Zitat von Isalie:Warum hast oder hattest du Angst zwangseingewiesen zu werden ? Wurdest du das jemals....hat man dich fixiert und medikamentös ruhig gestellt ? Vielleicht im geschlossenen Bereich ? Wegen Suizidandrohung oder selbstverletzendem Verhalten ? Empfindest du eine psychische / psychiatrische Erkrankung als persönlichen ...
Was soll der Fragenkatalog? Voll das Verhör...
Ich suche nicht bei jemandem die Schuld, der keine Schuld hat. Es gibt reale Schuld. Ich muss keinem was unterjubeln oder anhängen. Die Forschung hat das längst bestätigt. In Deutschland und im deutschsprachigen Raum herrscht noch ziemliches Unverständnis in Bezug auf medizinische Traumata und ihre Folgen. Das ist aber in anderen Ländern anders. Dort hat man das viel früher verstanden. Und da hat Deutschland eben Nachholbedarf. Die Forschung hat das schon längst klar bestätigt.
Und eine Traumatisierung wird heute auch als ein Ereignis gesehen, in dem die Verarbeitungsmöglichkeiten der betreffenden Person überfordert waren.
Traumafolgestörung ist eine körperliche Erkrankung und es geht primär um biologische Reaktionen des Körpers. Deswegen haben sich auch so viele Therapiemethoden als nicht effektiv rausgestellt. Sie bringen zwar oft Verbesserungen, aber die wirklich wesentlichen Elemente fehlen ihnen.
Es gibt aktuell viele Weiterentwicklungen. Man ist da keineswegs fertig, sondern die Forschung geht in die nächsten Runden. In Ulm wird ja dieses wahnsinnig große Traumaforschung-Institut gebaut. 2024 soll in Ulm diese gewaltige Forschungseinheit entstehen.
Wir werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten eine komplett neue Medizin bekommen, weil die Traumaforschung und die Mitochondrienforschung und die funktionelle Medizin so viele neue Ansichten liefert. Das wirft alles über den Haufen.
Unsere Haltungen und die Kognition liefern gerade mal einen Anteil von ca. 20 % zu unserem Gesamterleben. Der Rest kommt vom Körper. Daher ist unser Denken nicht der Schlüssel zum Auflösen von Traumafolgen.
Auch Medikamente schaffen da nicht viele Effekte. Das Ganze ist eher physikalischer Natur.
Wenn jemand so riesengroße Probleme mit der Schuldfrage hat, dem kann ich sagen, dass man auch einfach den Passus wählen kann und annehmen kann, dass die Medizin Auslöser oder Kausalfaktor für schwere und schwerste Traumafolgen ist. Und genau aus dem Grund muss man da dran gehen. Es bringt ja nichts, sich körperliche Gesundheit damit zu erkaufen, diese Menschen auf der anderen Seite dann doch kaputt zu machen.
Dass mit dieser Sicht viele Berufsgruppen schlecht können, ist mir klar. Trotzdem ist es an der Zeit, sich dieser Tatsache zu stellen.
Bei Ärztepfusch ist es dann noch schwieriger. Da sind die Konflikte noch massiver und die Gräben noch tiefer zwischen Behandlern und Behandelten.
Es ist definitiv kein schönes Thema.
Und trotzdem muss man für die Betroffenen was tun. Sie brauchen auch die Anerkennung und dass es bekannter ist. Man muss, wenn man so schwer krank von sowas wurde, entsprechende Versorgungsangebote finden können, man muss im persönlichen Bereich sagen können, ich bin leide unter den Folgen medizinischer Traumatisierungen, Ärzte müssen verstehen, dass Patienten mit medizinischen Traumatisierungen mit vielen Dingen Problemen haben. Zum Beispiel muss man auch das Thema Zwangseinweisungen anders handhaben. Es ist doch logisch, dass jemand, der Angst vor Medizin hat, sich in einer Klinik, in der er noch dazu eingeschlossen wird und wo es vor lauter weißen Kitteln nur so wimmelt, erst recht nicht regenerieren kann und dass die Retraumatisierung erfolgt. Das ist logisch. Daher müsste man für diese Patienten gezielt andere Angebote schaffen.
