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Hallo liebe Community,

ich habe heute eine sehr emotionale Erkenntnis gewonnen und wollte einfach mal aus Neugierde fragen, ob ihr im Laufe eures Weges vielleicht dieselbe Erfahrung macht/gemacht hat.

Mir ist immer wieder aufgefallen, dass der Kampf mit Depressionen bei mir nicht immer nur mit diesem Gefühl der Sinnlosigkeit einhergeht. Das ist auch ein Gesichtspunkt, aber prominenter ist dieses Gefühl der Gehemmtheit. Man fühlt sich im Leben ausgebremst, wobei man zeitgleich nicht beantworten kann, was man eigentlich vom Leben will. Man will nur nicht an diesem Ort, diesem Punkt im Leben und generell in dieser Situation sein. Man will schreien, aber entweder erfährt man dadurch keine wirkliche emotionale Erleichterung oder man kann es einfach nicht (wieder Hemmung). Das tut weh. Da ist diese emotionale Anspannung, die nicht weggeht.

Ich neige dazu, in diesen (Dauer-)Phasen wahrhaftig einen Film zu fahren. Mein Hirn versucht, mich dann abzulenken. Das sieht so aus, dass ich mich entweder in intellektuellen Auseinandersetzungen verzettele oder mir ausmale, wie es wäre in bestimmten sozialen Kontexten einfach mal die Hosen fallen zu lassen (meist male ich mir dann Gespräche mit tatsächlich existenten Mitmenschen oder irgendwelchen Fanatsiepersonen aus). Besser fühle ich mich dadurch nicht.

Als ich heute morgen aufgewacht bin, wurde mir eines klar: Ich flüchte davor, mein Innenleben zu kommunizieren und mich echten Menschen zu öffnen. Es ist so, als hätte ich jeden emotionalen und verletzlichen Anteil meiner Persönlichkeit abgespalten, um den Menschen in meiner perfekten Rüstung zu begegnen. Ich lächle, obwohl ich innerlich eigentlich zusammenbrechen will. Ich mache Witze, obwohl ich seit gut 15 Jahren eigentlich nichts anderes machen will, als mich in mein Zimmer zurückzuziehen und zu weinen. Auf andere Leute zuzugehen und mich trösten zu lassen, ist für mich gefühlsmäßig keine Option, weil meine Familie immer wieder unter Beweis gestellt hat, wie wenig Bedeutung mein Innenleben hat. Ich erlebe keine echten Begegnungen im Leben, weil ich nicht weiß, wie das geht. Deshalb habe ich mit 30 weder echte erfüllende Freundschaften noch eine echte liebevolle Liebesbeziehung erlebt. Da ich nicht emotional offen sein kann, bin ich mir noch nicht einmal sicher, ob ich mich wirklich jemals für irgendwen wahrhaftig interessiert habe (eigentlich höre ich anderen gerne zu und gebe Rat, wenn sie ihn brauchen. aber jetzt stelle ich fest, dass ich irgendwie doch von meinen Mitmenschen abgeschnitten bin).

Ich rede mit Menschen, aber irgendwie doch an ihnen und an mir vorbei. Versteht das jemand? Fühlt sich jemand auch so. Ich komme mir merkwürdig vor. Als ich heute bei der Telefonseelsorge angerufen habe, bin ich bei der Schilderung in Tränen ausgebrochen. Der nette Herr am Telefon war sehr nett und hat mir Mut zugesprochen, trotzdem komme ich mir komisch vor.

Ich danke euch im Voraus!

07.11.2024 11:02 • 11.11.2024 x 2 #1


5 Antworten ↓


@dk94

Hm, obwohl ich vieles von dem was du schreibst von mir selbst kenne, weiß ich nicht, ob ich emotionale Verschlossenheit als Selbstschutzmechanismus unbedingt Teil als meiner Depression betrachten würde.

Ich würde es bei mir eher als eine mögliche Mitursache selbiger betrachten.

Die Menschen, denen ich mich wirklich geöffnet habe im Leben, kann ich an einer Hand abzählen und zwei der Finger würde ich mir rückblickend gerne abreißen.

