Hallo Forum.
Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob dieses Thema in die reine Beziehungsecke gehört, fange ich doch mal hier an.
Die Frage zusammengefaßt ist eigentlich: wie kann ich mich meinem Freund gegenüber richtig verhalten, wenn er von Verzweiflungs- und Wutanfällen gepackt wird? Ist er eigentlich noch normal? Und reagiere ich eigentlich normal?
Seit drei Jahren kenne ich (Frau, 36) ihn, die Beziehung ist geprägt von gegenseitigem Beschützen, Zärtlichkeit, Verständnis und Gleichberechtigung. Ich bin nicht wirklich verliebt, versuche aber, über die körperlichen Mängel hinwegzusehen. Obwohl wir uns ähnlich sind, gibt es gravierende Gegensätze, die sich gegenseitig auch noch verstärken.
Da ist seine Verlassensangst versus meine Bindungsangst: er ist schrecklich verliebt, sieht in mir seine einzige Zuversicht und hat panische Angst, daß ich ihn eines Tages verlassen könnte. Ich habe grundsätzlich Probleme mit Bindungen und tatsächlich eine starke Tendenz, wegzulaufen, wenn´s brenzlig wird. Damit verstärke ich seine Ängste natürlich und mache ihn empfindlich für die kleinste Kritik.
Seine Schuldgefühle und Frustration: Er fährt extrem leicht aus der Haut, wenn Dinge nicht nach Wunsch funktionieren. Oft passiert das, wenn er unterschwelligen Streß hat (Arbeit, Zukunftsplanung), den er nicht, so wie ich, einfach vergessen kann. Hey, er wird nicht tätlich, wirft aber durchaus mal Sachen kaputt. Das erinnert mich schrecklich an meine jähzornige Mutter, meine Strategie: abwenden, verstecken, warten bis es vorbei ist. Führt bei ihm zu weiterer Frustration, weil er sich abgelehnt fühlt und wieder alles falsch gemacht hat, zu Scham und Schuldgefühl, und oft baut sich dann eine solche Blockade auf, daß er vollkommen handlungsunfähig wird. Es ist mehr als einmal vorgekommen, daß er auf langen Autofahrten einen stundenlangen Monolog hält, entweder wie ein Irrer Gas gibt oder im Schneckentempo fährt und schließlich vollkommen frustriert einfach irgendwo anhält. Auch bei Telefongesprächen frißt er sich in endlose Monologe und Frustration hinein. In beiden Fällen habe ich gar keine Lust mehr zum Zuhören, fühle mich aber auch hilflos ausgeliefert. Ganz offensichtlich führt gerade das zur Eskalation, aber was soll ich tun? Ständig tröstend auf alle Seltsamkeiten eingehen?
Mir fällt auf, unter wie viel Einzelstörungen er leidet. Zum einen die extremen Ausmaße der Frustration und (Selbst)aggression, die ich oben beschrieben habe. Aber auch Astma, Streßsymptome, Schluckstörungen, Sodbrennen, eine seltsam gurgelnde Sprechweise (die er selber nie bemerkt hat), restless-leg-Symptom, mindestens zwei Phobien (vor Gegenständen, denen man im Alltag nicht so oft begegnet, aber doch), praktisch kein Sozialleben bevor ich kam; selber bezeichnet er sich als leicht autistisch, was auch immer man davon halten soll.
Gerade bei seinen Austickmomenten ist er wie ein anderer Mensch. Sonst ruhig, zärtlich und übertrieben sorgsam, jemand, der nie nein sagen kann, wird er zu einem Automaten, der Monologe führt, wildentschlossen Handlungen durchzieht und beim kleinsten Anlaß Wutausbrüche hat. Er war schon beim Psychologen, aber zu mehr als vielen freundlichen Plauderstunden ohne konkreten Rat hat es nicht gereicht.
Ja, und ich selber? Ich hatte von Anfang an das Gefühl, ihn nur zu mißbrauchen. Ich bin auch nicht frei von Seltsamkeiten, wir haben beide berufliche Probleme und müssen uns neu orientieren; er hat mir jahrelang zugehört und allein die Tatsache, daß er vorhanden ist, hat bei mir für viel Entspannung und Sicherheit gesorgt. Nur jetzt, wo die Probleme und die Unsicherheit für ihn aktuell werden, habe ich wenig Geduld und Einfühlungsvermögen. Ich höre ihm ja zu, aber zufrieden ist er nicht damit. Ich gebe ihm nicht die Sicherheit, die er sich wünscht. Das macht mir eine Menge schlechtes Gewissen; aber ich verabscheue ihn auch mit seinen seltsamen Zuständen und weiß nicht, ob das zurecht ist.
Er ist immer derjenige, der mich bewundert und mein schlechtes Selbstbild ununterbrochen aufbaut - aber ich bin nicht in der Lage und nicht interessiert, etwas zurückzugeben. Ist das schon eine narzisstische Störung oder ganz normale Unverliebtheit?
Es ist nicht lustig, wenn wir uns gegenseitig als psychotisch einschätzen und das heimlich ernst meinen. Außerdem übernehmen wir voneinander sämtliche gute und schlechte Eigenschaften in einem erschreckenden Maß.
Also, kurz und gut: gibt´s hier jemand, der mit ähnlichen Persönlichkeitsmustern zu kämpfen hat und einen guten Rat beisteuern kann? Ich will kein Beziehungsorakel, lieber ein paar Tips, wie man gegenseitig miteinander und jeder für sich mit sich selber umgehen lernen kann; ob man das kann.
