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Ich habe mich soeben neu registriert und hoffe, Ihr lieben Seelen könnt mir irgendwie weiterhelfen.
Ich möchte in diesem Beitrag meinen Ängsten und Sorgen freien Lauf lassen, weil ich es für mich nie tu, und mich mit meinem Anliegen an euch wenden.
Ich habe seit einigen Jahren Depressionen und bin in Therapie. Die Symptomatik zeigt sich in Form von Antriebslosigkeit, körperlicher Retardierung, Dissoziation, Konzentrationsproblemen, dem Wechsel zwischen Apathie und Oh-nein-was-mach-ich-jetzt-die-Welt-geht-unter, fehlende Selbstidentifikation durch fehlenden Selbstwert („ich weiß nicht, wer ich bin, aber das ist mir egal, denn es ist eh egal, wer ich bin“) , etc pp.
Letztens wurde ich auch mit ADHS diagnostiziert (ich habe es auf die Diagnose ankommen lassen, weil ich mir in Ritalin eine Verbesserung meiner Konzentrationsfähigkeit erhofft habe).
Mein Studium musste ich aufgrund der oben genannten Problematik abbrechen. Jetzt fange ich bald mit dem Informatikstudium an, weil es mir besser geht.
Nach langem hin und her habe die Medikation (Citalopram, Bupropion, Tavor und wie gesagt Ritalin) einfach mal ganz sein lassen. Auch, weil ich eine lange Dro. hinter mir habe und anfangen möchte, meine Selbstwirksamkeit zu spüren.
Nachdem ich mein Physikstudium abgebrochen habe, habe ich einfach mal nichts getan. Nebenbei mal gearbeitet und sonst keine Stressbelastung gehabt. Einfach Ruhe. Keine Hobbies.
Ich habe mich öfter mit Freunden getroffen und durch die Reflexion nach außen mich selbst ein wenig besser kennengelernt. Ich bin seit einigen Wochen auch in einer Beziehung, in der ich mich gelegentlich mit posttraumatischen Reaktionen meinerseits konfrontiert sehe und so in der Therapie besser ansprechen kann, wo der Schuh drückt und wie ich mit solchen Ängsten umzugehen habe.
Meine Laune ist momentan stabiler. Keine Panikattacken mehr. Ich empfinde endlich wieder gelegentlich Freude an Banalitäten des Lebens (Sonnenuntergang, cooler Song auf Spotify, eine warme Dusche) und fange an, mich inspirieren zu lassen und mich für Dinge zu interessieren. Es wäre doch schön, ein Hobby zu haben, das mich erfüllt und mich in meinem Selbstbewusstsein stärkt.
Mein Problem dabei ist: ich vermeide geistige oder intellektuelle Anstrengungen um fast jeden Preis.
Ich schwärme davon, mich endlich wieder ans Klavier zu setzen, so wie damals, und habe heute mehrere Stunden Anlauf gebraucht und den Versuch nach 10min abgebrochen.
Ich schwärme seit Wochen davon, wieder zu malen. Heute packe ich mein Tablet aus, um diesem Wunsch nachzugehen und bei dem Gedanken daran, dass ich ja gar nicht weiß, was ich malen soll, lege ich das Tablet wieder weg. Denn ich müsste ja „nachdenken und mich anstrengen“, um Ideen zu finden. Ich schwärme seit jeher davon, einen eigenen Song zu schreiben. Wie oft habe ich schon vergebens nach passenden Beats auf Youtube gesucht und habe dann nach 2min Grübeln um einen Songtext einen Rückzug gemacht.
Ewiges Streben und ewiges Prokrastinieren bis Resignation eintritt und Selbstwert, Selbstrespekt, Motivation und Interesse allesamt abnehmen.
Ich weiß nicht, was ich dagegen tun kann. Früher war ich ein Musterkind. Nur Einsen, super engagiert (nach der Schule Geigen-und Klavierunterricht, Theater, Orchester und am Wochenende Segelfliegen). Ich hatte keine Scheu davor, Dinge einfach anzupacken, vor allem wenn sie neu sind. Heute verzweifle ich bei allem, wo ich mich anstrengen muss. Es ist irgendwie die Angst vor meinen eigenen Gedanken. Dem plötzlichen Chaos und der Dynamik in meinem Kopf. Als würden sich Gedankenstränge verknoten, sehr sehr laut, und ich müsste diese erstmal erkennen und dann sorgfältig entknoten. Ich habe auch Angst vor dem Commitment. Ich werde an einem Tag nicht lernen, die Nocturne wie Chopin zu spielen. Ich werde die Zeichnung nicht an einem Tag aus den Ärmeln schütteln. Alles erfordert ein langfristiges Commitment, wofür ich mich nicht nur einmal, sondern mehrmals überwinden muss.
Das Studium geht auch in einer Woche los und ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, wie mich mit diesem Problem umgehen soll. Für ein gesundes Studium brauche ich Balance. Für Balance brauche ich ein Hobby, das mir gut tut. Für ein Hobby brauche ich Antrieb und Durchsetzungsvermögen. Ich weiß nicht, wie ich mit meiner Angst vor Anstrengung umgehen kann. Dafür müsste ich erstmal wissen, ob sie aus meinen Depressionen rührt oder ich eine Art Burnout habe. Und wenn ich das weiß,… was kann ich tun?
Vielen Dank für Eure Hilfe. Ich hoffe Euch gehts gut.