Einerseits aus dem Grund, dass ich früh gelernt habe, dass Menschen illoyal, kaltherzig, selbstsüchtig udgl sein können und andererseits, weil dieses einerseits den Sinn dafür geschärft hat, den Bluff der echten Aufmerksamkeit zu erkennen, weshalb ich auch kein Problem damit hatte Menschen, die sich als falsch und oberflächlich herausgestellt hatten, schlicht nach einem Einzeiler wegzughosten, um mich vor der anbahnenden Enttäuschung zu schützen.

Das hat natürlich sehr oft nicht richtig funktioniert, weil man eben doch nur ein lernresistenter Idiot ist, um iwem vertrauen zu wollen, und so wurde dieses Urbild eigtl. nur noch mehr verfestigt.

Das so eine negative Sicht auf Dauer krank bzw. depressiv und kalt macht, ist dann wohl nicht selten ein Selbstläufer und ich wüsste auch nicht welche Therapie mir das Gegenteil beweisen könnte.

Es heißt ja dann, der richtige Partner usw usf. aber na ja. Skepsis, Skepsis. Das sind mMn immer so Allerweltsfloskeln, sich die Angst vor Verlust schönzusaufen.

A


Aufgabe des emotionalen Ausdrucks - Kennt ihr das?

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Hallo dk,

Was Du beschreibst kenne ich. Allerdings von vielen Mitmenschen, nicht von mir selbst.
Schlimm hört sich das für mich nicht an.
Jedoch wie ich lese, hast Du Dich gedanklich scheinbar etwas festgedacht.
Ich verstehe, dass Du zu dem Schluss gekommen bist, dass die Menschen alle kaltherzig und selbstsüchtig sind.
Allerdings sind nicht alle Menschen so.
Nur, wenn Du diejenigen finden möchtest, die eher warmherzig und
verständnisvoll reagieren, musst Du einige Menschen kennenlernen.
Es gibt sehr viele Menschen, die Deiner Denkweise bestimmt sehr nahe kommen.
Es macht nur etwas Mühe, dies immer wieder auszuprobieren und zu testen.

Viele Grüße Bernhard

Zitat von dk94:
Versteht das jemand?

Ja, was du schreibst empfinde ich auch so.

Zitat von dk94:
(eigentlich höre ich anderen gerne zu und gebe Rat, wenn sie ihn brauchen.


Das mache ich auch und grübele seit langem warum das so ist. Ich habe immer die Nähe von Leuten gesucht denen ich zuhören kann und mich nicht mit Menschen umgeben die mir zuhören. Oder ich habe keine solchen getroffen. Seit meiner Depression habe ich auch alle Kontakte zu Freunden abgebrochen weil ich mir nicht sicher bin ob es wirklich Freunde sind oder ob sie mich nur brauchen um ihren Müll bei mir loszuwerden. Für mich als Mensch interessiert sich ja doch keiner.

Zitat von dk94:
Da ist diese emotionale Anspannung, die nicht weggeht.

Ich kann das absolut nachvollziehen.

Es gab einen Punkt im Leben,an dem man innerlich (unbewusst) irgendwie vereist ist und aufgegeben hat aufgrund zahlreicher und/oder intensiver Verletzungen.

Von da an zählte nurnoch Überleben und das vor allem in psychischer/seelischer Hinsicht.
Denke schon,dass das Selbstschutz ist.

Ich merk,das immer,wenn das Eis doch mal zu schmelzen beginnt.
Da kommt einiges hoch aber ich fühle mich dadurch auch wieder lebendiger,wieder da!
Damit aber leider auch viel Schmerz und deswegen kann ich das auch nur bedingt zulassen.
Denke aber,das ist okay.

Zitat von dk94:
Auf andere Leute zuzugehen und mich trösten zu lassen, ist für mich gefühlsmäßig keine Option, weil meine Familie immer wieder unter Beweis gestellt hat, wie wenig Bedeutung mein Innenleben hat.

Es fehlen m. E. zwei bzw. drei entscheidende Worte: Deine Familie hat (vermeintlich!) bewiesen, wie wenig Bedeutung Dein Innenleben für sie hat.
Dass daraus für Dich ein Glaubenssatz wurde, lässt Deine obige Formulierung vermuten.
Zitat von dk94:
Ich rede mit Menschen, aber irgendwie doch an ihnen und an mir vorbei. Versteht das jemand? Fühlt sich jemand auch so.

