Hallo Celinamaria,
Zitat von Celinamaria: Meine Therpeutin sagt das ich spontan borderline habe/bin!? Ich kann mit der Aussage im Nachhinein nichts anfangen.
Dass Du mit dieser Aussage nicht viel anfangen kannst, verstehe ich total, die ist ehrlich gesagt auch etwas merkwürdig...
Ich habe selber Borderline (neben vielen anderen Diagnosen, unter anderem auch eine schwere Angsterkrankung), und das, was ich schreibe, schreibe ich Dir aufgrund meiner inzwischen jahrelangen Erfahrung mit Therapie in diesem Bereich und meinem Austausch/meinen Gruppentherapien mit inzwischen bestimmt hunderten von betroffenen Mitpatienten, bin aber nichtsdestotrotz selber Betroffene und schreibe daher auch aus dieser Perspektive heraus, ich bin keine Therapeutin, sondern nur erfahrene Betroffene.
Also zunächst einmal ist Borderline eine Persönlichkeitsstörung, und die kriegt man nicht spontan. Auch ist man nicht spontan Borderline, man hat Borderline, bzw. eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung Typ Borderline, oder man hat sie nicht. Es gibt bestimmte diagnostische Verfahren, um eine Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren, oftmals eine Kombination aus entsprechenden Tests und diagnostischen Interviews.
Persönlichkeitsstörungen sind keine Erkrankungen, die mal spontan auftauchen und mal nicht, dabei handelt es sich um sehr tiefgreifende Muster im Fühlen, Denken und Handeln, die zumeist schon in der Kindheit entstanden sind und eigentlich immer da sind, vielleicht mal stärker präsent, mal schwächer präsent, aber grundsätzlich immer da (diagnostiziert werden Persönlichkeitsstörungen aber erst nach dem 18 Lebensjahr, bis dahin sind es Verdachtsdignosen oder bekommen andere Namen). Die dazugehörigen Muster im Denken, Fühlen und Handeln sind sehr tief mit der eigenen Persönlichkeit verwoben, sie sind fast schon ein integraler Teil davon, darum sind sie auch so schwer zu behandeln. Eine Behandlung ist möglich, es gibt verschiedene Therapieverfahren, die gut helfen können, wie z.B. die dialektisch-behaviorale Therapie (DBT), aber eines ist ganz klar:
Eben weil es so tiefgreifende Muster sind, die so dermaßen viele Bereiche des persönlichen Erlebens und der persönlichen Wahrnehmung bestimmen, ist eine Therapie im Bereich von PS (Persönlichkeitsstörung) in den meisten Fällen sehr langwierig, über mehrere Jahre, da kommt man mit einer Kurzzeittherapie zumeist nicht aus.
Wenn also Deine Therapeutin das Wort schon in den Mund genommen hat und Du das Gefühl auch selber hast, dass da etwas sein könnte, würde ich sie direkt darauf ansprechen und um eine entsprechende Diagnostik bitten. Bestätigt sich nach der Diagnostik die Diagnose, wäre das auch ein Verlängerungsgrund für Deine Therapeutin (also für einen Antrag auf Langzeittherapie), aber es kann natürlich sein, dass sie keine PS behandelt, es gibt leider einige Therapeuten, die die Arbeit mit PSlern grundsätzlich ablehnen (traurig, aber Realität).
Und so eine Diagnostik kann sehr aufschlussreich sein, vielleicht gibt es bei Dir ja auch noch Akzentuierungen in Richtung weiterer Persönlichkeitsstörungen.
Ich kann natürlich aus Deinem Text keine verlässlichen Rückschlüsse ableiten, einfach weil ich keine Therapeutin bin, sondern nur Betroffene mit jahrelanger Erfahrung, aber nachdem, was Du beschreibst, könnte es meiner Meinung nach durchaus in diese Richtung gehen. Einige Verhaltensweisen und emotionale Zustände und Reaktionen kenne ich sowohl von meinen Mitpatienten als auch von mir selber sehr gut, und da kann ich sagen, dass es sich durchaus sehr vertraut anhört, was Du so schreibst.
Borderline ist ja im Kern eine Emotions-Regulations-Störung und eine Interaktions-Störung, sprich: man bekommt seine eigenen Gefühle nicht gut kontrolliert und man hat wiederholt Probleme im Umgang mit anderen Menschen, und da setzen auch die meisten Therapieformen an. Da geht es viel um Anspannungsregulation, Fertigkeiten- oder Skillstraining, Training der sozialen Interaktion, Achtsamkeit, Selbstbeobachtung allgemein und nicht zuletzt die Reduktion aller möglichen dysfunktionalen Verhaltensweisen. Du musst Dich übrigens nicht selbst verletzen, um Borderline zu haben, nicht alle Borderliner haben ein Problem mit klassischem selbstverletzenden Verhalten, und außerdem ist die Definition von selbstverletzendem Verhalten tatsächlich sehr weit und schließt recht viele Verhaltensweisen mit ein, auch solche, wie Du sie beschrieben hast.
Im Rahmen der Therapie ist es sehr wohl möglich, deutliche Verbesserungen der Symptome zu erzielen. Man hört ja immer wieder, dass Menschen mit Borderline angeblich nicht beziehungsfähig und auch nicht wirklich gut therapierbar seien, aber das sind Mythen und Vorurteile.
Es ist wirklich harte therapeutische Arbeit, aber wenn man sich Mühe gibt und gut mitarbeitet, können ganz erstaunliche Fortschritte erzielt werden.
Ich mache jetzt schon sehr lange Therapie, zuerst tiefenpsychologisch, jetzt Verhaltenstherapie, ich habe ambulante Therapie und bin auch immer mal wieder für mehrere Monate stationär, und im Laufe der Zeit haben sich viele Symptome deutlich verbessert. Man braucht zwar wirklich viel Geduld und einen langen Atem, aber es kann so viel besser werden, wenn man die passende Therapieform und den passenden Therapeuten gefunden hat.
Ich kann Dich nur ermutigen, mit Deiner Therapeutin ganz offen das Gespräch zu suchen.
Ich wünsche Dir dafür alles Gute!
LG Silver