Liebe Grüße,
-c-
Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob dieses Thema in die reine Beziehungsecke gehört, fange ich doch mal hier an.
Die Frage zusammengefaßt ist eigentlich: wie kann ich mich meinem Freund gegenüber richtig verhalten, wenn er von Verzweiflungs- und Wutanfällen gepackt wird? Ist er eigentlich noch normal? Und reagiere ich eigentlich normal?
Seit drei Jahren kenne ich (Frau, 36) ihn, die Beziehung ist geprägt von gegenseitigem Beschützen, Zärtlichkeit, Verständnis und Gleichberechtigung. Ich bin nicht wirklich verliebt, versuche aber, über die körperlichen Mängel hinwegzusehen. Obwohl wir uns ähnlich sind, gibt es gravierende Gegensätze, die sich gegenseitig auch noch verstärken.
Da ist seine Verlassensangst versus meine Bindungsangst: er ist schrecklich verliebt, sieht in mir seine einzige Zuversicht und hat panische Angst, daß ich ihn eines Tages verlassen könnte. Ich habe grundsätzlich Probleme mit Bindungen und tatsächlich eine starke Tendenz, wegzulaufen, wenn´s brenzlig wird. Damit verstärke ich seine Ängste natürlich und mache ihn empfindlich für die kleinste Kritik.
Seine Schuldgefühle und Frustration: Er fährt extrem leicht aus der Haut, wenn Dinge nicht nach Wunsch funktionieren. Oft passiert das, wenn er unterschwelligen Streß hat (Arbeit, Zukunftsplanung), den er nicht, so wie ich, einfach vergessen kann. Hey, er wird nicht tätlich, wirft aber durchaus mal Sachen kaputt. Das erinnert mich schrecklich an meine jähzornige Mutter, meine Strategie: abwenden, verstecken, warten bis es vorbei ist. Führt bei ihm zu weiterer Frustration, weil er sich abgelehnt fühlt und wieder alles falsch gemacht hat, zu Scham und Schuldgefühl, und oft baut sich dann eine solche Blockade auf, daß er vollkommen handlungsunfähig wird. Es ist mehr als einmal vorgekommen, daß er auf langen Autofahrten einen stundenlangen Monolog hält, entweder wie ein Irrer Gas gibt oder im Schneckentempo fährt und schließlich vollkommen frustriert einfach irgendwo anhält. Auch bei Telefongesprächen frißt er sich in endlose Monologe und Frustration hinein. In beiden Fällen habe ich gar keine Lust mehr zum Zuhören, fühle mich aber auch hilflos ausgeliefert. Ganz offensichtlich führt gerade das zur Eskalation, aber was soll ich tun? Ständig tröstend auf alle Seltsamkeiten eingehen?
Mir fällt auf, unter wie viel Einzelstörungen er leidet. Zum einen die extremen Ausmaße der Frustration und (Selbst)aggression, die ich oben beschrieben habe. Aber auch Astma, Streßsymptome, Schluckstörungen, Sodbrennen, eine seltsam gurgelnde Sprechweise (die er selber nie bemerkt hat), restless-leg-Symptom, mindestens zwei Phobien (vor Gegenständen, denen man im Alltag nicht so oft begegnet, aber doch), praktisch kein Sozialleben bevor ich kam; selber bezeichnet er sich als leicht autistisch, was auch immer man davon halten soll.
Gerade bei seinen Austickmomenten ist er wie ein anderer Mensch. Sonst ruhig, zärtlich und übertrieben sorgsam, jemand, der nie nein sagen kann, wird er zu einem Automaten, der Monologe führt, wildentschlossen Handlungen durchzieht und beim kleinsten Anlaß Wutausbrüche hat. Er war schon beim Psychologen, aber zu mehr als vielen freundlichen Plauderstunden ohne konkreten Rat hat es nicht gereicht.
Ja, und ich selber? Ich hatte von Anfang an das Gefühl, ihn nur zu mißbrauchen. Ich bin auch nicht frei von Seltsamkeiten, wir haben beide berufliche Probleme und müssen uns neu orientieren; er hat mir jahrelang zugehört und allein die Tatsache, daß er vorhanden ist, hat bei mir für viel Entspannung und Sicherheit gesorgt. Nur jetzt, wo die Probleme und die Unsicherheit für ihn aktuell werden, habe ich wenig Geduld und Einfühlungsvermögen. Ich höre ihm ja zu, aber zufrieden ist er nicht damit. Ich gebe ihm nicht die Sicherheit, die er sich wünscht. Das macht mir eine Menge schlechtes Gewissen; aber ich verabscheue ihn auch mit seinen seltsamen Zuständen und weiß nicht, ob das zurecht ist.
Er ist immer derjenige, der mich bewundert und mein schlechtes Selbstbild ununterbrochen aufbaut - aber ich bin nicht in der Lage und nicht interessiert, etwas zurückzugeben. Ist das schon eine narzisstische Störung oder ganz normale Unverliebtheit?
Es ist nicht lustig, wenn wir uns gegenseitig als psychotisch einschätzen und das heimlich ernst meinen. Außerdem übernehmen wir voneinander sämtliche gute und schlechte Eigenschaften in einem erschreckenden Maß.
Also, kurz und gut: gibt´s hier jemand, der mit ähnlichen Persönlichkeitsmustern zu kämpfen hat und einen guten Rat beisteuern kann? Ich will kein Beziehungsorakel, lieber ein paar Tips, wie man gegenseitig miteinander und jeder für sich mit sich selber umgehen lernen kann; ob man das kann.
Liebe Grüße,
-c-
26.10.2010 00:19 • • 31.10.2010 #1
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