Mir hat z.B. geholfen, dass mein damaliger Therapeut die Zusammenhänge verstanden hat. Er hat dann mit mir am Telefon Therapie gemacht. So hatte ich immer einen Sicherheitsabstand zu ihm. Nach 3 Jahren Vorbereitung hat er mich dann in die Klinik geholt. Das war dann auch Psychosomatik und ich hatte ein Einzelzimmer. Ich dufte alles selbst bestimmen. Sogar meine Medikamnte durfte ich selbst im Zimmer behalten und er hat nur Angebote gemacht. Ich war der Entscheider. So hat er mir langsam ermöglicht, dass ich ohne Kontrollverlust und ohne Panik dort stationär eine Weile ausruhen konnte. Sein Team hat er soweit instruiert. Für mich wurden lauter Sondervereinbarungen getroffen. Ich musste keine Suizidabsprache abgeben. Er hat mir maximale Freiheit gegeben und alle Regeln, die für alle anderen Patienten verpflichtend waren, stecken lassen. Das ist einer der führenden Leute in Deutschland. So wäre man anderswo nicht auf mich eingegangen. Da war Glück. Und er war motiviert, weil er meine SV-Narben gesehen hatte, meine Vorgeschichte kannte und sich relativ schnell im Klaren darüber war, dass die normale Vorgehensweise hier versagen würde.
Aber bei anderen Ärzten, Therapeuten und Kliniken läuft das nicht so. Da geht man mit seiner Anti-Haltung hin, eckt an und fliegt raus. Und warum? Weil die nie gelernt haben, mit dieser Problematik umzugehen. Die sind alle auf Missbrauchspatientinnen und Vergewaltigungsopfer spezialisiert und eingerichtet oder Verkehrsunfälle und Kriegsveteranen und Flüchtlinge. Sonst haben wir in Deutschland nichts auf der Karte.
Und genau das muss sich ändern.
Es sind nicht die Patienten, die schuld sind, sondern das Selbstverständnis derer, die in der Medizin tätig sind. Und das hat auch mit der Ausbildung zu tun. In Deutschland zählt Sachlichkeit und Professionalität zu den Vorzügen, die im beruflichen Sektor hochgehalten werden. Aber in der Medizin kommt diese Kälte eben nicht gut an.
Es geht auch nicht darum, ob man psychisch krank ist und man das als Makel ansieht, sondern darum, dass einem ein normales erfülltes Leben unmöglich gemacht wurde. Und das eben nicht für Zeiträume von ein oder zwei Jahren, sondern für Jahrzehnte.
Mein Traumatherapeut hat mir schon ganz am Anfang der Traumatherapie gesagt:
Sie sind nicht an dieser Entwicklung schuld. Sie konnten nichts dafür! Mich wundert es, wie Sie das alles geschafft haben. Wie haben Sie das bis hier geschafft?.
Man ist machtlos gegen Traumafolgen. 80 % der Traumafolgen werden autonom vom Körper gesteuert und produziert. Die sind mit dem eigenen Bewusstsein und Denken noch nicht mal ansteuerbar. Das ist wie der Herzschlag, die Reflexe, die Körpertemperatur, das geht alles automatisch. Es hat auch nichts mit unserer Persönlichkeit, nichts mit unserem Charakter zu tun. Es ist reine biologische Reaktion eines Lebewesens. Und wenn man diese Sichtweise nicht kennt und damit nicht umgehen kann, dann kann man auch als Therapeut nicht helfen.
Und die DBT-PTBS und andere Therapieformen haben es sich als Strategie ausgesucht, gegen diese normalen und sinnvollen Reaktionen im Körper anzurennen. Das ist wie wenn ich gegen die Mauer renne, statt nebendran einfach durch die Tür zu gehen! Durch die Tür gehen ist einfacher und geschickter als da durch zu wollen, wo man kaum weiter kommt. Man kann natürlich sich ganz viele Mühe geben und ganz geschickt gegen die Mauer rennen. Aber viel wird es nicht bringen. Und wenn Du elegant durch die Tür gehst, dann ist das ein guter, sicherer und schnellerer Weg zum Ziel. Die DBTler sind auch nicht die einzigen, die so ansetzen.
Mein Traumatherapeut ist extrem fit. Und die 20 %, die nicht vom Körper kommen packt er mit Schematherapie und MKT und anderen Therapieformen. Und ich kenne noch ein paar Therapieformen, die er nicht kannte. Die habe ich ihm vorgestellt. In diese arbeitet er sich jetzt ein, damit wir damit arbeiten können. Aber die sind in Deutschland bisher kaum zu bekommen. Und wenn die angeboten werden, dann sind die Anbieter keine Kassentherapeuten.
Wir haben schon eine sehr andere Perspektive auf Traumata und Traumatherapie. Dass das manchmal nicht im Einklang mit den Erfahrungen anderere Patienten steht, ist mir klar.
13.01.2023 13:10 • #61