Hallo Sandor,
vorweg: Ich finde es gut, dass Du Dir therapeutische Hilfe suchst. Ich denke, dass Du sehr von einer Therapie profitieren kannst. Du hast ja an mehreren Stellen beschrieben, unter welchen Deiner eigenen Symptome Du bereits ziemlich leidest, und ich glaube, dass Du diesen Leidensdruck mit professioneller Hilfe deutlich verringern kannst.
Zum eigentlichen Thema:
Ich glaube, dass Deine Einstellung zur BPS an einigen Stellen vielleicht zumindest mitverantwortlich für einen Teil Eurer Probleme gewesen sein könnte. Es ist Deine Wortwahl an mancher Stelle, die mich zu dieser Vermutung führt. Ich meine Folgendes:
Für mich hört es sich so an, als würdest Du Deine ehemalige Partnerin sehr durch die Brille ihrer BPS betrachten, sie z.T. auf ihre Diagnose reduzieren und ihr Verhalten bzw. Eure Probleme sehr stark auf ihre BPS zurückführen.
Eine Person mit BPS ist aber sehr viel mehr als diese Diagnose, und einen Menschen auf seine Diagnose zu reduzieren führt meiner Meinung nach nicht selten zu Problemen und einer zu stark eingeengten Wahrnehmung. Das gilt auch für Personen mit Persönlichkeitsstörungen. Sicherlich sind Persönlichkeitsstörungen etwas tiefgreifendere Diagnosen, die stärker mit der Persönlichkeit verwoben sind als andere Diagnosen, aber trotzdem ist diese Person mehr als ihre Persönlichkeitsstörung. Deine Wortwahl (z.B. im Titel des Threads oder in Äußerungen wie meine Borderliner-Freundin)
Zitat von Sandor: Ich wurde nach 3 Jahren vor ein paar Tagen von meiner Borderliner-Freundin verlassen.
könnte andeuten, dass Dein Blick auf Deine ehemalige Partnerin etwas zu sehr auf diese Diagnose eingeengt ist. Gerade auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Du ja, so wie Du es beschreibst, selber nicht unerhebliche emotionale Baustellen hast und schwierige Verhaltensweisen zeigst, was Du ja auch selber zugibst (was ich übrigens auch gut und ehrlich von Dir finde):
Zitat von Sandor: ... meine persönlichen Ungereimtheiten (vielleicht Liebssucht, Weltschmerz, Bindungsangst, Angst vorm Verlassenwerden)....
Ich finde es gut, dass Du eine Therapie anstrebst, diese wird Dir meiner Meinung nach sehr helfen können, Deine eigenen Baustellen zu bearbeiten. Und ich finde es auch gut, dass Du Dich mehr über Borderline belesen willst, das sind doch vielversprechende Ansätze.
Und meiner Meinung nach wird Dir das auch helfen, Deine Einstellung gegenüber dieser Erkrankung zu verändern, diese besser zu verstehen und auch Vorurteile abzubauen. Denn leider ist BPS ja oftmals noch stark stigmatisiert.
Dein Beispiel zeigt meiner Meinung nach recht gut, dass es nicht immer
automatisch nur der Mensch mit BPS ist, der sich in Beziehungen problematisch verhält. Nur, weil sie die Diagnose BPS hat, bedeutet das ja nicht, dass sie automatisch der schwierigere Part in Eurer Partnerschaft war. Natürlich gibt es Menschen mit BPS, die ein sehr schwieriges Beziehungs-Verhalten zeigen, ganz klar, es gibt aber auch viele Menschen mit BPS, die durchaus hinreichende zwischenmenschliche Interaktions- und Beziehungs-Fähigkeiten haben, es ist also kein
Automatismus, und nicht selten haben gerade Menschen mit BPS auch Partner mit hochproblematischen Verhaltensweisen (das passiert nicht selten), manche mit/ manche (noch) ohne Diagnose.