Damit liegst Du gesellschaftlich eigentlich voll im Trend. Ich bin inzwischen davon überzeugt, dass es unter dieser Alltagsbühne die Katakomben gibt, wo viele eigentliche Wesen still vor sich hinleiden.
Zitat von dk94:
Ich flüchte davor, mein Innenleben zu kommunizieren und mich echten Menschen zu öffnen. Es ist so, als hätte ich jeden emotionalen und verletzlichen Anteil meiner Persönlichkeit abgespalten, um den Menschen in meiner perfekten Rüstung zu begegnen. Ich lächle, obwohl ich innerlich eigentlich zusammenbrechen will. Ich mache Witze, obwohl ich seit gut 15 Jahren eigentlich nichts anderes machen will, als mich in mein Zimmer zurückzuziehen und zu weinen.

Um bei dem o. g. Bühnenbild zu bleiben: Wer stets im Dunklen sitzt, verliert den Glauben an das Licht. Aber: Die Bühne und die Katakomben sind keine voneinander getrennten Bereiche! Du kannst die Katakomben als Bereich der Wurzeln sehen (wie z. B. das Erdreich bei einer Pflanze). Das Sichtbare (= Dein Alltagsbild) gründet also eigentlich im Unsichtbaren.

Sowohl die Wurzeln als auch die Blüten benötigen Nahrung um zu wachsen, zu gedeihen und ggfs. Früchte zu erzeugen (= ein erfülltes Leben zu führen). Fehlt diese in einem der beiden Bereiche, kommt es zum Ungleichgewicht und langfristig zum Absterben der Pflanze, ja - sogar zum Absterben des Unsichtbaren (= der Wurzeln). Lässt man den Zeitfaktor mal außen vor, kann man sagen, dass sich beide Bereiche gegenseitig stützen, ja sogar gegenseitig bedingen.

Es bleibt also festzustellen, in welchem Bereich ein Defizit besteht.
Zitat von dk94:
jetzt stelle ich fest, dass ich irgendwie doch von meinen Mitmenschen abgeschnitten bin

Wenn ich das richtig verstehe, schreit Dein Katakomben-Ich nach Licht, nach der Bühne, nach dem Gesehen- (und Erkannt-)werden. Andererseits glaubt es, nicht gesehen werden zu können. Und das hat einen Grund:

Wer sich lange genug auf die Routine seiner Bühnenrolle eingespielt hat, ist selber nicht mehr Teil dieser Figur. Seine sichtbare Präsenz zeigt nicht den Menschen, der eigentlich dahinter steht. Je länger man dies bewusst erlebt, desto mehr wird es zu einem weiteren Glaubenssatz: Ich werde nicht gesehen, ich bin von anderen Menschen isoliert.

Glaubenssätze wirken leider wie Negativ-Dünger im Wurzelbereich und wie Sonnenfinsternis auf der Bühne.

Glaubenssätze und ihre Entwicklung zu erkennen ist ein erster Schritt. Sie zu verstehen beinhaltet außerdem, weder sich noch andere für ihre Entstehung zu verurteilen und sich klarzumachen, dass sie aufgelöst werden können. Die Auflösung kann sehr vielseitig sein:

- allmählich oder plötzlich
- mehr im Wurzelbereich oder mehr im Bühnenbereich stattfindend
- mehr im körperlichen oder mehr im psychischen/seelischen Bereich stattfindend.

Ich persönlich durfte meine Glaubenssätze zu Beginn mittels mehrerer Meditationskurse erschüttern. Diese Erschütterungen verdienten wahrhaftig ihren Namen. Erst dann verlagerte ich - über Jahre hinweg - den Fokus mehr auf den sichtbaren Bereich. Dies führte am Ende zu einer Aufgabe meines knapp 30-jährigen Berufes. In meinem Fall wäre die umgekehrte Reihenfolge mit Sicherheit nicht richtig gewesen.

Es gibt insbesondere für das Isolationsgefühl spezielle Meditationspraktiken, die ihren Ursprung in der Buddhalehre haben. Hier wäre die sogenannte Metta Meditation definitiv hervorzuheben.




Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl
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