17.09.2023 22:09 • 18.09.2023 x 4 #1


2 Antworten ↓


@aberwaswenn
Ok, ich habe, glaub' ich, verstanden, was du meinst. Dein Problem liegt gerade von dir unentdeckt woanders:

Zitat von aberwaswenn:
Ich werde an einem Tag nicht lernen, die Nocturne wie Chopin zu spielen. Ich werde die Zeichnung nicht an einem Tag aus den Ärmeln schütteln. Alles erfordert ein langfristiges Commitment, wofür ich mich nicht nur einmal, sondern mehrmals überwinden muss.

Du setzt dich aus falschen Gründen unter Druck, einem unnötigen Perfektionismus!
Ein Hobby soll in erster Linie FREUDE bringen und SPAẞ machen, einen Ausgleich zum Alktagsstreß darstellen.
Du willst aber gleichzeitig GUT DARIN sein und zwar so gut, dass es deinem Perfektionsanspruch genügt! Das ist ein gedanklicher Irrtum.
Du kannst beispielsweise ein Hobby wie Malen ausüben, wenn du die Parameter änderst: male ein Bild FERTIG in einer Stunde! Abstrakt oder wie es gerade vom Pinsel, aus dem Stift läuft - und zwar deinen Emotionen angepasst - und nicht deinem Hirn! Du musst nicht das beste Bild der Welt abliefern (und keiner benotet dich, außer du selbst vllt.), aber vllt. ein recht gutes, was man als Ungeübte in 1h malen kann?
Oder male monatelang an einem Bild, und übermale, wenn etwas nicht gefällt - einfach aus Freude am Tun und mit der Gewißheit, dass du so lange dran rum schrauben kannst, bis es DIR gefällt!
Oder kaufe dir Malen nach Zahlen - macht auch Spaß und man kann den Kopf fast ganz ausschalten dabei!
Das gleiche gilt für Musik. Ein Hobby ist in erster Linie Spaß an der Freud', am Tun, am Herausfinden, was wie passiert und was rauskommt - ohne Zwang, ohne perfekt in was sein zu müssen!
Vllt. entdeckst du, dass es dir auch taugt, wenn du eben nicht überlegst, sondern einfach draufloshandelst und dich überraschen lässt?
Und evtl. brauchst du generell einfach auch RUHE in dir, im Kopf, ohne jede Bestrebung außerhalb des Studiums? Man muß ja nichts MACHEN. Man kann auch passive Hobb8es pflegen. Was glaubst du, weshalb so viele Menschen binge-watchen? Such' dir ne spannende Serie im TV oder online raus und geniesse einfach...das ist auch ein Ausgleich zu einem anstrengenden Tagesablauf oder Studium! Du bist NICHT gezwungen, privat etwas zu machen, was dir im Inneren widerstrebt - aus welchen Gründen auch immer! Und du brauchst dich da weder unter Druck zu setzen und erst recht nicht innerlich fertig zu machen! Komm' bitte (privat) von deinem Leistungsdenken runter. Ein Hobby ist ein Hobby und hat per se erstmal mit Leistungsanspruch gar nichts zu tun.
Es soll dir Freude machen. Wenn du da mit dem falschen Denken rangehst und mit dem falschen Konzept des Perfektionsanspruches, dann wundere dich doch bitte nicht darüber, wenn etwas in dir auf stur schaltet und keinen Bock darauf hat! Vllt. deine Seele?
