ausgehe.

agoraphobie-panikattacken-f4/gedankenkarussell-stoppen-tipps-wie-man-es-schafft-t123286.html#p3090546

@Hotin - vielen Dank für Deinen Beitrag - sicherlich interessant - aber mit Grübeln/Gedankenlarussell habe ich eigentlich kein Problem.

Es bleibt für mich die offene Frage - wie lässt man Emotionen gesund durch seinen Geist/Körper gehen, damit sie sich nicht aufstauen und super intensiv werden. Bzw. - wie fühlt man richtig?

Freue mich weiterhin über jeden Beitrag

Du klingst wie ich!
Erst gestern in meiner Therapiesitzung kam wieder das Thema auf, dass ich unangenehme Gefühle zulassen muss.

Aber ich weiß nicht wie. Klar, wenn die Überforderung zu groß ist, bricht es raus. Aber sonst? Ebenso wie du analysiere ich alles und möchte die unangenehmen Gefühle auch unterbewusst nicht zulassen.

Ich habe große Angst davor, dass diese Gefühle mir meine Stabilität rauben, dass ich nicht mehr raus komme und ewig so fühlen muss.

Ich merke das übrigens an Bauchschmerzen. Sobald ich die bekomme, fängt mein Kopf sofort an in Alarmbereitschaft zu gehen, versucht zu analysieren und gleichzeitig zu verhindern, dass die Emotion durchbricht.

Tut mir leid, dass ich dir keine große Hilfe Hilfe bin, aber ich lese gern weiter mit!

Hallo Niko,

ich weiß, dass Grübeln nicht Dein eigentliches Problem ist. Ich hatte Dir trotzdem empfohlen,
diesen Text zu lesen, weil es mir besonders wichtig erscheint, etwas zu verstehen.

Wir benutzen zwei unterschiedliche Bereiche im Kopf.
Einmal das Unterbewusste Denken.
Das Unterbewusste Denken ist der Bereich wo unsere Gefühle entstehen. Unsere Gefühle geben uns die Empfehlungen,
zu handeln, also etwas zu tun.
Und unser Unterbewusstes Denken ist aber auch ein riesiger Speicher für alle Erinnerungen.
Dort wird alles das gespeichert, was wir jemals gesehen, gehört und früher gefühlt haben.
Und es speichert auch alles, was Du gelernt hast. Du kannst also sicher sein, Dein
Unterbewusstes Denken funktioniert.

Und dann haben wir noch das Bewusste Denken.
Das bewusste Denken arbeitet allerdings extrem langsam. Alles was wir bewusst denken braucht sehr
viel Zeit im Vergleich zu dem unterbewussten Denken.
Das unterbewusste Denken arbeitet mit Lichtgeschwindigkeit.
Alles was Du unterbewusst denken und fühlen willst, ist immer sofort da.
Du beschreibst es ja auch.

Zitat:
[url=/post3524564.html#p3524564]Zitat von NikoXP[/url]
Dennoch intensivierten sich diese Gefühle bis zu einem sehr unangenehmen Grad - bis zum Moment, wo ich wieder ziemlich verzweifelt war, viel weinen musste - und danach sich wieder Frieden und Entspannung einstellte.


Du kannst also fühlen.
Zitat von NikoXP:
klar - Emotionen sind Leben

Zitat von NikoXP:
Es bleibt für mich die offene Frage - wie lässt man Emotionen gesund durch seinen Geist/Körper gehen, damit sie sich nicht aufstauen und super intensiv werden.


Gefühle lässt man eigentlich gar nicht durch seinen Körper gehen. Ich beschreibe das etwas anders.
Ein Gefühl stellt in unserem Kopf teilweise eine Energie bereit. Diese Energie hat oft eine direkte
Auswirkung auf unsere körperliche Empfindung.
Typisch bei Aggression ist. Der Körper wird durch Aggression oft in eine Anspannung versetzt.
Wir sind angespannt und verkrampft.
Nun darf ich aber nicht sagen, Ich will nicht aggressiv sein! Ich will das nicht fühlen, Sondern.
Jetzt muss ich mit meinem bewussten Denken überlegen.
Was macht mich aggressiv?
Warum macht mich das aggressiv?
Wie kann ich es schaffen, dieses aggressive Gefühl abzuschwächen?
Welche Handlung ist dafür erforderlich?

