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Hallo zusammen,

ich bin Anfang 30 und habe, wie der Titel schon sagt, Angst um meine Mutter. Schon mein ganzes Leben lang. Das Besondere daran ist, dass meine Mutter selbst mir nie einen Anlass gegeben hat, übertrieben viel Angst um sie zu haben, aber sie selbst jahrzehntelang Angst um ihre Mutter, also meine Großmutter (sie ist vor 9 Jahren verstorben), hatte, die an einer Borderline-Störung litt, sprich, die Angst meiner Mutter war sozusagen berechtigt, wohingegen meine Angst übernommen ist.

Ich habe mein Leben lang versucht, Situationen, die meine Angst triggern, zu vermeiden, was letztlich dazu geführt hat, dass ich nie aus meinem Heimatort weggekommen bin, obwohl ich glaube, dass ich woanders ein ausgefüllteres Leben führen könnte, ich hatte immer das Gefühl, wenn ich auf ein Blatt Papier schreiben würde, wer und was zu mir passt, dann schaue ich nicht, wo ich das finde, sondern, was davon vor Ort oder in der nahen Umgebung möglich ist, denn würde ich wegziehen, hätte ich keine Kontrolle mehr darüber, ob es meiner Mutter gut geht.

Das mag jetzt irritieren, denn ja, natürlich gibt es Telefon, Sms, Whatsapp Co., aber genau da liegt mein Problem: Da die Angst um meine Mutter ja nur übertragen ist, kommt sie nur in bestimmten Situationen hoch, nämlich in denen, wo meine Mutter ganz besonders viel Angst um ihre Mutter hatte, und besonders viel Angst hatte meine Mutter unter anderem immer dann, wenn sie meine Großmutter angerufen hat und sie ist nicht ans Telefon gegangen ist, denn dann befürchtete meine Mutter, es sei etwas passiert.

Würde ich also woanders wohnen, und meine Mutter würde nicht ans Telefon gehen oder nicht zeitnahe zurückschreiben, hätte ich ja das Problem, dass ich dann nicht nachgucken könnte, ob alles in Ordnung ist. Ich lebe zwar seit drei Jahren in einer eigenen Wohnung, diese befindet sich aber im selben Ort wie die Wohnung meiner Mutter, sodass ich das Gefühl habe, würde sie dann nach einer gewissen Zeit nicht zurückrufen oder zurückschreiben, könnte ich ja nachschauen, ob alles in Ordnung ist oder im Zweifel dann in ihrer Wohnung warten, bis sie wieder da ist, falls sie unterwegs ist.

Meinen Alltag habe ich quasi um mein Kontrollsystem herumgestrickt, was dazu geführt hat, dass sowohl meine Mutter als auch ich sehr eingeschränkt sind. Ich habe lange Zeit versucht, mein Kontrollsystem vor meiner Mutter und auch vor mir selbst zu vertuschen, obwohl ich ja eigentlich gemerkt habe, dass da etwas nicht normal ist und ich mit meiner Mutter immer über alles reden konnte. Heute denke ich, ich hatte immer Angst davor, mich der Angst zu stellen und an ihr zu arbeiten, das ist etwas, was leider bis heute der Fall ist.

Denn auch wenn sich die Situation im Alltag seit meinem Auszug ein Stück weit gebessert hat, schaffe ich es nach wie vor nicht, größere Schritte wie in einen anderen Ort zu ziehen oder mal ohne meine Mutter in Urlaub zu fahren, anzugehen. Auch eine Partnerschaft hatte ich noch nicht, und ich vermute, dass die Angst um meine Mutter da auch eine gewisse Rolle spielt, denn eine Partnerschaft würde natürlich automatisch Kontrollverlust gegenüber meiner Mutter bedeuten, denn die ließe sich dann nicht in mein Kontrollsystem integrieren.