Erkenne doch erstmal, was ein Hobby dir bringen soll und mit welcher Absicht du es verwirklichen möchtest.
Wenn in einem Menschen widerstreitende Kräfte auftreten, hat das seinen guten Grund. Versuch' dich also besser zu sortieren, anstatt dich fertig zu machen - und vllt. schaltest du einfach deinen Kopf ab und fängst an mit zeichnen. Abzeichen, irgendein Motiv, welches dir gefällt - dabei musst du nichts entscheiden und nicht viel denken. Und du kannst dir vornehmen, es an einem Abend fertigzustellen, ke8ne langfristige Anbindung! Einen Tag später kannst du was anderes tun. Vllt. nach Rezept was leckeres Kochen? Oder eine Lieblingsserie sehen? Ein Musikstück teilweise nachspielen? Smartphone-Games zocken oder dir ein Puzzle-Spiel besorgen? Puzzeln ist SEHR gut zum ABSCHALTEN, macht Spaß und man kann es anschließend kleben und hat einen netten Wandschmuck...
Heisst nicht umsonst, dass man ABschalten kann, mittels eines Hobbies. Versuch' das, statt dich zusätzlich belasten und ANschalten zu wollen, wo du doch deine Ruhe und Frieden brauchst. Und nicht das Gefühl einer langfristigen vertraglichen Bindung an etwas, was du ganz freiwillig und nur als Hobby (und nur so lange du Bock drauf hast) machen magst. Eben so wie DU es willst - ganz egal wie und was andere tun mit ihren Hobbies!
Okay?

Zitat von aberwaswenn:
Ich hatte keine Scheu davor, Dinge einfach anzupacken, vor allem wenn sie neu sind. Heute verzweifle ich bei allem, wo ich mich anstrengen muss.

Vielleicht war es ja tatsächlich mal so, dass Dir Dinge einfach leicht gelangen, weil Du ein Talent dafür hattest oder weil sie Dir aus einem anderen Grund keine größere Mühe bereiteten. Ich kenne das von mir in einigen Dingen, dass es natürlich schön ist, wenn es ohne Anstrengung gelingt. Das Problem ist, zumindest bei mir, es gibt auch tatsächlich Dinge die mir schwer fallen und mich dafür anzustrengen ist natürlich ungemütlich. Wer gewohnt ist, sich für alles anstrengen zu müssen, hat es da unter Umständen „leichter“ oder kann es besser akzeptieren, dass eine Komfortzone auch mal verlassen werden muss. Das eine Anstrengung zu Burnout führt, wird aber immer populärer, genauso wie jede durch eine Unwegsamkeit verursachte niedergedrückte Stimmung gleich eine Depression wäre und es wäre dementsprechend leicht, sich diesbezüglich zu klassifizieren und sich dann natürlich da rein zu steigern. Dabei hat man naturgemäß auch einfach mal nicht die Muse oder Lust, etwas anzugehen. Auch zu der Erkenntnis zu kommen, dass man gerade wirklich gerne zu faul zu etwas ist, ist ja nichts verwerfliches. Entscheidend ist, dass man idealerweise zumindest zu sich selbst so ehrlich ist, das es so ist. Wie man es jemand Anderem verkaufen will, ist dann wieder etwas anderes.





Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl
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