Mit bewusstem Denken müssen wir für uns also Lösungen erarbeiten. Das ist viel Denkarbeit
wenn man das noch nicht gewohnt ist, damit umzugehen. Man muss so etwas erst häufig üben.
Du kannst natürlich auch sagen. Ich will das nicht fühlen.
Kennst Du Menschen, die sich bei Gefahr die Augen zuhalten? Das hilft überhaupt nichts.
Im Gegenteil, es macht schnell alles schlimmer. Ein Gefühl will sich nichts vorschreiben lassen.
Es fühlt ja etwas. Oder es ist zumindest davon überzeugt. dass es etwas fühlt.

Unser Körper entspannt sich erst dann wieder, wenn wir eine Lösung für unser Aggressionsgefühl
gefunden haben. Oder zumindest eine Teillösung haben. Oder einen Kompromiss denken wollen.

Zitat von NikoXP:
Bzw. - wie fühlt man richtig?

Man kann nicht falsch oder richtig fühlen. Du fühlst etwas.
Vermutlich meinst Du aber etwas völlig anderes.

Wie bewertet und steuert man seine Gefühle so, dass man sich letztlich gut und zufrieden fühlt.
Denn dass macht man mit seinem sachlichen und logisch denkendem,
rationalen bewussten Denken.


Es könnte meiner Ansicht nach also sein, dass Du ein kleines Problem darin siehst, Deine
Gefühle zu steuern und sie zu bewerten. Und vor allem, sie zu begrenzen.

@Obscuria Das, was Du schreibst, erinnert mich wirklich an mich - das scheinen wir ähnliche Erfahrungen zu machen - und ich vermute, dass es vielen anderen ähnlich geht. Auch, dass sich die Gefühle dann unangenehm somatisieren, z.B. in Form von Bauch- oder Kopfschmerzen, ist glaube ich ganz typisch.

@Hotin Vielen Dank für deinen erneut sehr ausführlichen Bericht über unser Denken. Mich wundert jedoch, dass Du das Denken so sehr in den Vordergrund stellst, wenn es ums Fühlen geht. Würde ich das, was du schreibst, meinem Therapeuten erzählen, würde er mir ganz sicher sagen, dass ich meine Gefühle wiederum intellektualisiere - nach dem Motto: denke nicht, fühle. Bzw. schalt deinen Kopf aus und das Herz an. Natürlich - wie schon zuvor festgestellt - ist es ein guter Mix aus beidem.
Ich versuche mir jedoch live vorzustellen, wie du mit deinem Ansatz im Alltag mit Gefühlen umgehst. Wenn du wirklich aggressiv bist - setzt du dich dann wirklich hin und denkst in deinem Kopf Aha - Aggression - woher kommt denn das? Was mache ich denn damit?. Das würde mir enorm schwer fallen.
Was ich aber eher auf meine Situation problematisch finde, ist folgendes:
Wenn ich ein unangenehmes Gefühl spüre - in meinem Fall oft Angst, Traurigkeit oder Einsamkeit - dann gehe ich sofort in meinem Kopf und stelle mir deine oben genannten Fragen. Das Problem ist nur - damit habe ich noch nie eine Antwort gefunden. Im Gegenteil - meine eigentliche Emotion wird zurückgestellt, weil ich so im Kopf mit Warum, wie, was? beschäftigt bin.
Wenn Deine Gefühle dein Denken mit Hoffnungslosigkeit und Traurigkeit färben, dann wirst du keine Antworten finden.
Meiner Erfahrung nach geht das Gefühl einfach wieder, ohne dass meine Analyse zu einem befriedigenden Ergebnis gelangt wäre. Jedoch geht es erst nach langer, quälender Zeit - und meiner Meinung nach (und da sind wir wieder am Anfang der Diskussion) liegt das daran, dass ich die Gefühle durch mein Denken im Kopf festhalte.