Es ist ja auch noch gar nicht gesagt, welche Diagnosen bei Dir in der Therapie herauskommen, und wenn da Diagnosen mit dabei sind, die im Allgemeinen von vielen Menschen als schwierig betrachtet werden, möchtest Du ja auch nicht auf diese Diagnosen reduziert werden.
So, wie Du es beschreibst, warst ja nicht selten eher Du derjenige, der sich grenzüberschreitend verhalten hat, der streitlustig war, der Streitigkeiten befeuert statt begrenzt hat, der Grenzen und Absprachen nicht einhalten wollte, der sich zurückgestoßen gefühlt hat, sobald sie mehr Abstand eingefordert hat und der ihr diesen Abstand nicht gewähren wollte...,
alles Verhaltensweisen, die ja sehr oft Menschen mit BPS unterstellt werden, hier aber eher von Dir als von ihr gezeigt wurden (was mir übrigens an Deinen Schilderungen mehrfach aufgefallen ist, womit ich jetzt auf keinen Fall sagen möchte, dass Du eine BPS oder eine andere PS aus dem Cluster B hast, das kann ich nicht beurteilen, es ist nur etwas, was mir an Deinem Verhalten, das Du beschrieben hast, aufgefallen ist, nicht mehr):
Zitat von Sandor: Als ich dann letztens 2 mal verneinte als sie fragte ob ich nochmal ein paar Tage weg sein kann konnte ich es nicht akzeptieren
Zitat von Sandor: hatte sie 2 mal um ein paar Tage Abstand gebeten. (Ich habe noch eine andere Wohnujng wo ich hin gehen kann). Ich empfand so etwas immer wie ein Wegstoßen
Zitat von Sandor: Für mich ist das so schlimm. Ich fühle mich weggedrückt, vom Hof gejagt
Aber Du zeigst ja bereits eine grundlegende Einsicht in Dein problematisches Verhalten und in Deinen Anteil an Euren Problemen, das finde ich schonmal ziemlich gut. Und Du suchst Dir eine Therapie, auch das finde ich gut. Gerade in Bezug auf Deine Nähe-Distanz-Problematik wird Dir das bestimmt sehr helfen können.
Ich habe selber auch die Diagnose BPS und kann aus Betroffenen-Perspektive sagen, dass ich persönlich Deine Wortwahl an mancher Stelle z.T. als etwas abwertend empfinde. Andere Betroffene sehen das vielleicht anders, es ist nur mein persönliches Empfinden, das möchte ich hier ganz deutlich sagen. Aber ich möchte von meinem Mann nicht als seine Borderline-Frau tituliert werden. Ich habe z.B. auch Depressionen und möchte genauso wenig als seine Depri-Frau bezeichnet werden. Depressionen sind jetzt oft nicht so eng mit der Persönlichkeit verwoben wie Persönlichkeitsstörungen das sind, aber das Prinzip ist trotzdem das gleiche. Ich würde mir für Dich wünschen, dass Du Menschen weniger auf ihre Diagnosen reduzierst und mehr als ganzheitliche Personen mit vielen Facetten wahrnimmst, und dass Du Dich auch in Deiner zum Teil doch recht abwertenden Wortwahl künftig etwas mehr in Dein Gegenüber hineinversetzen würdest, das würde Dir meiner Meinung nach durchaus auch in künftigen Beziehungen helfen können.