Dazu muss ich sagen, dass meine Mutter mich nie aktiv eingeschränkt hat, sie hat mir nie in irgendeiner Weise vermittelt, dass ich nicht in mein eigenes Leben gehen soll, ganz im Gegenteil, sie wünscht sich sehr, dass ich mich selbst verwirklichen kann, dass ich eine Partnerin finde (sie selbst hat einen Partner), und natürlich auch, dass sie mit Anfang 60 endlich mal anfangen kann, ihr Leben zu leben. Sie traut sich zum Beispiel nicht, mit ihrem Partner länger als ein paar Tage oder weiter weg in Urlaub zu fahren, weil sie wüsste, wie sehr mich das in einen Angstzustand versetzen würde, aber auch, wenn sie im Alltag Dinge unternehmen möchte, ist das nach wie vor oft von meiner Angst überschattet.

Ich war mehrere Jahre in Psychotherapie und habe dort auch viel über die übertragene Angst gelernt, nur ist es mir leider nur sehr bedingt gelungen, das Gelernte umzusetzen. Auch in eine Tagesklinik zu gehen oder einen stationären Aufenthalt zu machen, habe ich nicht geschafft, denn dafür hätte ich ja die Kontrolle aufgeben müssen. Auch ein paar Tage einen Freund zu besuchen, der weiter weg wohnt, schiebe ich schon lange vor mir her, weil ich Angst vor der Situation habe, dass, wenn ich mich dann von dort aus mal melde, meine Mutter nicht ans Telefon geht oder nicht (gleich) zurückschreibt und ich dann Angst hätte, dass ihr etwas passiert ist und dann solange in Unruhe wäre, bis sie zurückgerufen oder zurückgeschrieben hat.

Gibt es hier Menschen in einer ähnlichen Situation?

Viele Grüße

Meer2020

15.05.2020 18:29 • 18.05.2020 #1


3 Antworten ↓


Ich hatte auch eine sehr große Angst, meine Mutter alleine zu lassen, aber erst als sie älter war (über 70). Ich habe immer bei ihr gelebt, zuerst mit meiner Oma zusammen, als sie 2002 starb, nur mit ihr. Mein Vater war schon 1983 gestorben und meine Mutter ist nie eine weitere Beziehung eingegangen, obwohl sie damals erst 47 war. Ich selbst hatte und wollte nie eine Beziehung oder Partnerschaft. Je älter meine Mutter wurde, umso mehr Angst hatte ich um sie, weil ich sonst niemanden hatte. Im Januar 2016 ist sie dann gestorben und ich habe es viel besser verkraftet, als ich es die ganzen Jahre befürchtet hatte. Seit sie nicht mehr lebt, und diese Angst um sie nicht mehr da ist, geht es mir insgesamt viel besser.

A


Angst um Mutter durch Borderline-Störung der Großmutter

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Ich würde mal in eine ganz andere Richtung denken, und nicht, ich kann nicht weg, weil ich mich um meine Mutter Sorgen mache, sondern eher, ich bin derjenige, der es ohne Mutter nicht aushalten kann.

Das führt dich in eine andere Richtung, die dich nämlich ganz alleine betrifft, und deiner Mutter mehr Freiraum einräumen könnte, den sie sich auch wünscht.

Zitat von Icefalki:
, ich bin derjenige, der es ohne Mutter nicht aushalten kann.


Ja, diesen Gedanken habe ich auch, wenn ich deinen Beitrag lese.
Es geht um dich und erst in zweiter Linie um deine Mutter. Du klammerst. Sorry, wenn ich das so formuliere.
Klar, dieses um jemanden Angst haben, das hast du schon gelernt. Es ist auch gut, dass du eine Therapie gemacht hast. Das zeigt, dass du bewusst in die richtige Richtung gehst, wenn auch in kleinen Schritten.
Wenn du deine Mutter loslässt und dich so befreist vom Klammern, dann ist das für dich zuerst eine ungewohnte Situation.
Du tust aber damit auch deiner Mutter etwas Gutes. Wenn du sie wirklich gern hast und wenn dir dein Leben lieb ist, dann lass sie los. Sie ist ein freier Mensch und hat sogar das Recht darauf, mal zu leiden ohne dich. Genauso wie du das Recht auf Freiheit von ihr hast.




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