Standardwerke von Eckhart Tolle und vergleichbaren Autoren beschreiben unser konstantes Denken, unser Identifiziertsein mit der Gedankenwelt und unser hoher Anspruch, uns zum inneren Frieden denken zu können, als Wurzel des Problems.

Zitat von NikoXP:
Mich wundert jedoch, dass Du das Denken so sehr in den Vordergrund stellst, wenn es ums Fühlen geht.


Ich könnte jetzt sagen, mich wundert es, dass Du versuchst das Denken rauszulassen, wenn es darum
geht, Deine Gefühle zu bewerten.

Was mich als Mensch steuert, sind zwar meistens Gedanken. Hauptsächlich aber sind es unsere
Gefühle, die uns steuern.
Gefühle sind Signale, die uns unter anderem Handlungsempfehlungen geben.

Wenn ich das Gefühl habe, das mir kalt ist, dann wird mich dieses Gefühl dazu veranlassen, etwas zu
tun, damit mir weniger kalt ist. Mein Gefühl nämlich von unangenehm nach angenehm wechselt.
Also ziehe ich mir eine Jacke an oder drehe im Zimmer die Heizung hoch. Dadurch wird sich mein Gefühl verändern.
Für dieses Handeln muss ich doch eine bewusste Entscheidung treffen. Ich überlege. Was kann oder
muss ich machen, damit ich mich besser fühle. Dicken Pullover anziehen, mich ins Bett legen,
die Heizung hochdrehen oder auch alles drei.
Durch mein Handeln verändert sich mit der Zeit mein Gefühl. Irgendwann wird mir vermutlich zu warm.
Mein Temperaturgefühl sagt mir. Ich sollte etwas unternehmen, dass mir nicht so warm ist.
Also Pullover wieder aus oder Fenster auf oder Heizung runterdrehen.

Ein anderes Gefühl meldet sich. Ich habe Durst. Bewusst überlege ich mir. Trinke ich etwas Wasser?
Oder lieber eine Tasse Milch? Ich könnte auch einen Tee trinken. Dann trinke ich. Aber ich trinke
keine 5 Liter Tee, weil mir irgendwann ein Gefühl sagt. Ich habe genug getrunken.

Unsere Gefühle, also diese Signale steuern deshalb von morgens bis zum Schlafen gehen
unsere Gedanken.

Um es noch komplizierter zu machen. Häufig friere ich sehr leicht. Deswegen habe ich in jedem
Zimmer meiner Wohnung ein Thermometer. Damit kann ich erkennen, ob mein Gefühl mir
vermutlich das Richtige sagt. Wenn ich friere, schaue ich häufig auf das Thermometer.
Sollte ich 22 Grad haben, dann sagt mir mein Gefühl etwas, was nicht ganz korrekt scheint.
Ich werde mir folglich eine Pullover anziehen, um mein Gefühl zufrieden zu stellen.
Aber ich werde meine Heizung nicht höher drehen.
Somit bin ich ständig mit meine Gefühlen in Kontakt.

Habe ich Durst, kann ich bewusst sagen. Ich habe noch keine Lust jetzt etwas zu trinken.
Ich werde in 20 Minuten einen Kaffee trinken. Damit entscheide ich doch bewusst, ob ich der
Handlungsempfehlung meiner Gefühle folge oder ob ich mich gegen mein Durstgefühl ausspreche.

Zitat von Hotin:
Wie bewertet und steuert man seine Gefühle so, dass man sich letztlich gut und zufrieden fühlt.


Zitat von NikoXP:
Ich versuche mir jedoch live vorzustellen, wie du mit deinem Ansatz im Alltag mit Gefühlen umgehst.


Ist dies verständlich?

Zitat von NikoXP:
Bzw. schalt deinen Kopf aus und das Herz an.


