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Hallo,
ich hoffe hier wiedermal auf einen hilfreichen Austausch. Kurz zu mir: ich bin 31 Jahre alt und war die letzten 7 Jahre Depressionsfrei und hatte eher mit Ängsten zu kämpfen welche sich aber auch im Rahmen hielten. Durch ein paar kleinere Schicksalsschläge bin ich heuer in eine Lebenskrise gestürzt und hatte schlimme Angstattacken. Diese habe ich mit Medikamente in den Griff bekommen, jetzt melden sich die Depressionen wieder.

Was mich zurzeit einfach immer wieder einholt ist das Bewusstsein, dass das Leben jederzeit vorüber sein kann. Ich weiß woher dieser Gedanke kommt, viele meiner Wünsche und Vorstellungen sind (noch) nicht erfüllt. Ich hatte immer ein sehr klares Bild davon wie meine Zukunft aussehen sollte. Von diesem Bild bin ich zurzeit weiter entfernt als jemals in meinem Leben.

Das jeder Tag mein letzter sein könnte, hilft mir nicht im Bezug darauf, dass ich mein Leben noch mehr genieße, ganz im Gegenteil ich habe Depressionen davon bekommen. Ich würde gerne wissen wie ihr darüber denkt oder damit umgeht ?

28.07.2020 06:30 • 13.08.2020 #1


55 Antworten ↓


Zitat von Hilfesuchende01:
Ich würde gerne wissen wie ihr darüber denkt oder damit umgeht ?

Es mag banal klingen, aber ich denke nicht darüber nach. Ich bin froh darüber, den Zeitpunkt des Todes nicht zu kennen und beschäftige mich auch nicht damit.

Da ich fast doppelt so alt bin wie du, bin ich allerdings dazu übergegangen, Dinge, die ich gerne tun möchte, nicht allzu sehr aufzuschieben. Auch bin ich großzügiger mit mir, was das Erfüllen materieller Wünsche betrifft.

Im Gegensatz zu dir hatte ich nie klare Vorstellungen vom Verlauf meines Lebens. Ich habe immer versucht, es so zu gestalten, dass es mir Spaß machte, was mal gut, mal weniger gut gelang, aber dafür sorgte, dass ich immer bereit war, Zustände, die mir nicht gefielen, zu verändern.

Ich hatte Zeiten, in denen ich süchtig danach war, mich frei und lebendig zu fühlen, was dazu führte, dass ich mich oft lebensgefährlichen Herausforderungen gestellt habe. Den möglichen Tod habe ich dabei zwar auf dem Schirm gehabt, ihn aber nicht wirklich in Erwägung gezogen.

Während meiner Angststörung ist mir dieser gelassene Umgang mit dem Tod für eine Weile abhanden gekommen, inzwischen hab ich ihn mir zurück erobert. Vor Siechtum und schwerer Krankheit habe ich Angst, aber ich vertraue darauf, dass nur das erspart bleibt.

Einfluss darauf habe ich nicht, also verbanne ich die Sorge darum aus meinen Gedanken und beschäftige mich mit Dingen, die mich froh und zufrieden machen.

A


Bewusstheit der eigenen Endlichkeit

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Während meiner Angststörung ist mir dieser gelassene Umgang mit dem Tod für eine Weile abhanden gekommen, inzwischen hab ich ihn mir zurück erobert. Vor Siechtum und schwerer Krankheit habe ich Angst, aber ich vertraue darauf, dass nur das erspart bleibt.Einfluss darauf habe ich nicht, also verbanne ich die Sorge darum aus meinen Gedanken und beschäftige mich mit Dingen, die mich froh und zufrieden machen.

Lieben Dank für deine Antwort,
du sagst du hast dir den gelassenen Umgang mit dem Tod zurück erobert. Wie hast du das gemacht? Ich habe schon öfter festgestellt, dass ein tiefes Vertrauen hilft. Verbannst du die Sorge indem du sie quasi verdrängst wenn sie aufkommt?

Zitat von Hilfesuchende01:
Verbannst du die Sorge indem du sie quasi verdrängst wenn sie aufkommt?

Ja. Ich verbiete mir, diese Gedanken weiterzuspinnen. Sie führen zu nichts und lösen nur negative Gefühle aus. Über Dinge nachzudenken macht nur Sinn, wenn man auch Einfluss auf sie nehmen kann.

In Sachen Tod kann man das nicht - also führt auch Nachdenken nicht zu einem irgendwie sinnvollen Ergebnis.

Unsere Gedanken beeinflussen unser Lebensgefühl massiv. Es ist ein Geschenk, dass wir sie steuern können und genau das sollten wir zu unseren Gunsten tun.

