Zitat von Flame:Ist schwer,in solchen Momenten freundlich zu sich selbst zu sein statt sich zu verurteilen.
Konnte ich auch nicht. Warum sollte man auch? Ich sehe wenig Sinn darin, sich für etwas zu loben, was einem nicht gelungen ist. Wenn ich an meine eigene Erziehung denke, dann gab es immer dann Lob, wenn ich wirklich ernsthaft etwas versucht hatte, auch wenn ich gescheitert war. Damit war es aber nie getan, denn es folgte immer auch die Aufforderung, es weiter zu probieren. Was mein Vater gnadenlos erkannte war, wenn ich nicht wirklich mein Bestes gegeben hatte. Dann gab es auch keine Anerkennung. Was aber immer vorhanden war, war der unerschütterliche Glaube meines Vaters daran, dass ich es irgendwann schaffen würde - egal, wie oft ich scheitern würde. Allerdings nur dann, wenn ich mich WIRKLICH ins Zeug legte - auch daran ließ er keinen Zweifel.
Zitat von Flame:Wenn ich versagt habe,sinkt die Anspannung denn dann ist es eh gelaufen.
Ich kann loslassen.
Könnte das Thema Kontrolle und Kontrollverlust sein. Kontrolle behalten ist anstrengend und hört vor allem nicht auf, anstrengend zu sein. Sie aufgeben, entlastet von der Anstrengung. Soweit so nachvollziehbar. Das Problem ist, dass man dieses Spiel von Kontrolle und Kontrollverlust ewig spielen kann und dabei unterm Strich keinen Meter voran kommt. Irgendwann ist der Frust über dieses Nichtvorankommen so groß, dass man es ganz sein lässt. Habe zumindest ich einige Male genau so durchexerziert.
Der einfache Weg ist, zu beschließen, dass man es eh nicht schafft und es dann halt sein lässt und sich nicht weiter stresst. Das ist okay - aber es bedeutet, dass man dick bleibt. Wenn man sich damit abfinden will, ist das eine Entscheidung, die manche tatsächlich entlastet.
Für mich war es das nicht. Der Leidensdruck, den meine Fettleibigkeit verursachte, war einfach viel größer als der Preis, den ich zahlen musste, um sie los zu werden. Und dieser Preis hieß: Kontrolle behalten, egal, wie mühsam es war.
Meine Erfahrung ist, dass es tatsächlich leichter wird, wenn man erst mal ein paar Wochen ohne Rückfall durchgehalten hat. Ich musste dieses Reiz-Reaktionsmuster durchbrechen, dass Kontrolle über mein Essverhalten nach Entspannung durch unkontrolliertes Essen schrie. Und das war brutal anstrengend. Aber ich hatte ja längst alle anderen Varianten durch und wusste, dass es alternativlos war, durchzuhalten, wenn ich abnehmen wollte.
Mein Problem war, dass Essen zu dieser Zeit das beste war, was ich hatte, um mir etwas Gutes zu tun. All die guten Ratschläge, wie der, zu überlegen, was ich statt Essen jetzt brauchen/ lieber tun würde, scheiterten an der simplen Antwort, dass es da nichts gab. Ich wollte ESSEN. Kontrolle abgeben, Entspannen, mich füllen. Ging schnell, einfach und ich brauchte niemanden dazu. Als die Erkenntnis, dass Essen mein wichtigster Lebensinhalt war, in mein Bewusstsein durchsickern durfte, war ich sehr entsetzt.
Andere Menschen trafen sich zum Sport, zum Shoppen, zu Freizeitaktivitäten. Ich traf mich zum Essen. Am liebsten mit Leuten, die auch übergewichtig waren. Dann gerne an Buffets, wo ich mir einreden konnte, dass keinem auffiel, wie viel ich aß. Und ins Theater, wozu ich erfreulicherweise kaum Bewegung brauchte und im dunklen Zuschauerraum nicht so auffiel. Wobei es auch da schon wieder blöd war, dass ich aufgrund der eigenen Leibesfülle mehr Körperkontakt zu den Sitznachbarn hatte, als mir selbst - und vermutlich erst recht den Nachbarn - lieb war. Der Leidensdruck, so nicht mehr leben zu wollen, war größer als jede Anstrengung, endlich durchzuhalten.
Zitat von Flame:Wenn ich jedoch am Ball bleibe,bin ich vielleicht erfolgreich aber auch ständig angespannt aufgrund der Versagensangst/der Angst,Fehler zu machen.
Wie gesagt: Eine Sache der eigenen Abwägung. Was ist unterm Strich anstrengender für dich: Am Ball zu bleiben und dich Schritt für Schritt vorzukämpfen oder dick zu bleiben und möglicherweise immer dicker zu werden?