Diese Formulierung ist wenig hilfreich. Von der Wissenschaft wissen wir doch schon
seit Jahrzehnten, dass unser Gefühle im Kopf entstehen.
Zu sagen, ich schalte da mein Herz ein, halte ich genaugenommen für persönliche Irreführung.
Niemand würde sagen, mein Knie sagt mir mal wieder, dass ich zu viel gegesssen habe.
Jeder weiß, dass unser Magen und unser Darm dafür verantwortlich sind, wie wir uns nach dem
Essen fühlen.

Zitat von NikoXP:
Standardwerke von Eckhart Tolle und vergleichbaren Autoren beschreiben unser konstantes Denken, unser Identifiziertsein mit der Gedankenwelt und unser hoher Anspruch, uns zum inneren Frieden denken zu können, als Wurzel des Problems.


Man könnte sich natürlich auch fragen, ob Eckhard Tolle und einige andere Autoren vielleicht besonders
viel dazu beitragen, Menschen in die Irre zu führen.
Ich sage aber ausdrücklich, dass dies nur meine persönliche Meinung ist.
Ich beispielsweise habe noch keinen Menschen gesprochen, der mir versichert hat, dass Eckhard Tolle
derjenige war, der wesentlich dazu beigetragen hat, an der Auflösung einer seelischen Störung auch nur
eine Kleinigkeit geholfen zu haben und dadurch dauerhaft eine entscheidende Verbesserung zu erreichen.
Menschen greifen aber nach jedem Strohhalm, wenn sie gerade nicht weiter wissen.

Könnten schlaue Ratgeber, die wenig Ahnung haben vielleicht auch dazu beitragen, das es manchen
Menschen einfach nicht besser geht?

@Hotin Gute Punkte, die du da nennst.

Haha, du schreibst du schön - um es noch komplizierter zu machen - das mache ich jetzt auch mal.

Wenn ich friere oder Hunger habe, kann ich das Gefühl schnell zuordnen, eine Handlung umsetzen und innerhalb kürzester Zeit mein Gefühl ändern, so wie ich es angenehm finde.
Nun sind wir hier aber nicht in einem kulinarischen Wellnessforum, sondern eben bei Psychic.
Was tust du konkret in deinem Alltag, wenn sich eine intensive Traurigkeit oder Hoffnungslosigkeit einstellt?
Nach meiner Erfahrung hilft keine Aktion, die ich mir im Kopf überlegt habe, dieses Gefühl relativ bald ändern zu können.
Wenn ich überlege, woher dieses Gefühl kommt und was es mir sagen möchte, passieren bei mir bislang zwei Dinge:
1) Ich finde keine Antwort 2) Das Gefühl wird stärker
Da habe ich nicht den Eindruck, dass mir das Denken eine grossartige Hilfe ist.

Was meinst Du dazu, wenn es um komplexerer Gefühle als warm/kalt Hunger/Durst geht?

Zitat von NikoXP:
Was meinst Du dazu, wenn es um komplexerer Gefühle als warm/kalt Hunger/Durst geht?


Ich komme mit Beispielen.
Nachdem Du mit Zahlen von 1 bis 200 gelernt hast zu rechnen, kannst Du auch mit Zahlen
von 1 bis 200 000 rechnen. Oder wo liegt da ein wesentlicher Unterschied für Dich?

Wenn Du Angst vor Hunden hast. Wo liegt für Dich der wesntliche Unterschied zwischen einem
6 Monate alten Hund oder einem 5 Jahre alten Hund der gleichen Rasse?

Zitat von NikoXP:
Was tust du konkret in deinem Alltag, wenn sich eine intensive Traurigkeit oder Hoffnungslosigkeit einstellt?


Was erscheint Dir an den Gefühlen Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit so sehr umfangreich, also komplex?

Traurigkeit stellt sich meistens ein, wenn ich befürchte, auf Kontakte zu anderen Menschen, auf
entspannende Erlebnisse oder materielle Dinge verzichten zu müssen.
Traurigkeit ist vermutlich eine Art von Angst, ein verkleidetes Gefühl.