Zitat von Calima:
Ja. Ich verbiete mir, diese Gedanken weiterzuspinnen. Sie führen zu nichts und lösen nur negative Gefühle aus. Über Dinge nachzudenken macht nur Sinn, wenn man auch Einfluss auf sie nehmen kann.In Sachen Tod kann man das nicht - also führt auch Nachdenken nicht zu einem irgendwie sinnvollen Ergebnis.Unsere Gedanken beeinflussen unser Lebensgefühl massiv. Es ist ein Geschenk, dass wir sie steuern können und genau das sollten wir zu unseren Gunsten tun.


Ich schätze mal, dass das auch Übung braucht seine Gedanken zu steuern. Ich bin derzeit in Therapie und werde, dass auch dort ansprechen. Hast du dazu ein Buch gelesen oder einen Tipp wie man das macht oder ist das mehr eine Art Stop Übung und dann denkst du einfach an etwas anderes..

Zitat von Hilfesuchende01:
oder ist das mehr eine Art Stop Übung

Ja genau. Gleichzeitig verändere ich meine körperliche Aktivität. Ruhepositionen sind Gift. Ich suche mir eine Beschäftigung und fokussiere mich auf diese.

Oft singe ich dabei oder erzähle mir laut, was ich grade tue. Ist natürlich hilfreich, dabei allein zu sein .

Wenn andere Leute da sind, rede ich mit diesen. Hauptsache raus aus dem Gedankenkarussell.

Zitat von Hilfesuchende01:
jetzt melden sich die Depressionen wieder.

Was mich zurzeit einfach immer wieder einholt ist das Bewusstsein, dass das Leben jederzeit vorüber sein kann.


Also, als ich Depressionen hatte, war für mich der Gedanke an den Tod sehr tröstlich. Es half mir, meine Situation zu ertragen in dem Bewusstsein, dass ich es selbst beenden kann, wenn ich das Leben nicht mehr ertrage. Ich hatte immer (und habe immer noch) genügend Medikamente da, um es zu tun, wenn ich will.

Zitat von Schlaflose:
Also, als ich Depressionen hatte, war für mich der Gedanke an den Tod sehr tröstlich. Es half mir, meine Situation zu ertragen in dem Bewusstsein, dass ich es selbst beenden kann, wenn ich das Leben nicht mehr ertrage. Ich hatte immer (und habe immer noch) genügend Medikamente da, um es zu tun, wenn ich will.


Nein dass ist bei mir nicht so, ich habe Depressionen weil ich Angst habe zu sterben bevor ich bestimmte Sachen erlebt habe, also zb Kinder zu bekommen oder zu Heiraten

Genieße einfach die Zeit,solche Gedanken behindern dich und sie machen dir das Leben schwer.
Unser Leben ist nicht endlos, deswegen mache das Beste daraus. Liebe Grüße

Zitat von Hilfesuchende01:
ich habe Depressionen weil ich Angst habe zu sterben bevor ich bestimmte Sachen erlebt habe, also zb Kinder zu bekommen oder zu Heiraten


Mir hilft Fatalismus: Wenn ich sterbe, kriege ich eh nix mehr mit. Dann kann ich auch nichts mehr vermissen. Und so lange ich lebe, lebe ich und habe alle Optionen offen.

Was bringt es also, sich um etwas zu sorgen, was mit hoher Wahrscheinlichkeit eh nicht eintritt, mit aber jeden Tag ver.saut?

Ich versteh schon den Grundsatz dieser Überlegung aber wie bei allen Ängsten/Depressionen ist es halt auch so dass der Einfluss auf die Gedanken nicht immer ganz so groß ist sonst gäbe es diese psychischen Erkrankungen ja nicht. Ich denke ja quasi nicht mit Absicht so und mache mir mein Leben schwer.
Hinter der Hypochondrie steht ja auch die Angst vor Leiden oder Sterben oder nicht?

Zitat von Hilfesuchende01:
aber wie bei allen Ängsten/Depressionen ist es halt auch so dass der Einfluss auf die Gedanken nicht immer ganz so groß ist sonst gäbe es diese psychischen Erkrankungen ja nicht.


Dazu gibt es durchaus unterschiedliche Meinungen. Unterm Strich ist es so, dass alles, was wir gegen schlechte Gedanken ins Feld führen können, gute Gedanken sind. Und wenn wir schlechte Gedanken denken können, warum sollten wir keine guten haben? Warum fällt es uns so viel leichter, uns in Angst und Elend fallen zu lassen, als in Vertrauen und positive Betrachtungsweisen?

Natürlich erleben wir Enttäuschungen. Aber ebenso oft erleben wir Dinge, die gut sind. Trotzdem neigen wir dazu, die guten Dinge als selbstverständlichen Normalzustand zu betrachten und uns auf die negativen zu fokussieren. Damit handeln wir gegen unseren Überlebensinstinkt.

Jedes verletzte oder kranke Tier setzt alles daran, sein normale Leben weiterzuführen. Liegen bleiben bedeutet den sicheren Tod, also kämpft es so lange es kann darum, wieder aufzustehen. Hunde und Katzen mit amputierten Beinen versinken nicht in Depressionen sondern strengen sich an, das Handikap zu kompensieren. Das verhilft ihnen dazu, auch als Dreibein ein gutes Leben führen zu können.