Empathie ist ganz wichtig einer Beziehung, und nach allem, was Du geschrieben hast, könnte es Dir meiner Meinung nach in künftigen Beziehungen vielleicht auch helfen, Dich mehr in Deine Partnerin hineinzuversetzen und ihre Emotionen und Bedürfnisse mehr wahrzunehmen. Denn nach dem, was Du hier geschrieben hast, klang es für mich so, als wäre Deine Konzentration auf Deine Gefühle und Bedürfnisse auch ein Problem gewesen, das zu Konflikten geführt hat, ebenso wie Deine sehr emotionalen Reaktionen auf empfundene Zurückweisungen von ihr. Du schreibst ja selber, dass Du auf ihre Bedürfnisse und Gefühle nicht immer wirklich Rücksicht nehmen wolltest, vor allem dann nicht, wenn sie Deinen eigenen Bedürfnissen entgegenstanden. Einem klaren Abgrenzungs-Bedürfnis eines Partners nicht nachzukommen ist für mich nicht akzeptabel und aus einer Verletztheit heraus Streit anzufangen ist auch eher ungünstig, so ähnlich schrieb es @cube_melon ja auch schon in einem etwas anderen Kontext (push back Mechanismus).
Zitat von Sandor: Als ich dann letztens 2 mal verneinte als sie fragte ob ich nochmal ein paar Tage weg sein kann konnte ich es nicht akzeptieren
Zitat von Sandor: Das war für mich Kränkung, Schmerz und Angst in einem. Dann habe ich nicht einfach nein gesagt sondern bestimmt auch nicht sehr schön und habe gestritten.
Zitat von cube_melon: Der Punkt ist, das es so zu sein hat. Da sind, leider, deine Befindlichkeiten untergeordnet.
Und wenn Du dich dann so fühlst, können bei dir auch Reaktionen entstehen, die bei ihr dann weiter inneren Stress auslösen. Was letzten Endes zu einem stärkeren push back Mechanismus führt.
In Bezug auf Deine Unterteilung zwischen normalem Verhalten und BL-Verhalten:
Zitat von Sandor: Das spricht alles für ein normales Verhalten und hat mit BL nix zu tun? Das macht mir Angst. Angst dass ich gar nichts mehr machen kann.
Wie @yoonmin schon schrieb: Eine solche Unterteilung ist wenig hilfreich, das sehe ich ganz genauso.
Mal abgesehen davon, dass Deine Schlussforderung an Deiner Stelle für mich nicht ganz schlüssig ist.
Und was ich Dir auch wünschen würde (und was bestimmt auch Teil Deiner Therapie werden wird):
Sei wirklich richtig ehrlich mit Dir. Wenn es darum geht, eigene Fehler einzugestehen, schreibst Du ja durchaus davon, dass Du auch Deine Fehler einsiehst, Du schreibst aber auch Folgendes:
Zitat von Sandor: Bei der Trennung kritisierte sie das, da die Abmachung nicht eingehalten wurde. Sie sagte das vorher aber nie.
Das stimmt ja so nicht. Sie hat Dir vorher ganz klar gesagt, was sie von Dir möchte, und es liegt ja nun nicht in ihrer Verantwortung, Dich, einen Erwachsenen, ständig daran zu erinnern. Du wusstest sehr genau, was sie sich gewünscht hat, es passte nur nicht zu Deinen Wünschen, darum hast Du lieber weiter versucht, Deine Wünsche durchzusetzen. Und jetzt zu sagen Sie sagte das aber nie ist nicht wirklich überzeugend oder stimmig, Du wusstest, dass sie sich gewünscht hat, dass Du ihr Bedürfnis nach etwas Abgrenzung und Abstand akzeptierst.
Das ist jetzt gar nicht vorwürflich gemeint, passiert ist passiert, ich halte es nur für sinnvoll, nach vorne zu sehen und Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen, damit sich bestimmte Probleme künftig nicht wiederholen.
Ich bin der Meinung, dass Du schon gute Ansätze zeigst und hoffe, dass die Therapie Dir helfen wird. Du bist bereit, an Dir zu arbeiten und hast eine grundlegende Einsicht in Deine Probleme, was wirklich gute Voraussetzungen für eine effektive Therapie sind. Und ich glaube auch, dass die Aufarbeitung Deiner Probleme Dir helfen wird, in einer künftigen Beziehung schon ganz anders agieren zu können.
LG Silver