Hoffnungslosigkeit ist ebenfalls meiner Meinung nach eine andere Art von Angst.
Wenn ich gerade keine Hoffnung habe, dann habe ich die Angst, dass ich etwas nicht erleben oder
nicht bekommen werde oder etwas nicht erreichen kann.
Ist dies nicht ebenfalls ein verkleidetes Angstgefühl?

Zitat von NikoXP:
Wenn ich überlege, woher dieses Gefühl kommt und was es mir sagen möchte, passieren bei mir bislang zwei Dinge:
1) Ich finde keine Antwort 2) Das Gefühl wird stärker

Was heißt, was mir dieses Gefühl sagen will? Das Gefühl Taurigkeit sagt doch vermutlich etwas
immer sehr klar. Zum Beispiel: Mir fehlt jemand der mir mal zuhört. Ich möchte einen Freund, eine Freundin haben. Oder.
Ich vermisse meine Mutter, die früh gestorben ist, denn bei ihr habe ich mich gut und verstanden gefühlt.

Dass sich das Gefühl von Traurigkeit immer stärker meldet, wenn Du dafür keine befriedigende
Antwort findest, ist für mich völlig normal und verständlich.
Ein Gefühl sagt uns immer:
Ich fühle mich gerade sehr gut. Oder es sagt.
Ich fühle mich gerade schlecht.

Ich kenne kein Gefühl in mir welches mir gerade sagt. Ich weiß nicht, was ich gerade fühle.
Nichts U
nangenehmes fühlen bedeutet für mich immer:
Ich fühle mich gut, fühle mich also zufrieden. Fühle nur wenig Angst, wenn ich denke.
Und wenn ich mich gut fühle, dann brauche ich auch gerade nicht darüber nachzudenken,
ob ich etwas fühle oder ob ich eine Angst fühle.
Weil, dann geht es mir ja gerade gut !

Wenn Du immer sagst, Du weißt nicht, warum einige negative Gefühl hervorkommen, so kann es sein,
das solche Gefühle aus Deiner Kindheit, also von früheren her, gespeichert sind und Du
bis heute dafür noch keine Ersatz-Lösung gefunden hast. Aber vielleicht versucht hast, diese Gefühle
zu verdrängen oder auch wegzusperren.
Oder wie siehst Du das?

@Hotin wieder mal klasse geschrieben, danke Bernhard. Deine Texte helfen auch mir immer wieder weiter.

Zitat von Hotin:
Ein Gefühl sagt uns immer:

Das ist genau das Problem bei mir: ein Gefühl! Ich weiß nicht was es ist, kann es nicht greifen und/oder verstehen und habe daher keine Handlungsempfehlung. Wenn es sich gut anfühlt, dann prima, keine Aktion erforderlich. Wenn es sich aber schlecht anfühlt, was dann?
Ich gerate dann entweder in Stasis und bleibe im Bett oder werde ganz unruhig und fange 1000 Sachen an wovon ich exakt 0 zu Ende bringe weil der Drang etwas anderes anzufangen zu stark ist.

Zitat von JniL:
Das ist genau das Problem bei mir: ein Gefühl! Ich weiß nicht was es ist, kann es nicht greifen und/oder verstehen und habe daher keine Handlungsempfehlung.


Also Du weißt nicht, ob Dir kalt oder warm ist?
Du kannst nicht erkennen, ob jemand freundlich oder böse zu Dir ist?
Du fühlst nicht, ob das was Du machst vermutlich richtig ist oder falsch ist?

Viele Grüße
Bernhard
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Ich verstehe heiß und kalt, freundlich oder böse, richtig oder falsch. Aber das was mich belastet verstehe ich nicht. Ich habe auch keine Worte dafür. Ich merke nur dass es mir nicht gut tut und mich im Leben behindert. Vielleicht ist es ja eine Art Angst, aber nicht so konkret wie nachts am Hauptbahnhof, wenn es ein Erdbeben gibt, wenn mir ein Hund entgegen kommt. Ein eher dumpfes Unwohlsein in etwa.
Ich habe auch schon mit meiner Therapeutin Gefühle geübt und festgestellt dass ich selten wirklich etwas (körperlich) fühle sondern mich sofort auf die Denkebene bewege.

