Hallo Franzi,
zum Thema Persönlichkeitsstörungen, also auch die ÄVPS, ist das Buch Persönlichkeitsstörungen von Fiedler und Herpertz aus dem Beltz-Verlag (7. Auflage 2016) ein Literatur-Klassiker. Kann ich empfehlen.
Ich habe selber insgesamt 3 Persönlichkeitsstörungen im Vollbild, darunter auch die ÄVPS.
Meine Diagnostik wurde damals für mich ausreichend umfassend gemacht, ich war (sehr) lange Zeit auf Stationen, die auf Persönlichkeitsstörungen spezialisiert sind. Es wurden mehrere Fragebögen / Tests gemacht, dazu kamen diagnostische Interviews (die der Chefarzt persönlich durchgeführt hat) und monatelange Beobachtungsstudien, außerdem Rücksprachen mit vorher behandelnden Ärzten und Therapeuten. Dadurch fand ich die Diagnose gut abgesichert, ich muss aber auch sagen, dass die Diagnose-Kriterien dieser Persönlichkeitsstörung auf mich zu 100% zutreffen, daher hatte ich auch keine Zweifel.
Wenn man sich an der Grenzlinie zwischen Akzentuierung und Vollbild befindet, kann ich verstehen, dass man da Unsicherheiten verspürt.
Wobei man auch dazu sagen muss, dass man für die Diagnose im Vollbild ja nicht alle diagnostischen Kriterien erfüllen muss, so müssen von den im ICD 10 (das ja trotz Inkrafttreten des ICD 11 noch für 5 Jahre gültig ist bzw. weiter zur Anwendung kommt) genannten 6 Kriterien mindestens 3 erfüllt sein, beim SKID II liegt der cut-off-Wert bei 4 von 7, sprich: ab diesen Werten muss genauer hingesehen werden und weiter abgeklärt werden.
Und oftmals hat man als Betroffener ja auch so ein bestimmtes Bauchgefühl, ob man sich in einer Diagnose wiederfindet oder eher nicht. Kommt die Verdachtsdiagnose denn von Dir selber oder einem Deiner Behandler (also Arzt, Therapeut o.ä.)?
Und man muss sich auch immer fragen, was die Diagnose für einen selber bedeutet. Du hast schon ganz richtig gesagt, dass die Diagnose wichtig für die weitere Behandlung ist. Und das ist imho auch genau richtig so. Eine Diagnose ist wie ein Behandlungsplan zu verstehen, sie definiert einen nicht als Person, ist aber von entscheidender Bedeutung für die weitere Behandlung.
Ich habe das bei mir ganz deutlich gemerkt, als sich meine Diagnosen vervollständigt hatten. Ich hatte (recht schnell) eine recht umfassende Liste an Diagnosen, auf die ich behandelt wurde, aber irgendwie hakte es immer, und ab einem gewissen Punkt ging es einfach nicht weiter voran. Erst als die letzte (und entscheidende) Diagnose hinzukam, habe ich wieder Fortschritte gemacht, und zwar so große wie nie zuvor.
Wenn die Tendenz in Richtung Persönlichkeitsstörung geht, kann man sagen, dass diese trotz aller Unterschiede ja zumeist nach denselben grundlegenden Kriterien behandelt werden (und darum im stationären Bereich ja auch oftmals auf einer Station zusammengefasst behandelt werden).
Einen Unterschied habe ich in der Behandlung zwischen ÄVPS und sozialer Phobie bemerkt, die Sozialphobiker haben andere Aufgaben/ Herausforderungen/ Interventionen bekommen als die ÄVPSler.
Und falls Autismus diagnostisch mal ansatzweise ein Thema war, könnte man auch mal in Richtung schizoide Persönlichkeitsstörung gucken, das wäre dafür eine klassische Differentialdiagnose.
Ich wünsche Dir alles Gute für Deinen weiteren diagnostischen Weg!
LG Silver
04.07.2022 01:04 •
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