Wir Menschen benutzen unseren Verstand dazu, uns in Krankheit und Depression zu denken. Im Gegensatz zu unseren Tieren mobilisieren wir nicht unsere Energien sondern lähmen uns durch das Ausmalen von Katastrophenszenarien, die niemals eintreten werden.

Wenn ich mir meine Hypochondrie so betrachte, stelle ich fest, wie hirnrissig dieser Angstkomplex ist. Ich habe Angst davor, mein Leben an Krankheit und Tod zu verlieren und verpasse fortan vor lauter Angst, es zu leben. Nicht wenige erwischt diese Angst ja in Situationen, die eigentlich dazu angetan sind, einfach nur glücklich zu sein. Statt dieses Glück zu genießen machen wir uns aber Sorgen darum, dass wir es wieder verlieren könnten. Und ab da bevorzugen wir es, unglücklich zu sein, weil das Glück ja irgendwann enden könnte.

Der einzige Effekt: Wir beenden das Glück sofort und auf der Stelle. Das scheint uns lieber zu sein, als es zu genießen, so lange es da ist.

Viele Leute behaupten, sie würden nichts von anderen oder vom Leben erwarten, weil sie dann nicht enttäuscht werden könnten. Dabei bemerken sie nicht, dass sie der Enttäuschung kein bisschen entgehen. Sie nehmen sie nur vorweg und leben dafür tagtäglich in der Trostlosigkeit der Hoffnungslosigkeit. Ob diese Enttäuschung jemals eingetreten wäre, finden sie nie heraus, weil sie lieber in ihrer traurigen Scheinsicherheit kein Risiko mehr eingehen.

Aber Leben IST Risiko. Auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Das Risiko, krank zu werden oder zu sterben besteht ebenso, wie das enttäuscht und verletzt zu werden. Und dennoch ist es nicht mehr als das: Ein Risiko. Kein unausweichliches Schicksal. Als genau das behandeln wir es aber.

Das Leben ist ebenso auch Chance. Und für die gilt das Gleiche: Sie kann eintreten oder auch nicht. Gar nicht erst nach ihr Ausschau zu halten reduziert ihr Erscheinen aber auf Null.

Ich glaube, sensible und reflektierende Menschen werden oft ein Glück nicht eindeutig genießen können, es gibt viele Gefühle und einige können auch durchaus nebeneinander bestehen.

Ich kann genießen und dennoch darauf vorbereitet sein, dass dunkle Wolken kommen.
Ich zitiere einmal C.G. Jung; Wenn die schwarze Dame Depression kommt, soll man sie unbedingt zu Tisch bitten.

Zitat von kritisches_Auge:
Ich glaube, sensible und reflektierende Menschen werden oft ein Glück nicht eindeutig genießen können, es gibt viele Gefühle und einige können auch durchaus nebeneinander bestehen.Ich kann genießen und dennoch darauf vorbereitet sein, dass dunkle Wolken kommen.Ich zitiere einmal C.G. Jung; Wenn die schwarze Dame Depression kommt, soll man sie unbedingt zu Tisch bitten.


Was sagt Jung noch zum Thema Depression?

Ich bin mit deinem Beitrag ganz bei dir. Ich habe Angst vor der Endlichkeit und bestimmte Träume nicht zu erleben und mache mir so das Leben noch schwerer statt es zu genießen.

Auch Und dennoch ist es nicht mehr als das: Ein Risiko. Kein unausweichliches Schicksal. gefällt mir gut.

Unsere Gedanken bestimmen unser Leben. Einerseits ist es schwer sie zu verändern, ich denke da an den rosaroten Elefanten an den man nicht denken sollte und andererseits ist die Einzige Chance um besser zu leben - die Gedanken zu ändern.

Man sollte den Gedanken die Gewichtigkeit nehmen, dann tauchen sie automatisch weniger oft auf.

Ich hätte gerne mein Leben zurück ohne diese Bewusstheit von Endlichkeit andererseits denke ich mir wenn ich eines Tages damit umgehen kann, kann mich nichts mehr so leicht umhauen.

Wenn du magst, schaue einmal hierhin:

https://dieter-jenz.de/lc/eine-depressi...warz-jung/

@kritisches Auge kannst du auch mal schauen....,wenn man das Gefühl hat man gehöre nicht auf diese Welt.
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Klicke noch einmal meinen Link an und scrolle bis ganz nach unten, dann findest du viel Interessantes.

@Auge habe ein paar Dinge gelesen.....ja passt schon einiges sehr interessant danke!

Ich habe eine analytische Therapie nach Jung gemacht.

Mit Rezepten wie dass man solche Gedanken einfach nicht zulassen solle, ist es sehr selten getan.

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Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl
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