Zitat von NikoXP:
Es bleibt für mich die offene Frage - wie lässt man Emotionen gesund durch seinen Geist/Körper gehen, damit sie sich nicht aufstauen und super intensiv werden.

Das ist jetzt mein spontaner Input dazu.
Es geht (glaub ich) drum,die Gefühle rechtzeitig wahrzunehmen (also nicht erst,wenn der innere Staudamm) schon wieder randvoll ist.
Dazu gehört,immer wieder in sich reinzuhören (was denkt es in mir) aber auch rein zu fühlen (wie ist meine Stimmung).
Das meint Hotin glaub ich auch damit,was er schreibt,das Denken und Fühlen quasi in eine Art Stimmigkeit zu bringen.

Das ist Übungssache und ich kann Dir aus eigener Erfahrung sagen,dass es trotzdem immer mal passiert,das das innere Fass überläuft.
Dann hilft auch mir weinen aber auch Rückzug,Ruhe,Wärme,Austausch mit Menschen,die mir gut tun und denen ich ich vertraue...eben alles was gut tut.

Und bau Dir in den Alltag von vornherein genügen Ruhe ein für innere Einkehr um wieder in die eigene Mitte zu finden.
Räume Deinem Befinden oberste Priorität ein denn wenn es einem nicht gut geht,ist alles nichts und die Leistungsfähigkeit leidet übrigens auch darunter.

Falls Du ein leistungsorientierter Mensch bist,kann es sein,dass Du vergisst,dass Batterien auftanken mindestens genauso wichtig ist wie Leistung zu erbringen.
Das Eine funktioniert (auf Dauer) nicht ohne das Andere,man kommt früher oder später in eine Schieflage,weil die Kräfte nicht mehr reichen.

Hinzu kommt etwas,was mir mein Psychiater mal gesagt hat.
Es kommt manchmal was aus dem Unterbewusstsein hoch,das sich vom Verstand her nicht greifen lässt.
Das ist also nicht unnatürlich oder krank aber es ist dann hilfreich zu wissen,was einem gut tut.

Hallo JniL,

Zitat von JniL:
Ich verstehe heiß und kalt, freundlich oder böse, richtig oder falsch. Aber das was mich belastet verstehe ich nicht.


Was belastet Dich denn in dem Bereich?

Zitat von JniL:
Ich habe auch schon mit meiner Therapeutin Gefühle geübt und festgestellt dass ich selten wirklich etwas (körperlich) fühle sondern mich sofort auf die Denkebene bewege.


Jetzt verstehe ich scheinbar etwas nicht. Unsere Gefühle sind meines Wissens Signale aus
unserem Unterbewusstsein. Gefühle sind demnach also unterbewusste Gedanken. Dazu gehört auch
unsere Angst.

Das Du Dich dann bei Gefühlen sofort auf der Denkebene bewegst ist dann doch nach meiner
Sichtweise völlig richtig und normal. Nur benutzen wir zwei Denkebenen gleichzeitig.
Erstens - Die unterbewusste Ebene mit unseren Gefühlen.
Zweitens - Die bewusste Denkebene. Die Denkebene, die sachlich, bewertend und vor allem logisch
denken kann. Und die bewusste Denkebene ist auch der Bereich, der Lösungen für Probleme
finden kann. Und Entscheidungen sollten wir möglichst mit der bewussten Ebene treffen.

Du bringst nun etwas Drittes ins Gespräch mit hinein.
habe festgestellt dass ich selten wirklich etwas (körperlich) fühle

Was bitte erwartest Du, solltest Du körperlich fühlen können oder wollen.
Kannst Du mal versuchen, das zu beschreiben?

A


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Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl
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